Rang des Abfindungsanspruches eines Gesellschafters in der Insolvenz
BGH: Abfindungsansprüche eines vor Insolvenz ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH & Co. KG sind grundsätzlich erst bei der Schlussverteilung zu berücksichtigen
GmbHG § 30 I, § 31 I, § 34 III; InsO § 38, § 39 I Nr. 5, § 135 I Nr. 2, § 199
BGH, Urteil vom 28.1.2020 - II ZR 10/19 (OLG Stuttgart)
I. Leitsatz des Verfassers
Die Abfindungsforderung eines vor der Insolvenz ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH & Co. KG, deren Auszahlung gegen das Kapitalerhaltungsgebot der §§ 30, 31 GmbHG analog verstoßen würde, ist erst bei der Schlussverteilung nach § 199 InsO zu berücksichtigen.
§ 30 I GmbHG steht einer Auszahlung der Abfindungsforderung auch dann entgegen, wenn die Abfindung zum Zeitpunkt des Ausscheidens und auch noch ein Jahr danach aus dem freien Vermögen der Gesellschaft hätte bedient werden können. § 135 I Nr. 2 InsO ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.
II. Sachverhalt
Der Kläger war im Jahr 2007 als Gesellschafter einer GmbH & Co. KG sowie der Komplementär GmbH ausgeschieden und machte seitdem beiden Gesellschaften gegenüber einen Abfindungsanspruch gerichtlich geltend. Nachdem im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen beider Gesellschaften eröffnet worden war, stellte der Kläger seine Klaganträge auf Feststellung der Abfindungsforderung zur Tabelle um. Das Berufungsgericht hat die Klagforderung als nachrangige Insolvenzforderung im Sinne von § 39 I Nr. 5 InsO zur Tabelle festgestellt. Die gegen die Qualifizierung der Forderung als lediglich nachrangig durch den Kläger eingelegte und durch das Berufungsgericht zugelassene Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
III. Rechtliche Wertung
Kapitalerhaltungsregeln gelten auch nach Ausscheiden des Gesellschafters fort
Der Senat stellt zunächst fest, dass die insolvenzrechtliche Behandlung von Abfindungsansprüchen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschiedener Gesellschafter sowohl bei GmbH als auch bei GmbH & Co. KG im Schrifttum umstritten ist, wobei an dieser Stelle auf eine Wiedergabe der im Einzelnen vertretenen Meinungen verzichtet werden muss.
Nach Auffassung des BGH ist insoweit eine etwaige gesellschaftsrechtliche haftungs- oder kapitalerhaltungsrechtliche Bindung der geltend gemachten Forderung zu berücksichtigen. Als sogenanntes Gläubigerrecht unterläge der Abfindungsanspruch eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschiedenen Gesellschafters weiterhin gesellschaftsrechtlichen Bindungen.
Eine Feststellung der Abfindungsforderung als einfache Insolvenzforderung scheitere daher wegen ihrer kapitalerhaltungsrechtlichen Bindung analog §§ 30, 31 GmbHG. Danach sei eine Zahlung aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der Komplementär GmbH oder einen Kommanditisten nach § 30 I GmbHG verboten, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinke oder eine bilanzielle Verschuldung vertieft werde. Maßgeblicher Zeitpunkt sei insoweit nicht der der Begründung der Forderung, sondern der der Auszahlung. Infolge der Überschuldung von Kommanditgesellschaft und GmbH würde im vorliegenden Falle die Auszahlung zum - insoweit maßgeblichen - Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufgrund der Mithaftung der Komplementärin für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft zu einer Vertiefung der bei der GmbH bestehenden Unterbilanz führen.
Daran ändere sich nichts dadurch, dass der Kläger bereits mehr als ein Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der GmbH und der Kommanditgesellschaft ausgeschieden sei. Die Frist des § 135 I Nr. 2 InsO sei nicht entsprechend anzuwenden. Dagegen spräche die besondere Bedeutung des Eigenkapitals als haftendes Grundkapital, was etwa darin zum Ausdruck komme, dass der Rückforderungsanspruch des § 31 I GmbHG materiell-rechtlich nicht entsprechend § 135 I Nr. 2 InsO einer kurzen zeitlichen Beschränkung unterliege, sondern nur einer zehnjährigen Verjährungsfrist (§ 31 I Nr. 5).
Ergebnis sei insoweit, dass die Forderung des Klägers nicht (nur) nachrangig (§ 39 InsO) sei, sondern er insoweit auf die Schlussverteilung nach § 199 InsO zu verweisen sei. Sämtliche nachrangigen Insolvenzgläubiger gem. § 39 I InsO gingen dieser Forderung vor.
IV. Praxishinweis
Die - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehene - Entscheidung bringt Klarheit in einem sowohl für GmbH als auch GmbH & Co. KG rechtlich umstrittenen und durch den Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschiedenen Rechtskomplex. Die Konsequenzen sind für den Kläger des konkreten Falles und Gesellschafter in vergleichbaren Konstellationen hart. Stundet der Gesellschafter der Gesellschaft den Abfindungsbetrag oder verweigert die Gesellschaft zu Recht oder Unrecht die Auszahlung der Abfindung, trägt der ausgeschiedene Gesellschafter ggf. über viele Jahre hinweg - im vorliegenden Falle kam es nach ca. acht Jahren zur Insolvenzeröffnung - das Risiko einer Vermögensverschlechterung der Gesellschaft als Abfindungsschuldnerin. Dies ist für ihn besonders misslich, da er in diesem Zeitraum keinerlei Einfluss mehr auf die Geschicke der Gesellschaft hat. Ist die Forderung streitig, wird er daran letztendlich nichts ändern können. Stundet er jedoch aus alter Verbundenheit mit der Gesellschaft freiwillig die Abfindungsforderung, sollte er nach Möglichkeit dafür sorgen, dass sein Abfindungsanspruch dann aus dem Vermögen der anderen Gesellschafter adäquat besichert wird oder nach Möglichkeit von vornherein der Gesellschafter nicht ausscheidet, sondern seinen Gesellschaftsanteil an die Mitgesellschafter veräußert. Dann sind diese Schuldner des an die Stelle des Abfindungsanspruchs tretenden Kaufpreisanspruchs. Zwar kann auch eine Insolvenz der Mitgesellschafter nicht ausgeschlossen werden, der Problematik mit der Kapitalerhaltungsbindung gem. §§ 30, 31 GmbHG (analog) kann er so aber jedenfalls entgegnen.
Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra
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