Sanierungsmöglichkeiten für Zeitarbeitsunternehmen: Keine Zeit verlieren!
Die anhaltenden und sich überlappenden Krisen stellen Unternehmen branchenübergreifend vor große Herausforderungen – mit negativen Auswirkungen auf die Geschäfte der Zeitarbeitsbranche. Welche Möglichkeiten es für Zeitarbeitsunternehmen gibt, die Auswirkungen der anhaltenden Krise zu meistern.
Inhaltsverzeichnis
1. Eine existenzielle Bedrohung
2. Viele Möglichkeiten und Instrumente
3. Die Chance auf einen Neuanfang
4. Löhne und Gehälter bis zu drei Monate gesichert
6. Restrukturierung ohne öffentliche Bekanntmachung
7. Subsidiärhaftung im Blick haben
8. Das Sanierungsziel erreichen
9. Genehmigungen erhalten: Sanierung und Restrukturierung nach Plan
Eine existenzielle Bedrohung
Viele produzierende Unternehmen müssen angesichts der nun bereits mehreren Jahren andauernden Multi-Krise Kosten reduzieren. Dies machen sie im Personalbereich durch Kurzarbeit oder Kündigungen und durch einen geringeren Einsatz von Zeitarbeitern, was wiederum große Auswirkungen auf Zeitarbeitsunternehmen hat. Für sie können diese erneuten Umsatzeinbrüche zu einer existenziellen Bedrohung werden.
Viele Möglichkeiten und Instrumente
Die gute Nachricht ist, dass es für die handelnden Personen in einem Zeitarbeitsunternehmen in der Regel ausreichend Zeit sowie viele Möglichkeiten und Instrumente gibt, einer wirtschaftlichen Krise zu begegnen und sie zu bewältigen (siehe auch Informationskasten „Genehmigungen erhalten: Sanierung und Restrukturierung nach Plan“ am Ende des Beitrags). Der erste Schritt ist, die Anzeichen für eine sich abzeichnende Krise oder sogar existenzielle Bedrohung des Unternehmens möglichst früh zu erkennen. So können rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Steht ein Zeitarbeitsunternehmen bereits kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, gelten verschärfte Regeln und es muss schnell gehandelt werden. Die Devise lautet in jeden Fall: Im Krisenfall keine Zeit verlieren!
Ist das Zeitarbeitsunternehmen bereits zahlungsunfähig, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Denn die Insolvenzantragspflicht gilt bereits seit dem Jahreswechsel 2023/2024 wieder voll. Zwischenzeitlich war sie als Reaktion auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie teilweise ausgesetzt worden.
Die Chance auf einen Neuanfang
Wichtig ist: Ein Insolvenzantrag bedeutet nicht, dass die Unternehmensgeschichte an dieser Stelle endet. Die Insolvenz kann vielmehr die Chance auf einen Neuanfang darstellen. Hier gilt jedoch die Devise: Je früher ein Insolvenzantrag vorbereitet wird, desto größer ist die Chance auf den Neuanfang.
In einer Sanierung mit Hilfe der Instrumente des Insolvenzrechts – das umfasst die Regelinsolvenz, die Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren – ist für Zeitarbeitsunternehmen im operativen Geschäft der Vollstreckungsschutz von Vorteil, der sich aus der Anordnung der sogenannten Sicherungsmaßnahmen ergibt. Das bedeutet, dass Tilgung und Zinsen ausgesetzt sind und das Zeitarbeitsunternehmen fällige Verbindlichkeiten zunächst nicht begleichen muss. Somit kann die Geschäftsleitung alle Einnahmen dafür nutzen, den regulären Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten.
Löhne und Gehälter bis zu drei Monate gesichert
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden in der Regel bis zu drei Monate lang durch das sogenannte Insolvenzgeld gesichert sind. Das verschafft einem Unternehmen in einem Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren einen zusätzlichen finanziellen Spielraum. Das Insolvenzgeld ist für Zeitarbeitsunternehmen insofern von besonderer Bedeutung, da es gerade bei Arbeitnehmerüberlassungen eine erhebliche Entlastung bringt. Denn das Insolvenzgeld wird sowohl für die unternehmenseigenen als auch die externen (verliehenen) Mitarbeiter gezahlt, und die Personalkosten umfassen bei Zeitarbeitsunternehmen nicht selten 80 bis 90 Prozent der gesamten Kosten des Unternehmens. Zeitarbeitsunternehmen haben durch das Insolvenzgeld also bis zu drei Monate sehr geringe Kosten. Diese Zeit kann für Umstrukturierung und Sanierung genutzt werden.
Hinzu kommt, dass auch der Ersatz für Mitarbeitende über das Insolvenzgeld abgedeckt ist, die zum Beispiel nach dem Insolvenzantrag das Unternehmen verlassen haben und die Neubesetzung dieser Stellen für das Gelingen der Sanierung notwendig ist. Zudem kann sich ein Unternehmen im Rahmen einer Insolvenz leichter von nachteiligen Verträgen lösen – darüber hinaus können, soweit notwendig, Personalanpassungen vorgenommen werden.
Sanierung in eigener Regie
Bei der Sanierung in Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren, die Unternehmen seit der Insolvenzrechtsreform (ESUG) von 2012 nutzen können, kann sich ein Zeitarbeitsunternehmen aus finanz- und leistungswirtschaftlicher Sicht in eigener Regie sanieren. Dabei bleibt der Geschäftsleiter voll handlungsfähig und wird von einem Sanierungsexperten unterstützt. Beaufsichtigt werden Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren, die sogenannten ESUG-Verfahren, von einem Sachwalter, der vom Gericht bestellt wird.
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG, bildet die gesetzliche Grundlage für die sogenannten StaRUG-Restrukturierungen. Seit dem 1. Januar 2021 können damit Restrukturierungen schneller und gezielter umgesetzt werden – mit einem umfangreichen modularen Baukasten, große Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten und ohne Insolvenzverfahren.
Restrukturierung ohne öffentliche Bekanntmachung
Beim StaRUG kann ein Zeitarbeitsunternehmen selbst bestimmen, mit welchen seiner Gläubiger es sich – im Wesentlichen nicht öffentlich – restrukturieren möchte – allerdings nur, wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Weiterer Vorteil: Eine StaRUG-Restrukturierung kann ohne öffentliche Bekanntmachung stattfinden, wodurch ein eventueller Reputationsverlust für das Zeitarbeitsunternehmen vermieden wird. Außerdem ist es möglich, Gläubiger zu überstimmen, wenn sie sich einem notwendigen Schuldenschnitt verweigern. Bei einer StaRUG-Restrukturierung sollten Geschäftsleiter von Zeitarbeitsunternehmen jedoch beachten, dass damit lediglich aus rein finanzieller Sicht restrukturiert werden kann. Operative und Eingriffe in die Rechte von Arbeitnehmern sind hier – anders als beim Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren – nicht möglich.
Subsidiärhaftung im Blick haben
Unabhängig davon, ob ein Zeitarbeitsunternehmen seine Sanierung im Rahmen eines Regelverfahrens in eigener Regie oder einem Schutzschirmverfahren oder dem StaRUG angeht, ist es wichtig, dass die handelnden Personen die Subsidiärhaftung im Blick haben – das Haftungsrisiko des Entleihers für Sozialversicherungsbeiträge der ihm überlassenen Arbeitnehmer. Maßgeblich ist, dass ein Zeitarbeitsunternehmen diese Sozialversicherungsbeiträge im Zuge seiner Sanierung immer rechtzeitig an die Krankenkassen bezahlt. Ansonsten fordern diese die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge beim Entleiher ein, der diese dann aufgrund der Subsidiärhaftung bezahlen muss. Die Folge: Als Kunde ist dieser Entleiher für das Zeitarbeitsunternehmen dann aller Voraussicht nach verloren.
Um das zu vermeiden, bietet sich eine kreative Drittlösung an. Ein solches Instrument macht – wenn es professionell geplant und umgesetzt wird – die Sanierung eines Zeitarbeitsunternehmens sowohl für das Unternehmen als auch für die Entleiher plan- und berechenbar.
Dass die Sozialversicherungsbeiträge für unternehmenseigene, aber auch die die externen (verliehenen) Mitarbeiter bezahlt werden, ist zudem besonders relevant, da die Agentur für Arbeit andernfalls in Erwägung ziehen kann, dem Zeitarbeitsunternehmen die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu entziehen. Gleiches gilt, wenn Steuerschulden nicht bezahlt werden.
Ohne die essentielle Genehmigung für das Geschäft kann jedoch auch die beste Sanierung nicht funktionieren. Durch eine vorausschauende Liquiditätsplanung in der Sanierung und einen offenen Dialog mit der Agentur für Arbeit lässt sich – zusammen mit einem Erhalt der Gesellschaft (siehe auch Informationskasten „Genehmigungen erhalten: Sanierung und Restrukturierung nach Plan“) die Basis dafür schaffen, das Geschäft weiter betreiben zu können.
Das Sanierungsziel erreichen
Es zeigt sich: Zeitarbeitsunternehmen, die in eine Krise geraten sind oder die aufgrund der anstehenden Herausforderungen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten könnten, haben mehrere Möglichkeiten und Instrumente, diese Sondersituation zu meistern. Fakt ist: Auch eine Restrukturierung bedeutet nicht automatisch das Ende eines Zeitarbeitsunternehmens, sondern kann die Chance für einen Neustart darstellen. Dieses Sanierungsziel wird am besten erreicht, wenn alle Beteiligten wissen, was sie zu tun haben.
Genehmigungen erhalten: Sanierung und Restrukturierung nach Plan
Bei der Restrukturierung und Sanierung eines Zeitarbeitsunternehmens handelt es sich immer um eine Sondersituation. Daher ist es wichtig, die einzelnen Instrumente und Verfahren und ihre Besonderheiten zu kennen, um sich anschließend für die richtige Vorgehensweise entscheiden zu können:
- Zum einen gibt es im klassischen Insolvenzrecht das sogenannte Regelinsolvenzverfahren.
- Aber auch die Eigenverwaltung, also die Sanierung in eigener Regie, und das Schutzschirmverfahren, eine Sonderform der Eigenverwaltung, bieten die Möglichkeit, ein Zeitarbeitsunternehmen neu auszurichten.
- Seit 2021 gibt es darüber hinaus die Möglichkeit einer sogenannten StaRUG-Restrukturierung. Dieses neue, nicht-öffentliche Verfahren erleichtert es Zeitarbeitsunternehmen, sich einfacher als bislang finanzwirtschaftlich zu restrukturieren – und zwar noch bevor sie zahlungsunfähig werden. Ein Insolvenzverfahren kann auf diese Weise vermieden werden.
Sowohl Regel- als auch Eigenverwaltungsverfahren lassen sich mit einem Insolvenzplan abschließen, einer Art gerichtlichem Vergleich mit den Gläubigern. Beim Schutzschirmverfahren ist der Insolvenzplan sogar als Sanierungsinstrument der ersten Wahl vorgesehen. Eine StaRUG-Restrukturierung wird mit einem Restrukturierungsplan abgeschlossen, der einem Insolvenzplan sehr ähnlich ist.
Der Vorteil: Durch den Restrukturierungs- bzw. Insolvenzplan bleibt die Gesellschaft des Zeitarbeitsunternehmens erhalten. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, da an der Gesellschaft – dem sogenannten Rechtsträger – in der Regel die Genehmigungen (z.B. AÜG-Lizenz) des Zeitarbeitsunternehmens hängen.
Wenn sie professionell vorbereitet und durchgeführt werden, bieten die genannten Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren einen verlässlichen Rahmen, um notwendige Veränderungsprozesse in einem Zeitarbeitsunternehmen in kurzer Zeit umzusetzen.
Der Autor
Tobias Hirte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. Er und Schultze & Braun haben auch als gerichtlich bestellte Sanierer bereits mehrere Zeitarbeitsunternehmen in Krisensituationen begleitet und sie bei ihren Sanierungen beraten und unterstützt.