Fortführung einer GmbH ist bereits dann möglich, wenn der Insolvenzplan dies als abstrakte Möglichkeit vorsieht


BGH: Die Fortführung einer GmbH ist bereits dann möglich, wenn der Insolvenzplan dies als abstrakte Möglichkeit vorsieht 

GmbHG § 60 I 4
BGH, Beschluss vom 8.4.2020 – II ZB 3/19 (OLG Celle)

I. Leitsatz des Verfassers
Ein Insolvenzplan sieht den Fortbestand einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bereits dann im Sinne des § 60 I Nr. 4 GmbHG vor, wenn er die Fortsetzung der Gesellschaft als Möglichkeit darstellt.

Die Fortsetzung der Gesellschaft nach § 60 I Nr. 4 GmbHG setzt voraus, dass noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter die Gesellschafter begonnen worden ist.

II. Sachverhalt
Der Insolvenzplan über das Vermögen der Schuldnerin sah unter anderem vor, dass diese „von ihren Schulden befreit werden und ihr hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit gegeben werden (sollte), entsprechend ihres Geschäftszwecks weiter werbend tätig zu sein“. Ca. sechs Monate nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens beschloss die Alleingesellschafterin die Fortsetzung der Gesellschaft und meldete die ehemalige Schuldnerin die Fortsetzung der Gesellschaft beim Handelsregister an. Die gegen die Zurückweisung der Anmeldung durch das Registergericht eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Die durch das Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde führte zur Anweisung an das Registergericht, über die Anmeldung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

III. Rechtliche Wertung

Die abstrakte Möglichkeit der Fortführung der Gesellschaft im Insolvenzplan reicht aus

Der Senat ist – anders als das Berufungsgericht – der Auffassung, dass ein Insolvenzplan den Fortbestand einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bereits dann im Sinne des § 60 I Nr. 4 GmbHG vorsehe, wenn er die Fortsetzung der Gesellschaft als Möglichkeit darstelle. Zwar könne entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bereits aus der Tatsache, dass es sich um ein Insolvenzplanverfahren mit vorhergehendem Schutzschirmverfahren gehandelt habe, nicht zwingend auf eine beabsichtigte Sanierung der Antragstellerin geschlossen werden. Denn Insolvenzplan und Schutzschirmverfahren setzten nicht zwingend eine beabsichtigte Sanierung der Schuldnerin voraus. Jedoch ergäbe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass bereits die abstrakte Möglichkeit einer dann im Ermessen der Gesellschafter stehenden Fortführung der Gesellschaft ausreichend sei. Die Vorgängerfassung des § 60 I Nr. 4 InsO zu Zeiten der Konkursordnung habe einen Fortführungsbeschluss vorgesehen, wenn das Verfahren nach Abschluss eines Zwangsvergleichs (§ 173 KO) aufgehoben worden war. Dieser Zwangsvergleich sei in erster Linie auf die Sanierung des Schuldners durch Schuldenregulierung angelegt. Nachdem dies bei einem Insolvenzplan nicht zwingend der Fall sei, habe sich die Notwendigkeit zum Ausschluss der nunmehr liquidationsbezogenen Pläne ergeben. Weitergehende inhaltliche Anforderungen an den Insolvenzplan, die für den konkursrechtlichen Zwangsvergleich nicht bestanden hätten, ließen sich aus der Neuerung jedoch nicht ableiten.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Fortsetzung der Gesellschaft nach § 60 I Nr. 4 GmbHG voraussetze, dass noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter die Gesellschafter begonnen worden sei und das Registergericht eine entsprechende Versicherung verlangen könne. Dies sei der notwendige Ersatz für die sonst fehlende Fortsetzungskontrolle durch das Registergericht. Gesellschafter könnten ansonsten einen scheinbar auf Fortführung ausgerichteten Insolvenzplan benutzen, um in den Genuss der Auszahlung von Vermögen zu gelangen, ohne den Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG auszulösen. Ein darüber hinausgehender Schutz des Gesellschaftskapitals durch Prüfung der konkreten Kapitalerstattung sei jedoch – vorbehaltlich des Vorliegens einer wirtschaftlichen Neugründung – nicht erforderlich. Das Vorliegen von Insolvenzgründen habe das Registergericht allenfalls dann zu prüfen, wenn begründete Zweifel im Hinblick auf eine Insolvenzreife bestünden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung seien im konkreten Falle nicht ersichtlich. Der zwischen Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens und dem Fortsetzungsbeschluss verstrichene Zeitraum lasse für sich genommen keine Rückschlüsse auf eine wirtschaftliche Neugründung zu. Entscheidend sei, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betreibe, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfe. Dafür spreche im konkreten Falle bereits die Eigenschaft der Antragstellerin als persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG, deren Fortsetzung in das Handelsregister eingetragen worden sei.

IV. Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH kommt praktischen Bedürfnissen entgegen. Forderte man, dass in dem Insolvenzplan eine eindeutige Festlegung hinsichtlich der Fortführung der Gesellschaft getroffen sein müsste, griffe man in das grundsätzlich den Gesellschaftern nach der Bestätigung eines Insolvenzplans gem. § 60 I Nr. 4 GmbHG vorbehaltene Entscheidungsrecht über eine mögliche Fortsetzung der Gesellschaft ein. Auch ein praktisches Bedürfnis – wie etwa aus Gründen des Gläubigerschutzes – besteht dafür nicht. Folgt man dem grundsätzlichen Ansatz des BGH, in den Fällen des Fortsetzungsbeschlusses nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine durch das Registergericht zu überprüfende Mindestkapitalausstattung zu verlangen, erscheint allerdings das durch den BGH aufgestellte Erfordernis, eine Erklärung der Gesellschafter zu verlangen, dass noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen wurde, etwas gekünstelt. Denn grundsätzlich ist auch in einem Insolvenzplan das Vermögen des Schuldners vollständig an die Gläubiger zu verteilen (s. etwa § 245 II Nr. 2 2. HS InsO). Soweit der Schuldnerin nicht zwischenzeitlich neue Vermögenswerte zugeführt wurden, beträgt deren Vermögen also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens regelmäßig „Null“. Zu verteilen an die Gesellschafter gibt es insoweit regelmäßig nichts. Der Geschäftsführer wird in diesen Fällen jedoch ein besonderes Augenmerk auf entsprechende Kapitalzufuhr haben müssen, da er derjenige ist, der sich dann ggf. bei Entstehen neuer Verbindlichkeiten – wie sie z.B. bereits aus der Gebührenforderung für die Registeranmeldung entstehen können – einer Insolvenzantragspflicht mit entsprechenden persönlichen Konsequenzen gegenüber sieht.

Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra


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