Was Insolvenzverschleppung bedeutet und welche Risiken sie für Geschäftsleiter hat

Dr. Elske Fehl-Weileder von Schultze & Braun erläutert, was sich hinter dem Begriff Insolvenzverschleppung verbirgt und was sowohl Privatpersonen als gerade auch Geschäftsleiter von Unternehmen darüber wissen sollten.
Die Insolvenzantragspflicht missachtet
Vereinfacht gesagt bedeutet Insolvenzverschleppung, dass ein Geschäftsleiter bei seinem Unternehmen die Insolvenzantragspflicht missachtet hat. Diese greift, wenn das Unternehmen seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann – umgangssprachlich also pleite ist. In einem solchen Fall ist ein Geschäftsleiter dazu verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist einen Insolvenzantrag zu stellen. Wenn er dies nicht oder verspätet tut, begeht er Insolvenzverschleppung. In diesem Fall haftet der Geschäftsleiter mit seinem Privatvermögen für Beträge, die aus dem Unternehmen abgeflossen sind, nachdem es eigentlich bereits insolvent war – etwa durch Zahlungen an Banken, Dienstleister oder Lieferanten.
In eine Insolvenzverschleppung hineinschlittern
Fakt ist: In der Praxis werden Insolvenzanträge leider oft zu spät gestellt. Dies einerseits, weil – nachvollziehbarerweise – die Hoffnung zuletzt stirbt und mit allen Mittel versucht wird, eine Insolvenz zu vermeiden. Andererseits auch, weil frühe Krisenanzeichen nicht als solche erkannt werden. Dadurch sinken jedoch die Chancen für eine dauerhafte Fortführung und den Erhalt des insolvenzreifen Unternehmens. Da bei der Antwort auf die Frage `Ist mein Unternehmen insolvenzreif?´ allerdings verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, kommt es mitunter vor, dass Geschäftsleiter unbeabsichtigt in eine Insolvenzverschleppung hineinschlittern – gerade, wenn sie mit allen Mitteln versuchen, die finanzielle Schieflage ihres Unternehmens zu beheben. Das schützt aber nicht vor den finanziellen Haftungsrisiken der Insolvenzverschleppung, die zudem zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen führt.
Finanzieller Neustart ohne Anbrennen
Je früher man sich eingesteht, dass finanziell etwas überzukochen droht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der finanzielle Neustart ohne Anbrennen gelingt– und das gilt für Unternehmer genauso wie für Privatpersonen. Denn auch wenn die Insolvenzantragspflicht für Privatpersonen, Einzelunternehmer und sogenannte Personengesellschaften wie etwa die Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, die GbR, oder die Offene Handelsgesellschaft, die OHG, nicht greift, sind auch bei ihnen die Erfolgschancen einer finanziellen Neuaufstellung umso größer, je früher ein entsprechender Antrag gestellt wird. Wichtig ist: Bei bestimmten Gesellschaftsformen von Unternehmen – etwa den weit verbreiteten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, den GmbHs und UGs, und auch bei Aktiengesellschaften, AGs – ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass die handelnden Personen einen Insolvenzantrag stellen müssen, wenn das Unternehmen insolvenzreif ist.
Prüfung auf strafrechtlich relevante Tatbestände
Dass Geschäftsleiter sich in Insolvenzverfahren mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert sehen, kommt jedoch immer wieder vor. Jede Insolvenzakte geht automatisch auch an die zuständige Staatsanwaltschaft, die das Verfahren dann auf strafrechtlich relevante Tatbestände prüft. Ein Grund mehr für Geschäftsleiter, sich Hilfe zu holen, wenn ihr Unternehmen sich in einer wirtschaftlichen Krise befindet oder absehbar auf eine solche zusteuert. Dadurch reduzieren Geschäftsleiter auch das Risiko, vom Insolvenzverwalter zivilrechtlich in Anspruch genommen zu werden. Solche Ansprüche zu prüfen und im Fall der Fälle durchzusetzen ist eine der gesetzlich festgelegten Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Aber auch einzelne Gläubiger können Schadenersatzansprüche geltend machen – etwa, wenn ein Unternehmen bei ihnen Waren bestellt und geliefert bekommen hat, und der Geschäftsleiter des Bestellers schon wusste, dass er diese Waren nicht mehr bezahlen kann. Wenn der Geschäftsführer eines kriselnden Unternehmens also nicht rechtzeitig die Notbremse zieht, droht ihm von mehreren Seiten Ungemach.
Selbst eine Insolvenz muss nicht das Ende bedeuten
Ein Insolvenzantrag bedeutet nicht automatisch das Ende eines Unternehmens. Vielmehr bietet das deutsche Sanierungsrecht verschiedene Instrumente und Verfahren, mit denen ein Unternehmen eine finanzielle Krise meistern kann. Es gilt jedoch die Devise: Je früher ein Insolvenzantrag vorbereitet und gestellt wird, desto größer ist die Chance auf den Neuanfang. Das sollten Geschäftsleiter im Blick haben – um die Chancen für eine dauerhafte Fortführung und den Erhalt des Unternehmens zu vergrößern und sich vor den Haftungsrisiken der Insolvenzverschleppung zu schützen.