Kein Kostenfestsetzungsbeschluss nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit


BGH: Aufhebung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gegen den Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit

InsO §§ 55 I Nr. 1, 88, 209 I Nr. 2, 3, 210; ZPO § 104 II
BGH, Beschluss vom 2.5.2018 – IX ZB 67/18 (OLG Frankfurt am Main)

I. Leitsatz des Verfassers
Ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt worden und erfolgt danach die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, ist jedenfalls ein Beschluss, auf dem im Wege der Zwangsvollstreckung noch kein Sicherungsrecht erwirkt wurde, auf eine sofortige Beschwerde aufzuheben.

II. Sachverhalt
Gegen den Kläger, einen Insolvenzverwalter, hat der Beklagte im Hinblick auf ein ergangenes Anerkenntnisurteil, das dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat, einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlangt. Nach Festsetzung mit Beschluss vom 15.3.2018 hat der Kläger am 20.3.2018 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt und gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Diese ist begründet.

III. Rechtliche Wertung
§ 210 InsO verbietet jede künftige Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss.

1. Der Kostenerstattungsanspruch eines gegen den Insolvenzverwalter obsiegenden Beklagten bilde eine Altmasseverbindlichkeit gem. §§ 55 I Nr. 1, 209 I Nr. 3 InsO, die nach Erklärung der Masseunzulänglichkeit nicht mehr vollstreckt werden könne. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten sei mit der Zustellung der Klage entstanden und damit aufschiebend bedingt vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren müsse das Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners gegeben sein. Das Kostenfestsetzungsverfahren sei lediglich ein im Vergleich zu einem klageweisen Vorgehen regelmäßig weniger aufwändiges Verfahren, so dass – wie bei einer Leistungsklage – nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das Rechtsschutzinteresse fehle (Urt. Tz. 10). Dies gelte auch für Neumasseverbindlichkeiten (Urt. Tz. 11). Wird die Klage erst nach Massenunzulänglichkeit rechtshängig, handle es sich beim Kostenerstattungsanspruch des Gegners um eine Neumasseverbindlichkeit nach § 209 I Nr. 2 InsO. Mache in einem solchen Fall der Insolvenzverwalter mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zulässigen Beweismitteln glaubhaft, dass gegenüber den Neumassegläubigern Masseunzulänglichkeit eingetreten sei, fehle ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.

2. Ein Kostenfestsetzungsbeschluss entbehre nach diese Grundsätzen daher eines Rechtsschutzinteresses, wenn – wie in casu – die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach seinem Erlass verlautbart werde, ohne dass bis dahin eine Vollstreckung erfolge. Wegen des durch § 210 InsO angeordneten Vollstreckungsverbotes bestehe kein Rechtsschutzinteresse für den Fortbestand eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, aus dem nicht vollstreckt wurde und aus dem künftig nicht mehr vollstreckt werden dürfe.

3. Allerdings entfaltet das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO keine Rückwirkung auf vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erwirkte Pfändungspfandrechte (Urt. Tz. 13 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Diese blieben bestehen. Ob anderes für innerhalb des letzten Monats vor der Anzeige erwirkte Pfändungen entsprechend des Rechtsgedankens des § 88 InsO gilt, also diese als unwirksam zu erachten seien, könne offen bleiben (Urt.Tz. 13), nachdem es nicht zur Vollstreckung gekommen sei.
Nachdem die Beklagte aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht vollstreckt habe, stehe fest, dass § 210 InsO jede künftige Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss verbiete (Urt. Tz. 15). Es sei noch kein Sicherungsrecht erwirkt worden, so dass auf die sofortige Beschwerde der Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben sei, weil für seinen Fortbestand mangels weiterer Vollstreckbarkeit kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Es würde der Prozessökonomie widersprechen, dem gegenüber den Beschluss aufrechtzuerhalten und den Insolvenzverwalter im Falle einer Vollstreckung auf ein Rechtsmittel zu verweisen. Eine solche Vorgehensweise könnte zum Kostennachteil für die bereits völlig unzureichende Masse führen.

IV. Praxishinweis
1. Sowohl bei Altmasseverbindlichkeiten als auch bei Neumasseverbindlichkeiten fehlt nach der Rechtsprechung des BGH ein Rechtsschutzinteresse für die Kostenfestsetzung nach Anzeige und Glaubhaftmachung der Masseunzulänglichkeit. Diese Rechtsprechung schreibt der BGH fort. Auch nach Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses fehlt weiterhin das Rechtsschutzinteresse, wenn noch nicht vollstreckt wurde. Es liegen in diesem Fall von vornherein keine insolvenzfest begründeten Pfändungspfandrechte vor, die wie Absonderungsrechte zu behandeln wären.

2. Offen geblieben ist dagegen – mangels Entscheidungserheblichkeit – die Frage, ob gem. § 88 InsO analog die Rückschlagsperre anwendbar ist. Dies ist zu verneinen. § 210 InsO entfaltet lediglich eine Wirkung ex nunc. Nachdem allerdings bereits der Gesetzgeber (BT-Drs. 12/7302 S. 180 linke Spalte) eine analoge Anwendung zunächst erwogen, dann aber fallengelassen hat, bleibt abzuwarten, wie der Neunte Senat sich zukünftig positioniert.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas J. Baumert, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht


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