Erfolgsfaktor Sanierung: Vom kranken Haus zum Krankenhaus

12. August 2025 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Alle Arbeitsplätze und den Fortbestand des Krankenhauses in Guben gesichert, die medizinische Versorgung der Region nachhaltig gestärkt – die Bedeutung der Sanierung des Naëmi-Wilke-Stifts geht weit über die reinen Zahlen hinaus. Maßgeblich dafür, dass dieses Ergebnis in nicht einmal neun Monaten erreicht werden konnte, ist die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Eigenverwaltung und Sachwaltung. Der sechste Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. 

Von enormer Bedeutung

Die Geschichte des Naëmi-Wilke-Stifts beginnt tragisch. 1878 stiftet der Gubener Hutfabrikant Friedrich Wilke das damalige Kinderkrankenhaus zur Erinnerung an seine Tochter, die mit nur 13 Jahren an Typhus verstorben war. Heute ist das Naëmi-Wilke-Stift mit rund 400 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Guben und mit seinen 161 Planbetten für die medizinische Versorgung der Kleinstadt mit knapp 16.000 Einwohnern in der brandenburgischen Niederlausitz, direkt an der Grenze zu Polen, von enormer Bedeutung. Darüber hinaus erfüllt das Krankenhaus auch Versorgungsaufgaben für den nördlichen Teil des Landkreises Spree-Neiße in den Fachdisziplinen Chirurgie, Innere Medizin und Orthopädie.

Besonderheiten aus unterschiedliche Rechtsgebieten

Entsprechend groß war natürlich die Aufmerksamkeit, als Anfang September 2024 für den Rechtsträger des Krankenhauses beim Amtsgericht Cottbus ein Eigenverwaltungsverfahren beantragt wurde. Das Ziel: Das Naëmi-Wilke-Stift auch mit Blick auf die anstehende Krankenhausreform als nachhaltig zukunftsfähiges Unternehmen neu aufzustellen. „Der Fall war für uns insoweit besonders, da mit der Stiftung als Rechtsträger und der kirchlichen Aufsicht der Stiftung durch das Kuratorium neben den insolvenzrechtlichen bei der Sanierung auch gemeinnützigkeits-, stiftungs- und steuerrechtliche Themen eine große Rolle gespielt haben. Die Antworten auf die stiftungsrechtlichen Fragestellungen zu finden, ist keine alltägliche Aufgabe“, sagt Steuerberaterin und Diplom-Kauffrau (FH) Dorit Aurich von ECKERT Rechtsanwälte, die zusammen mit ihren Kollegen Nicole Riedemann und Ole Häger den Sanierungsprozess federführend begleitet hat. „Aber auch der Auslandsbezug bei den Projekten des Naëmi-Wilke-Stifts in Polen und die dabei eingesetzten Fördermittel waren besonders. Entscheidend war in diesem Zusammenhang die transparente und verfahrensbegleitende Kommunikation mit den zuständigen Ministerien.“

Medizinische Versorgung in der Region nachhaltig gestärkt

Zur Beruhigung der Situation trug die Nachricht bei, dass der Geschäftsbetrieb des Krankenhauses auch nach Beginn des Verfahrens in vollem Umfang fortgeführt und die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden zunächst über das Insolvenzgeld gesichert waren und im weiteren Verlauf der Sanierung wieder aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet werden konnten. Und als im Frühjahr 2025 absehbar war, dass das Naëmi-Wilke-Stift rechtlich vom bisherigen Träger getrennt und auf das Diakonissenhaus Teltow/Lehnin übertragen werden kann, waren Erleichterung und Freude groß – gerade, da mit diesem Schritt die langjährige Tradition des Krankenhauses bewahrt und die medizinische Versorgung in der Region nachhaltig gestärkt wird. Das sieht auch die brandenburgische Gesundheitsministerin Britta Müller so. Bei einem Ortstermin in Guben Anfang Juni 2025 sagte sie, dass es ein bedeutender Meilenstein sei, dass das Naëmi-Wilke-Stifts aus der Insolvenz erfolgreich herausgekommen sei.

Eigenverwaltung für Krankenhäuser sehr erfolgsversprechend

„Gemeinsam mit den beteiligten Partnern konnte eine nachhaltige Lösung gefunden werden, die den Fortbestand des Hauses sowie aller Arbeitsplätze dauerhaft sichert“, sagt Dr. Jürgen Erbe, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun, der das Verfahren des Naëmi-Wilke-Stifts als Sachwalter zusammen mit seiner Kollegin Tatjana Jürcke-Richter begleitet hat und in dieser Funktion auch bei der Sanierung des Krankenhauses St. Vincentius in Heidelberg tätig war. „Gerade im Krankenhausbereich zeigt sich mit dem Naëmi-Wilke-Stift erneut, dass ein Eigenverwaltungsverfahren in dem das Krankenhaus-Management mit seinem Fachwissen und regionalen sowie fachspezifischen Kontakten am Ruder bleibt und dabei mit rechtlicher Sanierungsfachexpertise unterstützt wird, für den Weg vom kranken Haus zum Krankenhaus eine sehr erfolgversprechende Verfahrensart ist“, sagt Erbe. „Der Sachwalter kann sich dann auch in den Verhandlungen noch besser auf die Gläubigerinteressen fokussieren, wenn die Fortführung und der Erhalt professionell durch die Eigenverwaltung betrieben wird, wie das im Fall des Naëmi-Wilke-Stifts während des gesamten Verfahrens gegeben war.“

Die Sanierung des Krankenhauses maßgeblich vorangetrieben

Rechtsanwältin Nicole Riedemann und Steuerberaterin Dorit Aurich sind seit vielen Jahren im Bereich der Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsberatung tätig. Zusammen mit einem Team der Kanzlei ECKERT Rechtsanwälte und der Geschäftsleitung des Naëmi-Wilke-Stifts hatten sie die Sanierung des Krankenhauses maßgeblich vorangetrieben. „Besonders wird mir die enge kollegiale Beziehung zwischen dem Vorstand und den Mitarbeitenden im Gedächtnis bleiben. Unter den Kollegen gab und gibt es einen starken Zusammenhalt und in den regelmäßigen Belegschaftsversammlungen wurde offen und auf Augenhöhe kommuniziert“, sagen Aurich und Riedemann. „Besonders freut uns, dass das traditionsreiche Haus durch die Weiterführung in diakonischer Hand erhalten bleibt und das hochwertige Angebot an Gesundheits- und Beratungsleistungen auf diese Weise weiterhin auf hohem Niveau erbracht werden kann.“ Oder anders formuliert: Trotz aller Herausforderung, denen sich Krankenhäuser in Deutschland derzeit gegenübersehen, geht die Geschichte des Naëmi-Wilke-Stifts gut aus. 

Über das Naëmi-Wilke-Stift: Das Krankenhaus am Naëmi-Wilke-Stift Guben verfügt über 161 Planbetten und in den drei medizinischen Abteilungen: Orthopädie, Chirurgie und Innere Medizin. Das angegliederte EndoProthetikZentrum ist seit vielen Jahren ein regionales Kompetenzzentrum für künstliche Hüft- oder Kniegelenke sowie Schultergelenke. Mit rund 400 Mitarbeitenden ist das Naëmi-Wilke-Stift einer der größten Arbeitgeber der Stadt und der Region. 



Dr. Jürgen Erbe

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Er wird bundesweit an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen in ihren Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren begleitet – als Insolvenzverwalter, Sachwalter und als CRO.