Keine Heilung eines unberechtigten Forderungseinzugs


BGH: Keine nachträgliche Genehmigung eines unberechtigten Forderungseinzugs zu Lasten der Insolvenzgläubiger

InsO §§ 48, 51 Nr. 1, 91, 170I2, 172I; BGB §§ 185II, 407, 449
BGH, Urteil vom 12.12.2019 – IX ZR 27/19 (OLG Dresden)

I. Leitsatz des Verfassers
Die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vorbehaltskäufers nachträglich erteilte Genehmigung seines unberechtigten Forderungseinzugs ist unwirksam.

II. Sachverhalt
Die Schuldnerin (S) schloss mit der Drittschuldnerin (DS) im Jahr 2013 diverse Verträge über die Herstellung von Werkzeugen und bezog den dafür benötigten Stahl von der Klägerin, die das Material unter Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts mit Vorausabtretung, Weiterbearbeitungs- und Weiterveräußerungsklausel an die S verkaufte. Die Klägerin zeigte am 22.8.2013 der DS die Abtretung der Forderung der S gegen die DS an. Die DS zahlte am gleichen Tag den nach Änderung des ursprünglichen Vertrages auf Grund entsprechender Vereinbarung mit S und deren Rechtsanwalt (RA) geschuldeten Kaufpreis von 404.600 EUR auf ein Treuhandkonto des RA gegen Übergabe der Werkzeuge am 23.8.2013 im jeweiligen Herstellungszustand. Am 6.9.2013 überwies RA nach „Bestätigung“ der DS den noch auf seinem Fremdgeldkonto befindlichen restlichen Kaufpreisbetrag auf das Geschäftskonto der S, die am gleichen Tag die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragte. Der zum vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter bestellte Beklagte zog das auf dem schuldnerischen Geschäftskonto vorhandene Guthaben am 2.10.2013 auf ein Treuhandkonto. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Bestellung des Beklagten als Insolvenzverwalter (IV) erfolgte am 25.10.2013. Die Klägerin war mit der anschließend gegenüber dem IV geltend gemachten Forderung auf Ausgleich ihrer Lieferforderung aus dem von diesem auf das Treuhandkonto gezogenen Guthaben nur in erster Instanz erfolgreich. Das Berufungsgericht verneinte einen Ersatzabsonderungsanspruch der Klägerin und einen Anspruch aus anderer Grundlage, hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies zurück.

III. Rechtliche Wertung
Keine ausreichenden Feststellungen zum abgewiesenen Ersatzabsonderungsanspruch

Der gegen den IV in Betracht kommende Ersatzabsonderungsanspruch aus § 48 InsO analog erfordere, dass die im entschiedenen Fall wirksam an die Klägerin abgetretene Forderung der S gegen DS vor oder nach Verfahrenseröffnung von S oder  dem IV im Verhältnis zur Klägerin unberechtigt, aber auf Grund schuldbefreiender Leistung der DS an S der Klägerin gegenüber gleichwohl wirksam eingezogen und damit deren aus § 51 Nr. 1 InsO begründetes Absonderungsrecht vereitelt worden sei (BGH NZI 2015, 976 Rn. 9; BGH NZI 2019, 274 Rn. 21, 78).

Auch wenn S nicht zum Forderungseinzug berechtigt gewesen sein sollte, könne mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden, dass die DS bei ihrer Zahlung auf das Treuhandkonto des RA bzw. bei ihrer Gestattung zur Auszahlung an S im Verhältnis zur Klägerin wirksam und schuldbefreiend geleistet habe und damit das Absonderungsrecht vereitelt worden sei. Die zur Versagung der schuldbefreienden Zahlung nach § 407 I BGB erforderliche positive Kenntnis der DS von der Zession – die Beweislast liege bei der Klägerin – sei nicht festgestellt. Das Schreiben der Klägerin vom 22.8.2013 beinhalte lediglich die Behauptung, dass ihr Forderungen abgetreten seien. Die Vermutung der positiven Kenntnis der DS könne daraus aber nicht hergeleitet werden, da vom Berufungsgericht nicht festgestellt sei, dass diese Anzeige die in § 409 I 1, 2 BGB geforderten Voraussetzungen erfüllten. Erlangung positiver Kenntnis durch DS auf anderem Weg könne nicht angenommen werden.

Berechtigter Forderungseinzug durch S
Die S sei von der Klägerin ursprünglich zwar nicht ausdrücklich, durch die Ermächtigung zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware zumindest aber stillschweigend auch zum Einzug der sicherungshalber abgetretenen Forderungen ermächtigt worden (BGHZ 69,254, 259). Nach den insoweit maßgeblichen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei die Ermächtigung zum Einzug der Forderungen auf den ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr beschränkt gewesen. Der Verlust dieser Einzugsermächtigung durch den Abschluss des zwischen S und DS am 21.12.2013 vereinbarten Aufhebungsvertrages sei vom Berufungsgericht nicht hinreichend festgestellt.

Ungenügend seien auch dessen Feststellungen, ob die Klägerin mit dem Schreiben vom 22.8.2013 die der S erteilte Einzugsermächtigung frei widerrufen konnte und die Voraussetzungen für einen Widerruf vorlagen.

Die Sache sei - aus anderen Anspruchsgrundlagen hafte der Beklagte nicht - nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV. Praxishinweis:
Die Bedeutung des Leitsatzes erschließt sich erst in den „Segelhinweisen“ des BGH („das Wichtigste zum Schluss“?):
Für den Fall, dass das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass ein Ersatzabsonderungsanspruch aus § 48 InsO analog (nur) deshalb scheitert, weil die DS zu dem Zeitpunkt, als sie gegenüber dem RA die Auszahlung an die S freigab, bereits positive Kenntnis von der Abtretung hatte, damit die Klägerin von DS weiterhin Zahlung verlangen kann, scheidet, so der BGH, zumindest im vorliegenden Fall für die Klägerin eine (konkludent auch mit Klageerhebung möglich) Genehmigung nach § 185 II BGB des ihr gegenüber unwirksamen Einzugs aus. Damit die Klägerin, die ihre Kaufpreisforderung bei Verfahrenseröffnung gegenüber der Masse nach §§ 38, 87, 174 InsO nur als Insolvenzforderung durch Anmeldung zur Tabelle verfolgen kann, nicht zum Nachteil der übrigen Insolvenzgläubiger Rechte an der Masse erwerben kann, ist die Genehmigung vorliegend gem. § 91 InsO unwirksam.

Für die Praxis von Relevanz sind auch die Ausführungen des BGH zur Ermächtigung des Vorbehaltskäufers zur Weiterveräußerung von Vorbehaltsware und der damit stillschweigend verbundenen Ermächtigung zum Einzug der aus der Weiterveräußerung resultierenden und an den Vorbehaltsverkäufer sicherungshalber abgetretenen Forderungen. Auch wenn diese Ermächtigung auf den gewöhnlichen und ordnungsgemäßen Geschäftsgang beschränkt ist, fällt sie weder ohne weiteres weg, wenn der Vorbehaltskäufer „in eine finanzielle Krise gerät, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt wird und ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird“, noch berechtigen diese Umstände zwangsläufig immer zum Widerruf der Ermächtigung.

Rechtsanwalt Harald Kroth, Fachanwalt für Insolvenzrecht


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