Bankenunabhängige Finanzierung: Sale & Lease Back und Sale & Rent Back für den Mittelstand

23. Mai 2025 Veröffentlichungsart Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Immer mehr mittelständische Unternehmen in Deutschland verzichten bei der Finanzierung ihrer Investitionen auf Bankkredite. Das ist das Kernergebnis einer KfW-Studie aus dem Frühjahr 2025. Unabhängig von Banken an Liquidität zu kommen, ist aber auch wichtig, wenn es für die Unternehmen darum geht, existenzielle Restrukturierungsmaßnahmen umsetzen zu können. Thomas Vinnen, der geschäftsführende Gesellschafter der Nord Leasing und Dr. Ludwig J. Weber, Spezialist für Unternehmensfinanzierung und -restrukturierung bei Schultze & Braun sprechen im Interview über die wachsende Bedeutung bankenunabhängiger Finanzierungen, und sie erläutern die Möglichkeiten, die Sale & Lease Back- sowie Sale & Rent Back-Lösungen bieten.

Herr Vinnen, die Nord Leasing ist auf Sale & Lease Back sowie Sale & Rent Back-Lösungen für den Mittelstand spezialisiert. Wie entwickelte sich dieses Geschäft?

Vinnen: Der zentrale Antrieb für die Gründung der Nord Leasing vor inzwischen 15 Jahren war und ist ein Missstand, den ich schon lange im Finanzsektor wahrnehme: Die klassische Bankenfinanzierung verliert durchzunehmende Regulierung an Flexibilität, Schnelligkeit und Risikotoleranz. Dadurch entsteht ein strukturelles Vakuum – gerade in Phasen, in denen Unternehmen Tempo, Handlungsspielraum und verlässliche Liquidität brauchen. Dass dieser Trend heute den Mittelstand spürbar erreicht hat, zeigt auch die aktuelle KfW-Studie: Immer mehr Unternehmen weichen auf bankenunabhängige Finanzierungsmodelle aus – weil der Zugang zu Krediten schwieriger wird, selbst bei tragfähigen Geschäftsmodellen.

Wie sieht der Ansatz der Nord Leasing aus?

Vinnen: Unsere Antwort darauf ist mit Sale & Lease Back und Sale & Rent Back ein bankenunabhängiger, Vermögenswerte-basierter Ansatz. Diese Instrumente ermöglichen es produzierenden Unternehmen, gebundenes Kapital aus ihrem Maschinenpark freizusetzen – und zwar ohne operative Einschränkungen, ohne Abhängigkeit von Rating-Logiken und mit einer bemerkenswert kurzen Durchlaufzeit: Zwischen Erstgespräch und Liquiditätszufluss liegen bei uns in der Regel nur sechs bis acht Wochen.

Über welche Größenordnungen an Liquidität sprechen wir dabei?

Vinnen: Heute strukturieren wir Transaktionen mit Zeitwerten zwischen 500.000 und über 20 Millionen Euro – nicht nur zur Überbrückung von Krisen, sondern ebenso zur Finanzierung von Wachstum und Investitionen oder Unternehmensnachfolgen. Und gerade Letzteres wird aus meiner Sicht noch zu wenig gesehen, aber inzwischen bei uns immer öfter nachgefragt: Sale & Lease Back kann eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, familiengeführte Betriebe generationenübergreifend liquide und zukunftsfähig aufzustellen.

Herr Weber, Sie beraten regelmäßig Unternehmen bei Finanzierungen und Restrukturierungen. Was sollten Unternehmen bei einer nachhaltig krisenfesten Finanzierung im Blick haben? 

Weber: Die Vergaberichtlinien für Unternehmenskredite sind deutlich strenger geworden. Gerade mittelständische Unternehmen haben es daher deutlich schwerer, einen Bankkredit zu erhalten. Man kann also durchaus sagen, dass bei Bankkrediten härter selektiert wird – und wir reden hier nicht nur von Unternehmen, deren Geschäftsmodelle langlebig und erfolgreich sind. Gerade in Krisenzeiten – etwa, wenn ein Unternehmen sich restrukturieren muss, um am Markt bestehen zu können – ist es existenziell, dass man das dafür benötigte Kapital zur Verfügung hat oder auf alternative Finanzierungsquellen zurückgreifen kann. Oder anders formuliert: Wer seine Finanzierung breit aufstellt, ist weniger abhängig von einzelnen Finanzierern und Finanzierungsinstrumenten – nicht nur im Krisenfall ein nicht zu unterschätzender Faktor. Unternehmen sehen sich gerade in Zeiten wie diesen einer Vielzahl an wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber. Fakt ist daher: Kein Unternehmen ist davor gefeit, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten und sich restrukturieren zu müssen. 

Was raten Sie Unternehmen, die eine Restrukturierung brauchen?

Weber: Grundsätzlich gilt: Je früher eine Restrukturierung angegangen wird, desto höher sind die Erfolgschancen. Viele Geschäftsführer machen den Fehler, dass sie zu lange auf Besserung hoffen und am Ende dann der Handlungsspielraum für eine erfolgreiche Sanierung immer kleiner wird. Wichtig ist, die Augen nicht zu verschließen, wenn ein Unternehmen auf eine Krise zusteuert oder sich bereits in einer befindet, sondern so früh wie möglich mit Gegenmaßnahmen zu beginnen. Zielrichtung und Umfang dieser Maßnahmen hängt in hohem Maße von der konkreten Problemstellung des Unternehmens ab. Ist es ein rein finanzielles Problem oder sehen wir grundlegende Schwächen des Geschäftsmodells? Muss man sich von nicht rentablen Standorten oder Produkten trennen, gibt es einen Mitarbeiterüberhang? Oder erdrücken die Schulden das Unternehmen, das jedoch über ein grundsätzlich rentables Geschäftsmodell verfügt? Von den Antworten auf diese Fragen hängt das Vorgehen, aber auch die dafür benötigte Liquidität ab.

Wie können Unternehmen feststellen, wie es um ihre Finanzen steht?

Weber: Für eine finanzwirtschaftliche Analyse wird in einem ersten Schritt ein stichtagsbezogener Finanzstatus erstellt, der die verfügbaren liquiden Mittel wie Bar- und Bankguthaben sowie nicht ausgeschöpfte und ungekündigte Kreditlinien den fälligen Verbindlichkeiten gegenüberstellt. Können die fälligen Verbindlichkeiten mit den liquiden Mitteln entsprechend den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht erfüllt werden, kann eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen, wenn nicht kurzfristig mit einem Ausgleich gerechnet werden kann. Die Analyse der Ist- und auch Plansituation wird über eine Integrierte Sichtweise von Vermögen, Ertrag und Cash gewährleistet.

Im Krisenfall ist auch die Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen unter Umständen insolvenzreif? Von großer Bedeutung. Wie lässt sich diese Antwort finden?

Weber: In einem weiteren Schritt erfolgt nach der finanzwirtschaftlichen Analyse eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten. Deckt das vorhandene Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten unabhängig von deren Fälligkeit nicht, so kann eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegen, sofern keine positive Fortbestehensprognose besteht. Eine solche Prognose wiederum setzt einerseits den Willen zur Fortführung des Unternehmens voraus. Andererseits erfordert sie ein Unternehmenskonzept und eine darauf aufbauende Integrierte Finanzplanung.

Wie funktioniert eine bankenunabhängige Finanzierung durch das Sale & Lease Back-Modell?

Vinnen: Sale & Lease Back ist in seiner Struktur ebenso schlicht wie wirkungsvoll: Unternehmen veräußern mobile Produktionsmittel aus ihrem Anlagevermögen – typischerweise Maschinen beziehungsweise Anlagen – an uns und leasen sie im selben Schritt unmittelbar zurück. Was auf dem Papier nach einer reinen Transaktion aussieht, hat in der Praxis einen tiefgreifenden Effekt: Kapital, das bislang in Maschinen gebunden war, wird binnen weniger Wochen in liquide Mittel umgewandelt – ohne eine einzige Unterbrechung der Produktion, ohne Eingriff in operative Abläufe.

Weber: Das Besondere dabei ist, dass die Finanzierung rein objektbasiert erfolgt. Es zählen der Marktwert und die Sekundärmarktfähigkeit der Vermögenswerte – nicht das Bankenrating des Unternehmens. Gerade produzierende Mittelständler mit hochwertigen Maschinenparks, aber herausfordernder Bilanzstruktur, profitieren von diesem Ansatz.

Wie wird der Wert der Vermögenswerte ermittelt?

Vinnen: Die Wertermittlung beginnt mit einer objektbasierten Analyse: Unsere Gutachter bewerten Maschinen und Anlagen auf Basis ihres Marktwerts und ihrer Sekundärmarktfähigkeit. Dafür greifen wir auf aktuelle Marktdaten sowie die Expertise unserer langjährigen Partner im Maschinenhandel zurück. Entscheidend ist nicht der Buchwert, sondern der Betrag, der am Markt tatsächlich realisierbar ist. Aus dieser Bewertung ergibt sich ein Liquiditätseffekt – in der Regel ein hoher Prozentsatz des aktuellen Zeitwerts. Diese Summe fließt dem Unternehmen als sofort verfügbare Mittel zu. 

Wie wird die Leasingrate strukturiert?

Vinnen: Die Leasingrate wird so strukturiert, dass sie zur Cashflow-Situation des Unternehmens passt und dessen Bilanzrelationen gezielt entlastet. Auf diese Weise schaffen wir Finanzierungsspielräume, die für klassische Kreditgeber oft nicht darstellbar sind – gerade dann, wenn Bonität oder Eigenkapitalquote allein nicht ausreichen würden.

In welchen Fällen lohnt sich für Unternehmen statt des Leasingmodells eher das Modell Sale & Rent Back?

Vinnen: Der zentrale Unterschied liegt im rechtlichen Konstrukt: Beim Sale & Rent Back wird nicht verleast, sondern gemietet. Die Maschinen verbleiben wirtschaftlich im Eigentum des Unternehmens – ein entscheidender Vorteil, wenn sie mit öffentlichen Fördermitteln angeschafft wurden. Denn anders als beim Leasing bleiben Subventionen unberührt; Rückzahlungen entfallen. Gleichzeitig bleiben die Objekte in der Bilanz, was die Abschreibungsfähigkeit erhält.

Wie erkennen Unternehmen, ob Leasing oder Miete für sie sinnvoller ist? 

Vinnen: Das hängt maßgeblich vom Bilanzwert der jeweiligen Vermögenswerte, ihrer Finanzierungshistorie und der angestrebten bilanziellen Wirkung ab. Sale & Rent Back eignet sich besonders dann, wenn buchhalterische Kontinuität oder förderrechtliche Auflagen eine Rolle spielen. In diesen Fällen bietet das Mietmodell die nötige Flexibilität – mit dem gleichen liquiditätswirksamen Effekt wie beim Leasing.

Kann das Finanzierungsmodell Sale & Lease Back auch dabei helfen, insolvente Unternehmen zu erhalten?

Weber: Ja, denn eine der Stärken von Sale & Lease Back ist seine Anwendbarkeit im Rahmen von Sanierungsvorhaben – insbesondere bei übertragenden Unternehmensübernahmen. Investoren, die ein wirtschaftlich grundsätzlich tragfähiges Unternehmen aus der Insolvenz übernehmen möchten, können die Transaktion unter anderem über Sale & Lease Back mitfinanzieren.

Vinnen: Ganz genau. Wir analysieren in solchen Fällen gezielt den Maschinenpark oder andere mobile Vermögenswerte des Zielunternehmens und bewerten diese marktgerecht. Im nächsten Schritt erfolgt der Ankauf und das direkte Rückleasing an den Betrieb. Auf diese Weise kann der Investor einen substanziellen Teil des Kaufpreises bankenunabhängig finanzieren. Das Unternehmen behält seine technischen Anlagen und damit seine Handlungsfähigkeit. Gleichzeitig entsteht sofortige Liquidität, die etwa für Anlaufkosten, Personalmaßnahmen oder die Umsetzung des Sanierungskonzepts genutzt werden kann. Sale & Lease Back wird so zu einem stabilisierenden Finanzierungspfeiler in einer wirtschaftlich sensiblen Phase.

Die Interviewpartner:

Dr. Ludwig J. Weber, LL.M.

ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Schultze & Braun. Er ist am Bremer Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei tätig. Weber verfügt über langjährige Expertise in den Bereichen Unternehmensfinanzierung sowie Restrukturierung und Sanierung.

Thomas Vinnen

ist seit 2010 Geschäftsführer der Nord Leasing, die auf Sale & Lease-Back sowie Sale & Rent-Back-Lösungen für den Mittelstand spezialisiert ist. Der studierte Bank- und Diplom Kaufmann war davor u.a. in leitender Funktion bei der DaimlerChrysler AG sowie Vorstand bei WCF Finetrading AG, die er seinerzeit zum führenden Anbieter der Einkaufsfinanzierung in Deutschland ausbaute.