Bestellung eines gesonderten Vertreters bei Inanspruchnahme einer vom Geschäftsführer mittelbar beherrschten Gesellschaft

07. März 2022 Newsletter Insolvenzrecht

Will eine GmbH wegen einer Pflichtverletzung gegen einen ihrer Geschäftsführer einen Ersatzanspruch geltend machen, so stellt sich die Frage, ob sie einen besonderen Vertreter auch dann bestellen kann, wenn der Geschäftsführer nicht selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll. Dies bejaht der BGH in seiner zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheidung vom 30.11.2021.

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Prof. Dr. Andreas J. Baumert
Prof. Dr. Andreas J. Baumert

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

BGH: Bei Inanspruchnahme einer vom Geschäftsführer mittelbar beherrschten Gesellschaft kann ein gesonderter Vertreter bestellt werden

GmbHG § 46 Nr. 8
BGH, Urteil vom 30.11.2021 - IX ZR 8/21 (OLG Hamburg)

I. Leitsatz des Verfassers
Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, kann ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.

II. Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, nimmt die beklagte GmbH in Anspruch, deren Alleingesellschafter die L GmbH ist. Dessen Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist R. Der Geschäftsführer der Klägerin war seit Ende ebenfalls 2008 R., wobei ab August 2010 ein weiterer Geschäftsführer bestellt wurde.

Die Klägerin hatte aus einem Unternehmenskaufvertrag Teilschiedsklage erhoben. Dazu wurde ein Prozessfinanzierungsvertrag geschlossen. Die Gesellschafter der Klägerin fassten am 14./15.6.2016 einen Beschluss, in dem der Insolvenzverwalter der Gesellschafterin H (LGU 3), Rechtsanwalt B, ermächtigt wurde, die Rechtsanwälte H. mit der Erhebung einer Klage gegen die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages zu beauftragen. Klage wurde erhoben. Die Klage wurde abgewiesen, wogegen die Klägerin sich mit ihrer Berufung gewandt hat. Während des Berufungsverfahrens erging einstimmig der Beschluss der Gesellschafterinnen der Klägerin, dass der Insolvenzverwalter der H. im Beschluss vom 15./16.6.2016 als besonderer Vertreter iSd § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG (analog) ermächtigt worden ist und ermächtigt werden sollte.

Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, die Klage sei unzulässig. Der wirksamen Klageerhebung stehe die mangelnde gesetzliche Vertretungsbefugnis (§ 51 As. 1 ZPO) des besonderen Vertreters entgegen.

Mit der vom Zweiten Zivilsenat zugelassenen Revision wird die Klage weiterverfolgt.

III. Rechtliche Wertung
Der Zweite Zivilsenat führt aus, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne entsprechend § 46 Nr. 8 GmbHG ein besonderer Vertreter bestellt werden zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll (Urt. Rn. 18). § 46 Nr. 8 GmbHG solle die unvoreingenommene Prozessführung der Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung berufenen Geschäftsführer insgesamt oder teilweise nicht als Vertretungsorgan in Betracht kommen, weil die Gefahr bestehe, dass sie wegen der eigenen Betroffenheit befangen seien (Urt. Rn. 19 mwN der Rechtsprechung).

Im Hinblick auf den Normzweck sei nach Rechtsprechung des BGH eine entsprechende Anwendung des § 46 Nr. 8 GmbHG bei Prozessen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter möglich, wenn dem Gesellschafter neben dem Geschäftsführer dieselbe oder eine in engem Zusammenhang stehende Pflichtverletzung vorgeworfen werde.

Die Kompetenz der Gesellschafter aus § 46 Nr. 8 GmbHG zur Bestellung eines besonderen Vertreters sei auch auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft gegen eine von ihrem Geschäftsführer mittelbar beherrschte Gesellschaft zustehe, zu erstrecken (Urt. Rn. 20). Auch in einem solchen Fall bestehe die Gefahr, dass Ansprüche der Gesellschaft nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden, wenn die Entscheidung darüber auch dem Geschäftsführer obliege, dessen persönliche und wirtschaftliche Interessen auch im Hinblick auf seine mittelbare Beteiligung und Beherrschung des Anspruchsgegners betroffen seien (Urt. Rn. 20).

Die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessfinanzierungsvertrages falle unter die Geltendmachung eines Ersatzanspruches iSv § 46 Nr. 8 GmbHG (Urt. Rn. 21). Zu den Ersatzansprüchen zählten auch alle aus der Geschäftsführung hergeleiteten Ersatzansprüche auf vertraglicher oder außervertraglicher Grundlage (Urt. Rn. 21; BGHZ 97, 382, 390 f). Der Bestellung eines besonderen Vertreters stehe nicht entgegen, dass es weitere Geschäftsführer gebe, die nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft in einem Prozess grundsätzlich übernehmen könnten (Urt. Rn. 22). Die Gesellschafter müssten sich nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, kraft ihrer Weisungsbefugnis Einfluss auf den weiteren Geschäftsführer zu nehmen und die Prozessführung zur Durchsetzung der Ersatzansprüche mittels Weisungen der Gesellschafterversammlung zu lenken (Urt. Rn. 23). Einem weiteren Geschäftsführer könnte es in einer solchen Situation an der erforderlichen Unvoreingenommenheit fehlen.

Das Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO könne nicht verneint werden. Die Klageerweiterung erfülle die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO.

IV. Praxishinweis
Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung, die zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ist, zu Recht klargestellt, dass für die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer führt, auch dann ein gesonderter Vertreter bestellt werden kann, wenn der Anspruch lediglich gegen eine von diesem Geschäftsführer mittelbar beherrschte Gesellschaft eingeklagt wird. Der BGH hat in casu auch entschieden, dass die Bestellung von einem besonderen Vertreter nicht dadurch gehindert ist, dass noch ein weiterer Geschäftsführer vorhanden ist. Dies überzeugt allein schon deshalb, weil dieser Geschäftsführer möglicherweise durch seinen Mitgeschäftsführer einem gewissen Druck ausgesetzt ist.

Sind die Voraussetzungen des § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG jedenfalls in entsprechender Anwendung erfüllt, so bestellt die Gesellschaft einen besonderen Vertreter. Die Bestellung eines besonderen Vertreters kann mittels einer Erteilung einer Prozessvollmacht unmittelbar durch die Gesellschafterversammlung vorgenommen werden; sie ist aber auch zum Abschluss eines Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags zuständig (Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 46 Rn. 71a). Der besondere Vertreter handelt nach hM dann nicht aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft gem. § 41 Abs. 1 ZPO, sondern als gesetzlicher Vertreter gem. § 46 Nr. 8 GmbHG (Saenger/Bendtsen, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 51 Rn. 7).

Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas J. Baumert, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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