Erfolgsfaktor Sanierung: Der wirtschaftliche Akku ist wieder aufgeladen
CustomCells galt als Hidden Champion unter den Batteriezellenherstellern. Nach dem öffentlichkeitswirksamen Insolvenzverfahren gehört das „Hidden“ aber sicherlich der Vergangenheit an, ein Champion im Bereich Batteriezellen ist und bleibt CustomCells aber weiterhin. Maßgeblichen Anteil daran, dass das Startup nur zwei Monate nach dem Insolvenzantrag mit neuen Investoren wieder positiv in die Zukunft blicken kann, hat das Zusammenspiel von Insolvenzverwaltung und Sanierungsarbeitsrecht. Der neunte Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“.
Ein einfaches, aber wirkungsvolles Prinzip
Lithium-Ionen-Akkus funktionieren nach einem einfachen, aber wirkungsvollem Prinzip: Die elektrische Energie in den Akkus wird durch einen chemischen Prozess gespeichert und genutzt, um sogenannte Abnahmegeräte – also etwa Mobiltelefone, aber auch Elektrofahrzeuge oder -flugzeuge – anzutreiben. Jeder Akku wiederum setzt sich aus vielen einzelnen Batteriezellen zusammen.
CustomCells hat sich seit dem Start 2012 als Ausgründung des Fraunhofer-Instituts auf die Entwicklung und Fertigung spezieller Lithium-Ionen-Batteriezellen mit einer hohen Energiedichte fokussiert, die dadurch zum zentralen Baustein bei der elektrischen Transformation des Fliegens werden sollten. Um als Hauptlieferant des Flugtaxi-Startups Lilium abzuheben, wurde im baden-württembergischen Tübingen die Pilotanlage für eine automatisierte Serienfertigung gebaut. Aber nicht nur in die Luft, sondern auch auf die Straße und aufs Wasser wollte und will das Startup seine Premium-Batteriezellen bringen. Zudem gibt es zahlreiche weitere Branchen, in denen für die Elektrifizierung leistungsstarke Batterien als Energiespeicher gebraucht werden.
(Zu) hoch geflogen?
Wie konnte es also dazu kommen, dass ein so zukunftsfähiges wie hochtechnologisch ausgerichtetes Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten einen Insolvenzantrag stellen musste? Auslöser für die finanziellen Turbulenzen bei CustomCells waren die Insolvenz und der damit verbundene Zahlungsausfall von Lilium Ende Oktober 2024. Der größte Kunde von CustomCells konnte offene Forderungen in niedriger zweistelliger Millionenhöhe nicht beglichen. Dadurch entstand eine Liquiditätslücke, die CustomCells aus eigener Kraft nicht mehr schließen konnte. Da das Unternehmen zudem in der zur Verfügung stehenden Zeit keine neuen Investoren finden konnte, die ihm finanziell unter die Flügel greifen konnten, musste Ende April 2025 der Insolvenzantrag gestellt werden.
Übernahme durch industrienahe Family Offices
Dr. Malte Köster, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Gründungspartner der Kanzlei WILLMERKÖSTER, wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und startete als eine seiner ersten Handlungen gemeinsam mit der CustomCells-Geschäftsführung die Suche nach passenden Investoren – eine Suche, die bereits zwei Monate später, zum 1. Juli 2025, mit der Übernahme von CustomCells durch ein Konsortium industrienaher Family Offices erfolgreich abgeschlossen wurde. Durch die Übernahme konnten am Stammsitz von CustomCells in Itzehoe 80 Prozent der Arbeitsplätze erhalten werden.
Transparente Kommunikation
„Insgesamt hatte CustomCells an den Standorten Itzehoe und Tübingen rund 200 Mitarbeitende. Trotz der Größe der Belegschaft herrschte im Unternehmen nach wie vor eine Startup-Kultur, was uns als vorläufige Insolvenzverwaltung in diesem Fall durchaus vor eine besondere Herausforderung gestellt hat“, sagt Köster. „Am Standort in Tübingen ruhte zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags der Geschäftsbetrieb bereits – und auch im Zuge der Investorensuche haben sich keine tragfähigen Perspektiven für eine Wiedereröffnung ergeben, was für die Mitarbeitenden dort und ihre Kollegen in Itzehoe natürlich keine schöne Nachricht war, die wir aber sehr transparent kommuniziert haben. Für die Rettung des Unternehmens als solches war die Loslösung der Standorte voneinander jedoch alternativlos.“ Inzwischen ist die geordnete Abwicklung des Werks in Tübingen nahezu abgeschlossen.
Direkt loslegen
„Dass es Standorte gibt, für die es eine Fortführungslösung gibt, wohingegen andere Standorte eines Unternehmens geschlossen werden müssen, ist in einem Insolvenzverfahren nicht ungewöhnlich“, sagt Alexander von Saenger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun, der die sanierungsarbeitsrechlichen Belange im Verfahren CustomCells gesteuert hat. „Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn beide Standorte und alle Arbeitsplätze zu retten gewesen wären. Die Suche nach passenden Investoren und die Verhandlungen mit diesen mussten aber, wie es in Insolvenzverfahren oft der Fall ist, unter großem Zeitdruck erfolgen. Hinzu kommt die Tatsache, dass der für den Erhalt des Unternehmens notwendige Personalabbau parallel zu den Investorengesprächen erfolgen musste. Es war daher für alle Seiten wichtig, dass wir im Sanierungsarbeitsrecht direkt loslegen konnten.“
Erwerberkonzept erarbeitet und umgesetzt
Aber nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch die Erwerber von CustomCells haben auf die sanierungsarbeitsrechtliche Expertise von Alexander von Saenger und seinem Team gesetzt. „Für das Family-Office-Konsortium haben wir zusammen mit dem Erwerber und dessen anwaltlicher Beratung nach dessen Vorgaben ein Erwerberkonzept aufgestellt und dann umgesetzt, damit die Übernahme des Geschäftsbetriebs am Stammsitz in Itzehoe in der vergleichsweise kurzen Zeit, die zur Verfügung stand, erfolgreich abgeschlossen werden konnte“, sagt von Saenger.
Die Sanierungschancen genutzt
„Mein Dank gilt allen Beteiligten, die die Sanierung des Unternehmens begleitet haben. Dem Team bei CustomCells wünsche ich für den Neustart alles Gute. Ich bin überzeugt: Innovative und hochleistungsfähige Batteriezellentechnologie aus Deutschland hat ihre Chancen“, fasst Insolvenzverwalter Köster das Ergebnis zusammen. Mit dem Blick auf die erfolgreiche Sanierung von CustomCells kann man definitiv sagen, dass das Unternehmen die Sanierungschancen unter dem Schutz des Insolvenzrechts genutzt hat. Mit den neuen Investoren ist der wirtschaftliche Akku von CustomCells wieder aufgeladen, und es bestehen wieder stabile Perspektiven für die Zukunft.
CustomCells mit Sitz in Itzehoe ist einer der wenigen europäischen Akteure im Bereich von maßgeschneiderten, hochleistungsfähigen Batteriezellen und einer der ganz wenigen deutschen Batterie-Hersteller. CustomCells wurde 2012 als Spin-off der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft gegründet und unterstützt seine Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der ersten Konzeptentwicklung bis zur Belieferung von Zellen in Serienproduktion.