Sonnenwende in der Solarbranche

07. Juli 2025 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Am 21. Juni, dem Tag des längsten Tags des Jahres und der Sommersonnenwende, steht die Sonne senkrecht über dem nördlichen Wendekreis der Erde. 16 Stunden lang bleibt es dann in München hell, in Berlin sogar noch eine Dreiviertelstunde länger. Der längste Tag markiert aber gleichzeitig den Zeitpunkt, ab dem die Nächte wieder länger werden und das Licht schwindet. Ähnlich sieht es aktuell in der deutschen Solarbranche aus. Mittelfristig gibt es aber Grund für Optimismus.

Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien 

Nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine explodierten die Energiepreise für fossile Brennstoffe und beschleunigten den Ausbau erneuerbarer Energien. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) neue Solaranlagen mit 17,5 Gigawatt installiert und damit 14 Prozent mehr Photovoltaik-Leistung erzeugt als im Jahr 2023. Für das Jahr 2025 rechnet BSW-Solar mit einem Neuanschluss in etwa gleicher Größenordnung. Infolge zweistelliger Wachstumsraten in der Solarbranche gingen viele Unternehmen lange Zeit davon aus jeweils einen bedeutenden Marktanteil erobern zu können.

Verdrängungswettbewerb aus China 

Der Markt und das Photovoltaik-Geschäft wächst zwar immer noch, aber mittlerweile kommen die installierten Solarmodule überwiegend von chinesischen Herstellern, die schon zahlreiche europäische Wettbewerber aus dem Markt gedrängt haben. Ungefähr 94 Prozent der PV-Module kommen aus Asien-Pazifik. Weitere drei Prozent werden von US-Unternehmen produziert, und dann kommt Europa, hat etwa die Unternehmensberatung Strategy& errechnet, eine Tochter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Das bedeutet: Während deutsche Fachbetriebe zwar von der Installation profitieren, stehen deutsche Modulhersteller oftmals praktisch im wirtschaftlichen Schatten Zugleich haben die USA den Import chinesischer Solarmodule eingeschränkt, was das Überangebot auf dem europäischen Markt verstärkt. 

Als Folge gab und gibt es in der deutschen Solarbranche einige Insolvenzen. Besonders kleinere Unternehmen waren betroffen: Envoltec, Enersol, Wegatech und Solarmax meldeten Insolvenz an. Nach Angaben des Brachenmediums PV Magazin war die Zahl der Insolvenzen in der Branche im dritten Quartal 2024 so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Aber nicht nur deutsche Unternehmen sind betroffen, auch europäische Modulhersteller suchen nach wirtschaftlichen Lösungen für ihre Werke i- mitunter auch über das Insolvenzrecht. Neben Solarwatt haben beispielsweise zuletzt auch die Insolvenzen der deutschen Gesellschaften des Schweizer Produzenten Meyer Burger ein Insolvenzverfahren begonnen. Der Dresdner Hersteller Solarwatt lässt jetzt in Asien fertigen, Forschung und Entwicklung blieben in Dresden, der Heimatstandort soll auch vorerst nicht zurückgebaut werden. 

Sich widerstandsfähiger aufstellen

Gleichzeitig will die EU mit dem „Net Zero Industry Act“ gewährleisten, dass die für den Klimaschutz bedeutende Industrie nicht aus Europa verschwindet. Das Ziel: 40 Prozent der Nachfrage soll von EU-Unternehmen gedeckt werden. Notwendig für die von der EU gewünschte Wiederbelebung der heimischen Produktion wären industriepolitische Unterstützung mit besseren Rahmenbedingungen. Auch die Absicht der neuen Bundesregierung ist es, die gesamte Wertschöpfungskette in der Photovoltaik widerstandsfähiger, also europäischer, aufzustellen – eine Option, die übrigens auch die Verfahren und Instrumente des Insolvenz- und Sanierungsrechts ermöglichen. 

Von der neuen Bundesregierung erhofft sich deshalb jetzt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), beschleunigte Genehmigungsverfahren und mehr Augenmerk auf die Rolle der Speicher bei anstehenden Reformen des Strommarktdesigns und der Netzentgelte. „Speicher sind das schnellste, günstigste und wirkungsvollste Instrument zur Integration von Solarenergie in den Strommarkt und in das Stromnetz“, erklärt der BSW-Solar-Chef. „Ein schneller Ausbau der Speicherkapazitäten ist ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg der Energiewende“.

Weniger Module, mehr Wechselrichter, Speicher und Smart Grids

Im Marktbereich Solarzellen, Solarwafer und Solarglas sieht ist für deutsche Unternehmen aktuell schwierig aus. Gleichzeitig sind aber Wechselrichter und Speicher aus Deutschland weiterhin weltweit gefragt. Deshalb hat beispielsweise SMA Solar, Hersteller von Wechselrichtern, seinen Umsatz seit 2018 mehr als verdoppeln können: von 761 Millionen Euro auf 1,53 Milliarden Euro. 

Die Nachfrage nach Solarwechselrichtern wird sich in Deutschland allein bis 2029 auf umgerechnet mehr als 2,25 Milliarden Euro mehr als verdoppeln, prognostizieren die Marktforscher von Mordor Intelligence. Einige Marktbeobachter glauben daher, dass die Zukunft der deutschen Solarindustrie nicht mehr unbedingt in Modulen liegt. China bei industriell gefertigten Elementen von PV-Anlagen weltweit führend. Indien subventioniert den Aufbau einer eigenen Photovoltaik-Industrie, ähnlich wie es die USA bis zum Präsidentenwechsel getan hat. Zukunft hat dieser Bereich in Deutschland eher im Handwerk, also bei der Installation von Solarsystemen, bei den Speichertechnologien sowie Systemen zum Energiemanagement, also etwa Smart Grids in Betrieben und Haushalten. 

Grundlegende strukturelle Veränderungen

Strukturell wird sich der Solarmarkt in Deutschland grundlegend verändern. Langfristig werden sinkende Herstellkosten von Photovotaik-Modulen auf der einen, steigende Frachtkosten und lange Frachtzeiten auf der anderen Seite die Wettbewerbsposition für die Modulherstellung in Deutschland verbessern, glaubt auch Harry Wirth, Bereichsleiter Power Solutions beim Fraunhofer ISE. Er ist daher überzeugt, dass ein großer Teil der mit einem Photovoltaik-Kraftwerk verbundenen Wertschöpfung im Land bleibt.

Zudem lohnen sich für deutsche Unternehmen Investitionen in Solaranlagen mittlerweile im Schnitt schon nach sieben Jahren. Das zeigt eine Berechnung des Energiekonzerns E.on auf Basis realer Verbrauchsdaten. Demnach kann ein großer Mittelständler mit Photovoltaik auf dem Dach rund 100.000 Euro jährlich sparen und seine CO2-Bilanz verbessern. Für die Analyse hat E.on beispielhafte Firmen aus dem Einzelhandel, der Chemie- sowie der Medizintechnikbranche betrachtet. Die Grundannahme war, dass die Betriebe den Großteil des Solarstroms selbst brauchen und kleinere Überschüsse ins Netz einspeisen. Ihr Strombezug aus dem Netz sinkt entsprechend. Noch schneller rechnet sich für Unternehmen laut Studie, statt Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor E-Autos zu leasen und eigene Ladesäulen anzuschaffen, und zwar im Mittel nach drei Jahren.

Es zeigt sich: Auch wenn die Tage kürzer werden, droht der deutschen Solarbranche keine andauernde Dunkelheit. Jedoch ist es wichtig, dass sich die Unternehmen auf ihre technologischen Stärken besinnen und – wie es auch Wavelabs getan hat – im Fall der Fälle die Möglichkeiten der Verfahren und Instrumente des Insolvenz- und Sanierungsrechts als realistische Option zu sehen. Denn Fakt ist: In Zeiten wirtschaftlicher Dunkelheit ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren, wenn man zurück ins Licht kommen will. 

Rüdiger Bauch

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Er wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen begleitet.