Individuelle Lösungen

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Eisen-Gießereien sind in Deutschland alles andere als einfach – besonders die hohen Energie- und Rohstoffpreise machen ihnen zu schaffen. Die Neuaufstellung der Gienanth-Gruppe zeigt, welche Möglichkeiten es gibt, einer wirtschaftlichen Krise zu begegnen und sie zu bewältigen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war dabei die professionelle Herangehensweise an den M&A-Prozess für die Gruppen-Gesellschaften. Der zweite Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“.
Herausfordernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen in energieintensiven Branchen
Die hohen Preise für Energie, aber auch für Rohstoffe, waren ein maßgeblicher Grund für die finanzielle Schieflage der traditionsreichen Eisen-Gießerei-Gruppe Gienanth, die Ende 2023 für ihre insgesamt fünf Gesellschaften mit rund 1.000 Mitarbeitenden eine Sanierung in Eigenverwaltung beantragt hat. Der Gienanth-Hauptsitz im rheinland-pfälzischen Eisenberg geht auf ein 1795 gegründetes Hammerwerk zurück. Die Gruppe mit weiteren Standorten in Schwandorf und Kulmbach (beide Bayern) sowie Chemnitz hatte sich auf die Herstellung und Veredelung hochwertiger Eisengussteile im Maschinen- und Handformverfahren spezialisiert.
Zukunftsperspektiven für Mitarbeitende, Standorte und Regionen
„Zu den Mehrbelastungen durch die Energie- und Rohstoffpreise kamen Umsatzrückgänge durch den sanktionsbedingten Wegfall des russischen Marktes nach Beginn des Überfalls auf die Ukraine sowie aus der Corona-Zeit – Stichwort `Lieferkettenprobleme´ – und der Halbleiterkrise im Automobilsektor, der zu den Hauptkundengruppen zählte und nach wie vor zählt hinzu“, sagt Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun, der die Sanierung der Gienanth-Gruppe als Restrukturierungsberater und Generalbevollmächtigter federführend gesteuert hat. „Die Formulierung in der Gegenwart habe ich dabei bewusst gewählt. Denn im Zuge der Sanierungsbestrebungen konnten für die Gesellschaften und Standorte der Gruppe bis August 2024 individuelle Lösungen gefunden werden, die sich mit Zukunftsperspektiven für die Mitarbeitenden, die Standorte und die Regionen zusammenfassen lassen.“
So wurden die Gießerei am Stammsitz in Eisenberg, die Gienanth Zaigler (Kulmbach) und die KernWerk (Chemnitz) mit insgesamt rund 650 Arbeitsplätzen im Juli beziehungsweise September 2024 Teil der DiHAG Integrated Foundry Group. Die indische Craftsman Automation, ein weltweit führendes Engineering- und Fertigungsunternehmen, hat im August 2024 den Geschäftsbetrieb der Fronberg Guss (Schwandorf, 150 Arbeitsplätze) übernommen. Die Gruppengesellschaften in Österreich und Tschechien, die nicht Teil der deutschen Eigenverwaltungsverfahren waren, wurden im Juli 2024 an die österreichische NMKS Holding verkauft.
Das Ziel erreichen
Der ursprünglich angestrebte Verkauf der gesamten Gruppe an einen Investor kam nicht zustande, weil es an einem konkurrenzfähigen Angebot dazu fehlte. „Vor diesem Hintergrund zeigte sich aber eine weitere Stärke der Eigenverwaltung. Sie eignet sich auch dafür, eine Sanierungsperspektive für eine Unternehmensgruppe zu realisieren – selbst wenn das bedeutet, dass deren operative Struktur und wirtschaftlichen Verbindungen neu ausgerichtet werden müssen“, sagt Erbe. „Bei Gienanth war es so, dass die einzelnen Gesellschaften operativ grundsätzlich gut aufgestellt waren. Durch die Gruppenbeziehungen mussten sie jedoch in eine gemeinsame Sanierungsstrategie einbezogen werden, um die Zukunftsaussichten für alle Gruppengesellschaften gleichermaßen zu erhalten und zu sichern, was letztlich durch die Verkäufe an die unterschiedlichen Übernehmer erreicht wurde.“
Den M&A-Prozess für die Gesellschaften der Gienanth-Gruppe steuerten Prof. Dr. Artur M. Swierczok und Joachim Ponseck von Baker McKenzie. „Im Zuge des Investorenprozesses ging es für uns auch darum, die zum Teil historisch gewachsenen operativen und rechtlichen Strukturen und Verflechtungen bei den Produktionsverfahren und zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu analysieren und teilweise neu zu strukturieren. „Der Verkauf, aber auch der Kauf einer Gesellschaft aus einer Insolvenz ist immer etwas Besonderes. Bei einem Übernehmer aus dem Ausland – im Fall von Craftsman sogar außerhalb der EU – geht es neben dem Ergebnis der Verhandlungen auch darum, die Anforderungen zu erfüllen, die an die Transaktionssicherheit gestellt werden. Für die Übernahme von Fronberg Guss musste Craftsman erst einmal eine gesellschaftsrechtliche Grundstruktur in Europa aufsetzen und zahlreiche regulatorische Hürden aus dem Weg räumen. Dass sie das gemacht haben, zeigt auch, wie viel Potential sie im Standort sehen.“
Mehrere Möglichkeiten, Verfahren und Instrumente
Das Beispiel Gienanth zeigt: Auch Unternehmen aus energieintensiven Branchen, die sich in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Krise befinden oder absehbar darauf zusteuern, haben im Insolvenz- und Sanierungsrecht mehrere Möglichkeiten, Verfahren und Instrumente, eine solche Sondersituation zu meistern. Ein Sanierungsverfahren kann die Möglichkeiten für einen guten Neustart schaffen, ist aber gleichzeitig der Ausgangspunkt einer mit viel Arbeit verbundenen und im Anschluss hoffentlich erfolgreichen Transformation durch die Übernehmer – gerade in einer herausfordernden Branche wie dem Eisenguss.

Über Gienanth: Die Gienanth-Gruppe hatte sich auf die Herstellung und Veredelung hochwertiger Eisengussteile im Maschinen- und Handformverfahren spezialisiert. Der Unternehmenshauptsitz in Eisenberg (Pfalz) wurde 1795 als Hammerwerk gegründet. Mit insgesamt rund 1000 Mitarbeitenden erwirtschaftete die Unternehmensgruppe einen Umsatz von rund 300 Millionen Euro pro Jahr.
Eigenverwaltung: Das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung erlaubt einem Unternehmen die Sanierung in eigener Regie. Die Geschäftsführung bleibt voll handlungsfähig und kann uneingeschränkt agieren. Beaufsichtigt wird sie von einem vom Gericht bestellten Sachwalter. Ziel einer Eigenverwaltung ist die Sanierung des Unternehmens. Beraten und unterstützt wird die Geschäftsführung dabei von Sanierungsexperten.
Dr. Jürgen Erbe
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Er wird bundesweit an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen in ihren Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren begleitet – als Insolvenzverwalter, Sachwalter und als CRO.