Portfoliobereinigung: Sanierung im geschützten Raum

10. September 2025 Verfahren Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung Wirtschaftsrecht

Einzelne Tochtergesellschaften aus dem Portfolio einer Unternehmensgruppe auszugliedern ist alles andere als einfach. Zahlreiche rechtliche Fallstricke machen den Prozess herausfordernd und mitunter risikoreich. Doch mit der entsprechenden Expertise und Vorbereitung stehen die Chancen für eine erfolgreiche Umsetzung gut. Dr. Dietmar Haffa von Schultze & Braun erläutert, warum eine Sanierungsgesellschafter-Lösung definitiv keine Notlösung darstellt, sondern vielmehr die erste Wahl sein kann.

Herr Dr. Haffa, bei Sanierungen und Restrukturierungsbemühungen von Unternehmensgruppen ist es ein mitunter notwendiger Schritt, sich von Tochterunternehmen zu trennen. Warum ist das so? 

Haffa: Im Grunde ist das nichts anderes, als wenn man sich in anderen Lebensbereichen auch Gedanken darüber macht, inwieweit die Rahmenbedingungen noch dazu passen, wie man aufgestellt ist. Das kennt jeder von sich selbst, wenn man etwa sein Auto, seine Wohnung oder seinen Job hinterfragt und auf den Prüfstand stellt – wenn sich die Lebensumstände ändern. Denn nichts ist so beständig wie der Wandel! Das gilt auch in der Wirtschaft – auch wenn die Beweggründe dort selbstverständlich andere sind, beispielsweise, wenn eine Gesellschaft wegen einer strategischen Neuausrichtung nicht mehr ins Portfolio passt, Geschäftsfelder ganz aufgegeben werden müssen, ESG-Kriterien eine Trennung unumgänglich machen oder die wahrgenommene Dissonanz zwischen Mutter- und Tochterunternehmen in den Augen der Öffentlichkeit für Unruhe sorgt. Eine Ausgliederung ist da ein üblicher Schritt zur Lösung und zur Anpassung an neue Rahmenbedingungen. 

Üblich ja, aber dennoch ist eine solche Entkonsolidierung nicht immer ganz so einfach

Haffa: In der Tat. Beispielsweise kann es vorkommen, dass das Mutterunternehmen nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um einen vorab vereinbarten negativen Kaufpreis zu garantieren – etwa, wenn man sich von einer defizitären Tochtergesellschaft trennen will oder sogar muss, um die gesamte Gruppe zu erhalten. Da geht es mitunter um sehr hohe Beträge, die in einer Sanierung praktisch unmöglich aufzubringen sind. Darüber hinaus kann eine Restrukturierung, ein Verkauf oder eine Ausproduktion und Liquidation zu handfesten Konflikten zwischen der Unternehmensführung und den Arbeitnehmern sowie deren Vertretung führen. Mitunter geht das so weit, dass sogar die breitere Öffentlichkeit ein Faktor in diesem Konflikt wird. 

Inwiefern?

Haffa: Denken Sie beispielsweise an die negativen Effekte, die kritische Berichterstattung und öffentlichen Angriffe auf den Geschäftsbetrieb haben können. Das kann das Vertrauen von Lieferanten und Partnern empfindlich belasten und auch die handelnden Personen in der öffentlichen Wahrnehmung negativ markieren. Das alles ist nicht selten, im Gegenteil, und gerade in Sanierungsfällen sollte das dringend ernstgenommen werden. 

Sie sprechen sich in solchen Fällen auch für Sanierungsgesellschafter-Lösungen aus. Was ist das?

Haffa: Die Sanierungsgesellschafter-Lösung sieht so aus, dass ein professioneller und erfahrener Restrukturierungsexperte die entsprechende Gesellschaft im Rahmen einer Beteiligung übernimmt. Er kauft also die Gesellschaftsanteile. Das Tochterunternehmen ist damit aus der Muttergesellschaft ausgegliedert, wird aber weiter und in den Grenzen des § 290 des Handelsgesetzbuchs / IFRS 10 in Abstimmung mit ihr weitergeführt – etwa, um bestehende Kundenbeziehungen nicht zu belasten, kann dieser Status für einen bestimmten Zeitraum sichergestellt werden. Währenddessen kann der Sanierungsgesellschafter dann in dieser Rolle das ehemalige Tochterunternehmen sanieren, verkaufen oder eben die Ausproduktion und Liquidation vorantreiben, ohne dass die ehemalige Mutter davon betroffen ist. 

Könnten Sie das eventuell an einem Beispiel verdeutlichen? 

Haffa: Gerne. Wir hatten beispielsweise den Fall eines Fertighaus-Produzenten, der eine Betriebsaufspaltung vorgenommen hat. Wir haben dabei eine der Gesellschaften, die dadurch entstanden sind, übernommen und eine Eigensanierung durchgeführt. Das hat insgesamt mehrere Jahre gedauert. Dabei ist es uns gelungen, die Finanzierung über die Hausbanken sicherzustellen. Und uns ist in diesem Rahmen nicht nur die Eigensanierung geglückt, sondern wir konnten den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft in Abstimmung mit den maßgeblichen Beteiligten sogar über einen Asset Deal verkaufen. Er blieb mit dieser übertragenen Sanierung dauerhaft erhalten.

Was muss ein solcher Sanierungsgesellschafter mitbringen? Kann das jeder Rechtsanwalt machen, der sich dazu berufen fühlt? 

Haffa: Nein, das ist ja ein hochkomplexer Vorgang, der mit großer Verantwortung einhergeht. Insofern braucht ein Sanierungsgesellschafter operative und rechtliche Kenntnisse in der eigenverantwortlichen Fortführung sowie dem Verkauf und der Abwicklung und Liquidation von Unternehmen und über die allgemeinen wirtschaftsrechtlichen Spielräume, in denen sich so ein Projekt bewegt. Wichtig sind zudem neben der Expertise auch die entsprechenden Kapazitäten für die Umsetzung über einen Zeitraum von durchaus mehreren Monaten oder sogar Jahren. Das sind die Grundlagen. Ein Sanierungsgesellschafter muss außerdem wissen, wie man mit den wesentlichen Beteiligten interagiert: mit Arbeitnehmern, Kunden, Partnerunternehmen, Lieferanten, Kreditgläubigern und so weiter. Es geht ums Moderieren und Koordinieren, ums Planen und Umsetzen. Es müssen wesentliche unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Es braucht Expertise, was Zahlungsunfähigkeitsfragen angeht, und die damit verbundenen zivil- und strafrechtlichen Risiken. Kurz: Menschen, die Sanierungsgesellschafter-Projekte erfolgreich und verlässlich umsetzen können, wachsen nicht auf Bäumen. 



Dr. Dietmar Haffa

ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Diplom-Betriebswirt bei der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. Er ist Experte für Sanierungs- und Insolvenzberatung und hat bereits zahlreiche Unternehmen bei ihren Sanierungen als Insolvenzverwalter oder Sachwalter begleitet.