Krisen-Resilienz lässt sich nicht mit Schema F-Lösungen stärken!
Im Interview spricht Ludwig J. Weber von Schultze & Braun über die Besonderheiten bei finanziellen Restrukturierungen angesichts der aktuellen Multi-Krise. Zudem erläutert der Finanzierungs- und Sanierungsexperte worauf Unternehmen und Finanzierer achten sollten, wenn eine Sanierung notwendig wird.
Herr Weber, welche Besonderheiten sehen Sie im neuen Jahr bei finanziellen Restrukturierungen?
Weber: Es wird weniger denn je mit Lösungen nach Schema F getan sein. Denn die Herausforderungen, vor denen Unternehmen aktuell stehen, sind sehr vielschichtig: Erst Corona, dann die gestörten Lieferketten, der Ukraine-Krieg und dessen Folgen, die explodierenden Energiekosten. Die Krisen geben sich die Klinke in die Hand, ich würde sogar von einer Multi-Krise sprechen. Jedes Unternehmen ist davon aber anders betroffen. Es kommt vor allem darauf an, möglichst frühzeitig Risiken zu erkennen und diesen mit präventiven Restrukturierungsmaßnahmen möglichst vorausschauend zu begegnen, um so die Krisen-Resilienz des betroffenen Unternehmens zu stärken. Zu empfehlen ist zunächst immer der Versuch einer außergerichtlichen Sanierung. Das bedeutet aber meist schwierige Verhandlungen mit den Gläubigern, die allesamt dem Restrukturierungsplan zustimmen müssen. Schert nur ein Gläubiger aus, lässt sich eine Lösung auf diesem Weg meist nicht mehr erreichen.
Welche Optionen haben Unternehmen in einem solchen Fall?
Weber: Wenn die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gesichert ist, kann seit dem 1. Januar 2021 eine Restrukturierung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsrahmen, dem StaRUG, der nächste Schritt sein. Hier müssen dann nur noch drei Viertel derjenigen Gläubiger zustimmen, die in die Restrukturierung einbezogen werden. Obwohl es noch keine langjährigen Erfahrungen gibt, steht mit dem StaRUG ein wertvoller Instrumentenkasten zur Verfügung, der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines angepassten Finanzierungskonzepts außerhalb eines oftmals nicht gewünschten veröffentlichten Insolvenzverfahrens neu auszurichten.
Und wenn das StaRUG ebenfalls keine Option ist?
Weber: In einem solchen Fall stehen mit Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung bis hin zur Regelinsolvenz weitere nachhaltige Verfahren zur Restrukturierung zur Verfügung. Denn ein Insolvenzverfahren muss nicht das Ende eines Unternehmens bedeuten. Vielmehr erlauben es diese Verfahren, einzelne Verbindlichkeiten oder auch die gesamte Passivseite gezielt neu zu strukturieren. Neben der finanzwirtschaftlichen Sanierung kann auf diesem Weg auch eine oftmals dringend erforderliche leistungswirtschaftliche Sanierung des Unternehmens erfolgen. Das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht bietet dafür gute Möglichkeiten und kann die Grundlage für eine nachhaltige Neuaufstellung des Unternehmens bieten.
Wird es aus Ihrer Sicht mehr Sanierungsfälle unter den Unternehmen mit High-Yield-Finanzierungen geben?
Weber: Insbesondere bei derartigen Finanzierungen muss man die Bonitätsentwicklung des Emittenten besonders aufmerksam im Blick behalten. Die Zinswende dürfte es für das eine oder andere Unternehmen deutlich schwieriger machen, sich mit den benötigten Geldmitteln auszustatten. Die Investoren sind angesichts der vielen Krisen, die aktuell ineinandergreifen, etwas vorsichtiger bei ihren Investment-Entscheidungen. Zusätzlich geraten Unternehmen durch steigende Kosten für Energie und Rohstoffe unter Druck. In Phasen knapperer Liquidität trifft das die schwach finanzierten Unternehmen zuerst und besonders hart. Wenn die High Yield Spreads steigen, ist das ein Zeichen dafür, dass die schwächeren Unternehmen langsam Probleme bekommen. Dann sollte auch die Zahl der Sanierungsfälle in diesem Segment steigen.
Was sollen Unternehmen machen, die eine Restrukturierung brauchen, aber ein Rating im Sub-Investment-Grade-Bereich haben?
Weber: Das hängt in hohem Maße von der konkreten Problemstellung des Unternehmens ab, die zu dem negativen Rating geführt hat. Ist es ein rein finanzielles Problem oder sehen wir grundlegende Schwächen des Geschäftsmodells? Muss man sich von nicht rentablen Standorten oder Produkten trennen, gibt es einen Mitarbeiterüberhang? Oder erdrücken die Schulden das Unternehmen, das jedoch über ein grundsätzlich rentables Geschäftsmodell verfügt? Von den Antworten auf diese Fragen hängt ab, welches Restrukturierungsverfahren geeignet ist. Bei einer rein finanziellen Restrukturierung dürften StaRUG-Restrukturierungen, also Sanierungen ohne Insolvenzverfahren und ohne Öffentlichkeit, oftmals das erste Mittel der Wahl sein. Dafür darf aber noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein. Leistungswirtschaftliche Sanierungen lassen sich oftmals einfacher und erfolgreicher in Eigenverwaltung- und Schutzschirmverfahren realisieren.
Sind Unternehmen nach Leveraged-Buyouts durch Finanzinvestoren besonders gefährdet – wegen der hohen Verschuldung?
Weber: Generell ist eine hoher Verschuldungsgrad immer belastend und verengt den finanziellen Handlungsspielraum für Unternehmen. Entscheidend ist jedoch die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Solange sich das Geschäftsmodell als nachhaltig und tragfähig erweist, würde ich nicht von einer besonderen Gefährdung sprechen. Sobald das Geschäftsmodell aber zunehmende Schwächen offenbart oder steigende Kosten nicht ohne Weiteres an Kunden weitergereicht werden können, sollte die Geschäftsführung zeitnah über eine wirksame Restrukturierungsstrategie nachdenken. Hier gilt: Je früher eine Restrukturierung angegangen wird, desto höher sind die Erfolgschancen. Viele Geschäftsführer machen den Fehler, dass sie zu lange auf Besserung hoffen und am Ende dann der Handlungsspielraum für eine erfolgreiche Sanierung immer kleiner wird.