WOAH: StaRUG in het Nederlands
Dr. Michael Rozijn und Benjamin Schmutz vom Dutch Desk von Schultze & Braun werfen einen ausführlicheren Blick auf das vorinsolvenzliche Verfahren der Niederlande und seine Auswirkungen für deutsche Unternehmen.
Eine tiefgreifende Veränderung
Sowohl das StaRUG als auch das WOAH wurden zum Jahresbeginn 2021 eingeführt. Ähnlich wie das StaRUG in Deutschland stellt das WOAH in den Niederlanden für das Insolvenzrecht eine tiefgreifende Veränderung dar. Das WOAH enthält die Regelungen für einen vorinsolvenzlichen präventiven Restrukturierungsrahmen und ist damit vergleichbar mit dem StaRUG. Im Mittelpunkt beider Verfahren steht ein Restrukturierungsplan und ein – notfalls auch erzwungener – Vergleich mit den Gläubigern.
Umstrukturierung der Verbindlichkeiten
Für das WOAH hat sich der niederländische Gesetzgeber am US-amerikanischen Chapter 11 und am englischen scheme of arrangement orientiert. Ziel des Restrukturierungsverfahrens ist die Umstrukturierung der Verbindlichkeiten eines Unternehmens über einen Vergleich mit den Gläubigern und Gesellschaftern. Grundsätzlich ist ein WOAH-Verfahren auf die Fortführung des Unternehmens ausgerichtet. Ziel kann aber auch die Liquidation des Unternehmens sein. Unabhängig davon, ob es im Verfahren um Fortführung oder Liquidation geht, bietet das WOAH – wie auch das StaRUG – die Möglichkeit, dass per Gerichtsbeschluss auch die Gläubiger an den Vergleich gebunden werden können, die diesem nicht zugestimmt haben.
Risiko für deutsche Gläubiger
Beim WOAH ist das nicht-öffentliche vom öffentlichen Verfahren zu unterschieden. Für deutsche Gläubiger ist dabei vor allem das öffentliche Verfahren von großer Bedeutung und mit einem nicht unerheblichen finanziellen Risiko verbunden. Denn damit ist der Restrukturierungsplan – wie es auch im StaRUG möglich ist – nach dem WHOA auch grenzüberschreitend in allen anderen EU-Staaten umsetzbar. Das bedeutet, dass auch Gläubiger aus Deutschland dazu gezwungen sein können, einen Vergleich hinzunehmen, dem sie nicht zugestimmt haben – zumal das WOAH auch ermöglicht, finanziell für das Unternehmen belastende Verträge vorzeitig zu beenden.
Für den Fall, dass ein niederländischer Vertragspartner ein öffentliches WOAH-Verfahren durchläuft, sollten deutsche Gläubiger tätig werden und sich nach Möglichkeit in den Restrukturierungsprozess einbringen. Denn ebenso wie nach dem StaRUG in Deutschland bietet die Restrukturierung nach dem WOAH in den Niederlanden eine große Chance, das Insolvenzrisiko zu überwinden und den Totalverlust von Forderungen zu vermeiden. Neben Finanzierungs- und Anleihegläubigern sowie Aktionären können auch Lieferanten der operativen Tochtergesellschaften mittelbar betroffen sein. Hier kommt es auf die Konzernstruktur und eventuelle Haftungstatbestände innerhalb des Verbundes an. Insofern sollten auch diese Lieferanten das Verfahren wachsam beobachten.
Einem Insolvenzantrag zuvorkommen
Ein WOAH-Verfahren kann vom Schuldnerunternehmen, aber auch von Gläubigern oder Gesellschaftern initiiert werden. Startet das Schuldnerunternehmen das Verfahren, hinterlegt es eine entsprechende Erklärung bei Gericht. Es ist mit einem WOAH-Verfahren sogar möglich, Insolvenzanträgen zuvorzukommen. Sie werden für die Dauer des Restrukturierungsverfahrens – in der Regel wenige Monate – ausgesetzt. Das Schuldnerunternehmen kann innerhalb einer sogenannten Abkühlungsphase von vier bis maximal acht Monaten nach dem Start des WOAH-Verfahrens die Aussetzung von Gläubigerrechten beantragen.
Gläubiger oder Gesellschafter müssen – wenn sie ein WOAH-Verfahren beginnen wollen – vom Gericht einen Restrukturierungsexperten ernennen lassen, der in der Folge einen Vergleichsvorschlag erarbeitet und unterbreitet. Auf diese Weise kann beim WOAH den Gläubigern ein Vergleichsvorschlag auch ohne beziehungsweise gegen das Schuldnerunternehmen unterbreitet werden. Der Vergleich kann in einem Forderungsverzicht, einem Zahlungsaufschub oder auch einem Debt-to-Equity-Swap bestehen. Der Vergleich beim WOAH kann – wie auch beim StaRUG – allen Gläubigern oder nur einem Teil vorgelegt werden. Unter anderem muss er gewährleisten, dass die Gläubiger mit dem Vergleich nicht schlechter gestellt werden als bei einer Insolvenz.
Grundsätzlich keine Rechtsmittel
Wie beim StaRUG können auch beim WOAH einzelne Gläubiger oder sogar Gläubigergruppen überstimmt werden. Bei der Abstimmung innerhalb der Gläubigerklassen gilt für das Mehrheitsergebnis eine 2/3-Schwelle: Die zustimmenden Gläubiger müssen 2/3 des Kapitals auf sich vereinen, für das ein Votum abgegeben wurde. Der Vergleich kann vom Gericht sowohl für einzelne widersprechende Gläubiger oder Gesellschafter innerhalb einer Gläubigerklasse als auch für eine ganze widersprechende Gläubigerklasse entgegen ihrem Widerspruch bindend festgestellt werden. Gegen ein solches Gerichtsurteil sowie andere gerichtliche Entscheidungen stehen im Rahmen einer WOAH-Restrukturierung grundsätzlich keine Rechtsmittel offen. Das zeigt, wie wichtig es für deutsche Lieferanten sein kann, sich in ein öffentliches WOAH-Verfahren so aktiv wie möglich einzubringen, um den Vergleich mitzugestalten.
Evaluierung des WHOA: Licht und Schatten
Die Universiteit Leiden und die Rijksuniversiteit Groningen haben 2024 die Anfangsjahre des WHOA von 2021 bis 2023 evaluiert. Dem Bericht zufolge erfüllt das WHOA das, was der niederländische Gesetzgeber von ihm erwartet hat – es hat zu zahlreichen Sanierungen von überlebensfähigen Unternehmen geführt. Hierfür waren insbesondere die Abkühlungsperiode und die Möglichkeit zu Anfragen an das Gericht nach einer Begründung des Vergleichsvorschlags von ausschlaggebender und motivierender Bedeutung.
Häufig wirkte das WHOA auch indirekt, da sich Gläubiger mit den Schuldnern noch vor einem WOAH-Verfahren und außerhalb des WHOA verständigten, um den Regelungen des ansonsten angestrebten WHOA zu entgehen.
In der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen wurde das WHOA sehr häufig erfolgreich eingesetzt. Allerdings gibt es Zweifel zur Anwendbarkeit bei Kleinunternehmen. Als Gründe hierfür benannt wurden die dort fehlende Kenntnis über das WHOA, die hohen Kosten und auch die lange Dauer dieses Verfahrens.
Als verbesserungsfähig wird unter anderem die Rollenbestimmung für den Restrukturierungsbeauftragten und die Aufsicht („observator“) des Verfahrens sowie den Zeitpunkt ihrer Einbeziehung und Bestellung angesehen.
In Deutschland ist zum StaRUG ebenfalls eine Evaluierung geplant.
Sichere Geschäfte mit niederländischen Partnern
Worauf deutsche Unternehmen achten sollten, damit sichere Geschäfte mit niederländischen Partnern gelingen, erläutern Michael Rozijn und Benjamin Schmutz in ihrem Beitrag.
Die Autoren:
Benjamin Schmutz, LL.M.
ist Jurist bei Schultze & Braun. Er ist Mitglied des Dutch Desks der Kanzlei und spezialisiert auf Wirtschaftsrecht in der Rechtsberatung und Wirtschaftsrecht in der Restrukturierung.