Konzern­insolvenz­recht 2017

Update zur EuInsVO und zum Konzern­insolvenz­recht BT Drucksache 18/11436 v. 8. März 2017

Der deutsche Gesetzgeber hat das Insolvenzrecht für Konzerne reformiert. Die Sanierungschancen für Tochterfirmen eines insolventen Konzerns werden in Zukunft durch die Bündelung bei einem einzigen Gericht erhöht. Dadurch können die einzelnen Verfahren besser aufeinander abgestimmt werden.

Schultze & Braun hat nachfolgend verschiedene Informationen zum Konzern­insolvenz­recht als PDF zum Download oder Ausdruck bereitgestellt.

1. Europa

Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. L 141/19 vom 5. Juni 2015, S. 19

Zur Verordnung

Vgl. Kapitel V: Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe

Bitte beachten Sie zur Reform der EuInsVO 2015 auch unsere separate Seite EuInsVO Reform 2015

2. Deutschland
a. Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung

1) Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren vom 5. Juni 2017, BGBl. I 2017, 1476 
Vgl. Art. 102c §§ 22 ff. EGInsO

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2) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 26. April 2017, BT-Drs. 18/12154 

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3) Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 11. Januar 2017, BT-Drs. 18/10823 

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b. Insolvenzordnung

1) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 13. April 2017, BGBl. I 2017, 866

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2) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 8. März 2017, BT-Drs. 18/11436

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3) Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 30. Januar 2014, BT-Drs. 18/407

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3. Synopse: Konzern­insolvenz­recht EuInsVO vs. InsO

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4. Überblick: Konzern­insolvenz­recht im Ausland
a. USA

In den Vereinigten Staaten können Insolvenzverfahren von mehreren Mitgliedern einer Unternehmensgruppe vor demselben Insolvenzgericht entweder per „Joint Administration“ oder per „Substantive Consolidation“ verbunden werden.

1) Joint-Administration: Die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der schuldnerischen Gesellschaften im Unternehmensverbund werden nicht miteinander vereinigt, sondern jeder Schuldner wird als getrennte Rechtsperson behandelt, aber das Verfahren (Hearings, Schriftsätze, Entscheidungen, Berichte, etc.) läuft prozessual einheitlich für alle Schuldner ab. Dieser Mechanismus wird am häufigsten bei Gruppeninsolvenzen eingesetzt und berührt grundsätzlich nicht die Rechte der Gläubiger.

2) Substantive Consolidation: Alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der schuldnerischen Gesellschaften im Unternehmensverbund werden zu einer einzelnen Insolvenzmasse vereinigt und dann verteilt. Dieser Mechanismus ist umstritten, da er wesentliche Rechte der Verfahrensbeteiligten berührt und die Gläubigerrechte beeinträchtigen kann.

3) Ein Überblick über Joint Administration und Substantive Consolidation ist hier als PDF verfügbar

4) Der United States Court of Appeals for the Sixth Circuit hat sich unlängst mit der Substantive Consolidation befasst und begründet, weshalb der Chapter 7-Trustee mit seinem Vortrag den Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen für eine Substantive Consolidation nicht genügt hat. Die Ausführungen des Gerichts zur Substantive Consolidation sind in Abschnitt III (B) der Entscheidung enthalten. Hier geht es zum PDF

5) Für einen kurzen Überblick zum US-amerikanischen Insolvenzverfahren: 

Zum US-Court

b. Frankreich

1) Allgemeine Zuständigkeitskonzentration 

Artikel L. 662-8 nF des französischen Handelsgesetzbuches, eingeführt durch das sogenannte Macron-Gesetz vom 6. August 2015, sieht vor, dass das mit einem  Verfahren über ein Unternehmen einer Gruppe befasste Insolvenzgericht auch für die Insolvenzverfahren der nachfolgenden Unternehmen der Unternehmensgruppe zuständig sind.

Das befasste Gericht kann weiterhin gemeinsame Verwalter für die Verfahren bestellen. Eine Koordination ist nicht mehr vorgesehen.

Damit wird dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, durch die Reihenfolge der Antragsstellung, die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die gesamte Unternehmensgruppe zu definieren. 

Allerdings ist vorgesehen, dass die über kontrollierte Unternehmen zu eröffnenden Verfahren an ein spezialisiertes Handelsgericht verwiesen werden, sofern dieses bereits mit der Insolvenz der Muttergesellschaft befasst ist.

2) Zuständigkeitskonzentration bei spezialisierten Handelsgerichten 
Ebenfalls durch das Macron-Gesetz mit Wirkung zum 1. März 2016 wurden 18 spezialisierte Handelsgerichte und eine spezialisierte Kammer für Handelssachen am Landgericht in Strasbourg geschaffen, um die effektive Bearbeitung im Falle von Großverfahren, Konzernsachverhalten und internationalen Verfahren zu gewährleisten. 

2.1 Sachliche Zuständigkeit
Diese Gerichte sind ausschliesslich zuständig, sofern ein Unternehmen oder die vom ihm gehaltenen bzw. kontrollierten Unternehmen einen Nettoumsatz iHv mindestens 40 Mio € erwirtschaften bzw. mindestens 250 Mitarbeiter beschäftigen und einen Nettoumsatz iHv mindestens 20 Mio € erwirtschaften.

Die Zuständigkeit besteht auch bei internationalen Verfahren, innerhalb und ausserhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO.

Sie bezieht sich sowohl auf die Insolvenzverfahren (Sauvegarde, redressement, liquidation) als auch auf die conciliation.

2.2 Örtliche Zuständigkeit
Örtlich zuständig ist das Gericht am Sitz des Mutterunternehmens.

Sofern interessengerecht, können die Berufungsgerichte bzw. der Kassationsgerichtshof anhängige Verfahren an andere Gerichte und insb. auch spezialisierte Insolvenzgerichte auf Antrag des Schuldners, des Fremdantrag stellenden Gläubigers, des Gerichtspräsidenten oder der Staatsanwaltschaft verweisen. Eine im Rahmen der Conciliation erfolgte Verweisung gilt auch für ein nachfolgendes Insolvenzverfahren.

c. Italien

Die italienische Insolvenzordnung ("Legge Fallimentare - L.F.") enthält keine Regelungen zum Konzern­insolvenz­recht. Gleichwohl sind in der Praxis Versuche unternommen worden, insbesondere in Vergleichsverfahren mehr oder weniger akzentuierte Elemente der Koordination, der die konzernangehörigen Unternehmen betreffenden Vergleichsverfahren einzubringen. Der italienische Kassationsgerichtshof hat entsprechende Vorstöße indessen abschlägig beschieden und festgestellt, dass angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Regelung Konzernvergleichsverfahren unzulässig sind, so dass in Bezug auf jede einzelne konzernangehörige Gesellschaft beim jeweils zuständigen Insolvenzgericht ein Vergleichsantrag zu stellen ist, wobei eine Vermischung der Aktiv- und Passivmasse a priori ausgeschlossen ist.

Spezialgesetzlich finden sich hingegen insbesondere in der legge Prodi betreffend die Insolvenz von Unternehmen mit einer hohen Mitarbeiterzahl im weitesten Sinne konzernrechtliche Regelungen.

De lege ferenda sind in dem am 10.2.2016 von der Regierung Renzi verabschiedeten Referentenentwurf der sog. Kommission Rordorf betreffend die umfassende Reform des Insolvenzrechts Bestimmungen vorgesehen, welche die Durchführung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens für eine Mehrzahl von unterschiedlichen Konzerngesellschaften erlauben sollen. Hierzu werden besondere Regelungen für die Zwecke der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sowie gegenseitige Informationspflichten der jeweiligen Organe im Falle der Anhängigkeit von Verfahren bei einer Mehrzahl von Gerichtsbehörden implementiert. Des Weiteren wird die Möglichkeit vorgesehen, einen einheitlichen Antrag gerichtet auf gerichtliche Bestätigung eines Schuldenbereinigungsabkommens betreffend aller Konzernverbindlichkeiten bzw. eines alle Konzerngesellschaften betreffenden präventiven Vergleichsverfahrens zu stellen, wobei entweder ein einheitlicher oder aber eine Mehrzahl von Plänen erstellt werden kann. In jedem Falle ist auch im Rahmen der Konzerninsolvenz die Autonomie der Aktiva und Passiva der einzelnen Konzernunternehmen zu wahren, so dass es insoweit nicht zu Vermischungen kommen darf. Die italienische Abgeordnetenkammer (camera dei deputati) hat am 1.2.2017 den Gesetzesentwurf (legge n. 3671- bis) betreffend die Umsetzung des der Rordorf-Reform verabschiedet, der nun noch der Billigung durch den italienischen Senat (senato della repubblica) bedarf.