Zur wirksamen Forderungsanmeldung reicht die Individualisierung der Forderung aus
BGH: Voraussetzungen einer wirksamen Forderungsanmeldung
InsO § 180 II; ZPO § 24
BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - IX ZR 47/19 (OLG Frankfurt am Main)
I. Leitsatz des Verfassers
Die Aufnahme eines durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung ist nur wirksam, wenn die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen für eine Forderungsfeststellungsklage gegeben sind.
InsO § 174 II, § 176
a) Für eine wirksame Forderungsanmeldung erfordert die Angabe des Grundes einer Forderung die bestimmte Angabe eines Lebenssachverhalts, aus dem die Forderung nach der Behauptung des Gläubigers einspringt; eine schlüssige Darlegung der Forderung ist nicht erforderlich (Klarstellung zu BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, WM 2009, 468).
b) Ob der Insolvenzgläubiger seine Forderung in ausreichend individualisierter Weise angemeldet hat, richtet sich nach den Verhältnissen im Prüfungstermin; eine nachträglich erfolgte Individualisierung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Forderungsanmeldung zurück.
II. Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, die Solarmodule an eine KG verkaufte. Nachdem die KG die Kaufpreisverbindlichkeit nicht beglich, verklagte der Insolvenzverwalter der Verkäuferin die Käuferin (KG) und deren persönlich haftende Gesellschafterin (GmbH). Zunächst wurde über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterin und in der Folge auch über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet, was sodann zur Unterbrechung des Rechtsstreits gegen die Beklagten führte.
Der Kläger meldete daraufhin seine Forderung in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG zur Tabelle an. Hinsichtlich Forderungsgrund und Forderungshöhe nahm der Kläger Bezug auf die ursprüngliche Klageschrift, welche er der Forderungsanmeldung jedoch nicht beifügte. Die Forderung wurde vom Insolvenzverwalter der KG bestritten, woraufhin der Kläger den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter der KG wieder aufnahm, um die Feststellung der Forderung zu erreichen.
Erstinstanzlich wurde die Klage mangels Fälligkeit der Forderung abgewiesen. In der Berufungsinstanz erfolgte die Abweisung als unzulässig. Die Klage sei unzulässig, weil es an den notwendigen Sachurteilsvoraussetzungen für eine Feststellungsklage fehle, da die Forderung nicht wirksam angemeldet und geprüft worden sei und hinsichtlich der erneuten Forderungsanmeldung noch kein Prüfungstermin stattgefunden habe.
III. Rechtliche Wertung
Keine schlüssige Darlegung der Forderung erforderlich – Individualisierung der Forderung ausreichend
Während das Berufungsgericht noch annahm, die Forderungsanmeldung des Klägers genüge aufgrund der nicht beigefügten Klageschrift nicht den Anforderungen des § 174 InsO, da die Norm nicht nur den mit Sonderwissen ausgestatteten Insolvenzverwalter schütze, sondern auch den Gläubigern eine Entscheidung über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der angemeldeten Forderung ermöglichen solle, sah der BGH die Forderungsanmeldung als ausreichend an. Der Gläubiger habe bei der Forderungsanmeldung den Lebenssachverhalt darzulegen, der die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lasse. Der Streitgegenstand des geltend gemachten Anspruches müsse hinreichend bestimmt sein.
Zu den vielfältigen unterschiedlichen Ansichten des Schrifttums hinsichtlich den Voraussetzungen einer wirksamen Forderungsanmeldung, beispielsweise ob eine wirksame Forderungsanmeldung den für den Zivilprozess geltenden Substantiierungserfordernissen genügen müsse, habe der BGH bislang noch keine Stellung bezogen. Zwar habe er verschiedene Urteile zur Schlüssigkeit von Forderungsanmeldungen im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Forderungsanmeldung erlassen, soweit sich jedoch aus dieser Rechtsprechung auch die Forderung nach einer schlüssigen Darlegung des Anspruches als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Forderungsanmeldung ergäbe, werde daran ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Vielmehr sei eine Forderungsanmeldung wirksam, wenn die Forderung hinreichend individualisiert, mithin der Streitgegenstand bestimmt sei. Erforderlich aber auch ausreichend sei, dass der Grund des Anspruches also der Lebenssachverhalt, auf dessen Grundlage die Forderung beruhe, hinreichend bestimmt festgelegt sei.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Individualisierbarkeit der Forderung sei der Prüfungstermin, der insoweit der letzten mündlichen Verhandlung im streitigen Prozess entspreche. Bis dahin könne eine Individualisierung der Forderung nachgeholt werden, sie wirke allerdings nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung zurück. Dies führe dazu, dass die Forderung dann zwar geprüft werden könne, jedoch gem. § 177 I InsO bei einem Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers auf Kosten des Säumigen vom Insolvenzgericht entweder ein besonderer Prüfungstermin bestimmt oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren durchgeführt werde.
IV. Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH klärt eine bislang unentschiedene Rechtsfrage und schließt sich damit der Mehrheit des Schrifttums an, das eine schlüssige Darlegung der Forderung zur Wirksamkeit der Forderungsanmeldung abgelehnt hat. Damit hat der Senat festgestellt, dass ein Gläubiger seine Forderung lediglich individualisieren muss, diese Forderung dann im Prüfungstermin bestritten werden kann und der Gläubiger seine Ansprüche sodann im Prozesswege mit einer Feststellungsklage weiter verfolgen kann. Der Gläubiger läuft bei einer solchen Forderungsanmeldung dann lediglich Gefahr, dass er bei einer nachträglichen schlüssigen Darlegung seiner Forderung, wie sie im Zivilprozess erforderlich ist, durch das sofortige Anerkenntnis des Insolvenzverwalters die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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