Vorfinanzierung von Prozesskosten der Insolvenzmasse – Zumutbarkeit für Gläubiger?


BGH: Würdigung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens durch einen Insolvenzverwalter

ZPO § 116 I 1
BGH, Beschluss vom 18.07.2019 – IX ZB 57/18 (OLG Celle)

I. Leitsatz des Verfassers
Im Prozesskostenhilfeverfahren hat das Gericht im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit gem. § 116 I 1 ZPO eine wertende Abwägung hinsichtlich einer zu erwartenden Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko sowie die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen.

II. Sachverhalt
Der Kläger wurde am 1.1.2012 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Er begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens, nachdem das LG die durch ihn im Wege einer Teilklage iHv 110.000 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemachten Anfechtungsansprüche aus vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 I InsO) mit Urteil vom 14.11.2017 abgewiesen hat.

Das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers hat das OLG mit Beschluss vom 14.5.2018 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die zulässige Berufung dürfte in der Sache zwar begründet sein. Den an dem Verfahren wirtschaftlich Beteiligten sei aber gem. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzumuten, die Kosten des Rechtsmittels aufzubringen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung in der Sache.

III. Rechtliche Wertung
Der BGH führte aus, dass nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe erhalte, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten sei, die Kosten aufzubringen. Die Beurteilung der Zumutbarkeit unterliege der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts und sei von dem Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt überprüfbar.

Vorschüsse auf die Prozesskosten sei solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auf das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein werde, als die von ihnen als Vorschuss zu erbringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung seien insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko sowie die Gläubigerstruktur, zu berücksichtigen.

Bedenken begegne allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass es Gläubigern mit Forderungen von jeweils mehr als 20.000 EUR zumutbar sei, die Kosten des Rechtsstreits zu finanzieren.

Denn regelmäßig erst bei einem im Falle des Prozesserfolges erzielbaren Ertrag von deutlich mehr als dem Doppelten des aufzubringenden Vorschusses sei eine Vorschusspflicht in Betracht zu ziehen. Das Berufungsgericht sei vorliegend davon ausgegangen, dass bei aufzuwendenden Kosten iHv 9.136 EUR unter Berücksichtigung eines Vollstreckungsrisikos von einem Drittel letztlich eine für sämtliche Gläubiger verfügbare Masse von etwa 36.400 EUR verbliebe. Die Rechtsbeschwerde meinte, dass hiervon lediglich 16.948 EUR und damit weniger als das Doppelte der vorzustreckenden Kosten iHv 9.136 EUR auf die heranzuziehenden Gläubiger entfallen würden. Damit fehle eine Prüfung, ob den individuell heranzuziehenden Gläubigern im Hinblick auf den für sie erzielbaren Ertrag eine Finanzierung des Prozesses zumutbar sei.

Die Bewertung der Zumutbarkeit obliege dem Tatrichter. Er habe bei der zur Beurteilung der Zumutbarkeit von § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO gebotenen wertenden Abwägung neben dem Vollstreckungs- und Verfahrensrisiko insbesondere die zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens einzustellen. Maßgebend seien auch insoweit die konkreten Umstände des jeweiligen Falles.

Die angefochtene Entscheidung könne daher keinen Bestand haben. Sie sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung – nach Feststellung der hierfür maßgeblichen Umstände – an das Berufungsgericht zurück zu verweisen (§ 577 IV S. 1 ZPO).

IV. Praxishinweis
Alternativ zu dem steinigen und schwer zu kalkulierenden Weg, Forderungen im Rahmen eines PKH-Verfahrens verfolgen zu müssen, besteht für den Insolvenzverwalter zum einen die Möglichkeit, solche streitbefangenen Forderungen zu verkaufen. In Abhängigkeit vom Volumen sollte allerdings zur Absicherung die Gläubigerversammlung hierzu ihre Zustimmung nach § 160 II Nr. 3 InsO erteilen. Sollte der Forderung ein Insolvenzsachverhalt zugrunde liegen, so kann diese ebenfalls durch den Insolvenzverwalter verkauft und abgetreten werden.

In der Praxis hat es sich auch bewährt, die streitige Forderung unter Einschaltung eines Prozessfinanzierers mit gerichtlicher Hilfe geltend zu machen. In Abhängigkeit des Streitwertes sollte auch hier eine positive Entscheidung der Gläubigerversammlung zugrunde liegen.

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht


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