Krisen-Resilienz lässt sich nicht mit Schema F-Lösungen stärken!

27. August 2025 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Im Interview spricht Dr. Ludwig J. Weber von Schultze & Braun über die Besonderheiten bei finanziellen Restrukturierungen angesichts der nach wie vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen und der gestiegenen Finanzierungskosten. Zudem erläutert der Finanzierungs- und Sanierungsexperte worauf Unternehmen und Finanzierer achten sollten, wenn eine Sanierung notwendig wird. 

Herr Weber, welche Besonderheiten sehen Sie aktuell bei finanziellen Restrukturierungen?

Weber: Es wird weniger denn je mit Lösungen nach Schema F getan sein. Denn die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen Unternehmen aktuell stehen, sind nicht nur groß, sondern auch sehr vielschichtig: Erst Corona, dann die gestörten Lieferketten, der Ukraine-Krieg und dessen Folgen, die explodierenden Energiekosten. Die Krisen geben sich die Klinke in die Hand, ich würde sogar weiterhin von einer Multi-Krise sprechen. Jedes Unternehmen ist davon aber anders betroffen. Es kommt vor allem darauf an, möglichst frühzeitig Risiken und Krisenanzeichen zu erkennen und diesen mit präventiven Restrukturierungsmaßnahmen möglichst vorausschauend zu begegnen, um so die Krisen-Resilienz des betroffenen Unternehmens zu stärken. 

Wird es aus Ihrer Sicht mehr Sanierungsfälle unter den Unternehmen mit High-Yield-Finanzierungen geben?

Weber: Insbesondere bei derartigen Finanzierungen muss man die Bonitätsentwicklung des Emittenten besonders aufmerksam im Blick behalten. Die hohen Finanzierungskosten werden es für das eine oder andere Unternehmen sicherlich deutlich schwieriger machen, sich mit den benötigten Geldmitteln auszustatten. Die Investoren sind angesichts der vielen Krisen, die aktuell ineinandergreifen, etwas vorsichtiger bei ihren Investment-Entscheidungen. Zusätzlich geraten Unternehmen durch steigende Kosten für Energie und Rohstoffe unter Druck. In Phasen knapperer Liquidität trifft das die schwach finanzierten Unternehmen zuerst und besonders hart. Wenn die High Yield Spreads steigen, ist das ein Zeichen dafür, dass die schwächeren Unternehmen langsam Probleme bekommen. Dann sollte auch die Zahl der Sanierungsfälle in diesem Segment steigen.

Was sollen Unternehmen machen, die eine Restrukturierung brauchen, aber ein Rating im Sub-Investment-Grade-Bereich haben?

Weber: Das hängt in hohem Maße von der konkreten Problemstellung des Unternehmens ab, die zu dem negativen Rating geführt hat. Ist es ein rein finanzielles Problem oder sehen wir grundlegende Schwächen des Geschäftsmodells? Muss man sich von nicht rentablen Standorten oder Produkten trennen, gibt es einen Mitarbeiterüberhang? Oder erdrücken die Schulden das Unternehmen, das jedoch über ein grundsätzlich rentables Geschäftsmodell verfügt? Von den Antworten auf diese Fragen hängt ab, welches Restrukturierungsverfahren geeignet ist. Bei einer rein finanziellen Restrukturierung können eine doppelseitige Treuhand, aber auch StaRUG-Restrukturierungen, also Sanierungen ohne Insolvenzverfahren und ohne Öffentlichkeit, oftmals das erste Mittel der Wahl sein. Will man ein StaRUG-Verfahren nutzen, darf aber noch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten sein. Leistungswirtschaftliche Sanierungen lassen sich nach Vorliegen eines Insolvenzgrundes oftmals einfach und erfolgreich in Eigenverwaltung- und Schutzschirmverfahren realisieren. 

Sind Unternehmen nach Leveraged-Buyouts durch Finanzinvestoren besonders gefährdet – wegen der hohen Verschuldung?

Weber: Generell ist eine hoher Verschuldungsgrad immer belastend und verengt den finanziellen Handlungsspielraum für Unternehmen. Entscheidend ist jedoch die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Solange sich das Geschäftsmodell als nachhaltig und tragfähig erweist, würde ich nicht von einer besonderen Gefährdung sprechen. Sobald das Geschäftsmodell aber zunehmende Schwächen offenbart oder steigende Kosten nicht ohne Weiteres an Kunden weitergereicht werden können, sollte die Geschäftsführung zeitnah über eine wirksame Restrukturierungsstrategie nachdenken. Hier gilt: Je früher eine Restrukturierung angegangen wird, desto höher sind die Erfolgschancen. Viele Geschäftsleiter machen den Fehler, dass sie zu lange auf Besserung hoffen und am Ende dann der Handlungsspielraum für eine erfolgreiche Sanierung immer kleiner wird. Hinzu kommt, dass durch ein solches Vorgehen auch die Haftungsrisiken für die Geschäftsleiter steigen, wenn im Fall der Fälle die Insolvenzantragspflicht missachtet wird.  

Worauf sollten Geschäftsleiter im Zusammenhang mit der Liquidität ihres Unternehmens besonders achten?

Weber: Das lässt sich mit den drei Faktoren Finanz- und Liquiditätssituation, Marktumfeld und unterschiedliche Finanzierungsinstrumente gut zusammenfassen. Denn Fakt ist: Ohne ausreichende Liquidität kann ein Unternehmen nicht erhalten werden. Die Finanzierung mit den bisherigen Kreditgebern auf eine nachhaltige Basis zu stellen, hat Priorität. Dies kann mit Krediten oder über Verkäufe von nicht essenziellen Unternehmensbereichen erreicht werden. Auch kommen regresslose Forderungsverkäufe in Betracht: Factoring, Forfaitierung sowie Sale & Lease Back und Rent & Lease Back ermöglichen eine volumenkongruente Finanzierung, verhindern Forderungsausfälle und stabilisieren Finanzkennzahlen wie die Eigenkapitalquote. Auch mezzanine Finanzierungen mit neuen Investoren, die Eigenkapital und zum Beispiel partiarische Darlehen einbringen, sind ebenso denkbar, wie Asset-bezogene Finanzierungen auch über Token.

Der Interviewpartner

Dr. Ludwig J. Weber, LL.M.

ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Schultze & Braun. Er verfügt über langjährige Expertise in den Bereichen Unternehmensfinanzierung sowie Restrukturierung und Sanierung.