Aufschlag, Satz … Niederlage!

Insolvenzstraftatbestände in Großbritannien, Polen, Italien, Frankreich und den USA

Der Fall des insolventen und mittlerweile verurteilten und im Gefängnis sitzenden Tennis-Grand-Slam-Champions Boris Becker erregte großes Aufsehen und ist Anlass für uns, die Haftungsregime mehrerer ausgewählter Staaten näher darzustellen.

Der deutsche Staatsangehörige und ehemalige Wimbledon-Champion wurde am 21. Juni 2017 in London wegen eines nicht zurückgezahlten Darlehens für sein Anwesen auf Mallorca in Höhe von rund 4.600.000 Euro für insolvent erklärt. Das Insolvenzgericht folgte damit einem Antrag der Londoner Privatbank Arbuthnot Latham & Co. Laut des Eröffnungsbeschlusses (Bankruptcy Order) wäre Boris Becker verpflichtet gewesen, dem Treuhänder eine vollständige Vermögensauskunft zu erteilen und Kreditgebern bei einer Kreditaufnahme ab 500 GBP seinen Status als insolvenzbehaftete Person offenzulegen. Der amtliche Insolvenzverwalter von Beckers Vermögen stellte jedoch eine Reihe nicht offengelegter Transaktionen im Wert von mehr als 4.500.000 GBP fest, die in einem Zeitraum zwischen Mai und Oktober 2017 – also kurz vor und nach dem Eröffnungsbeschluss – stattgefunden hatten.

1. Großbritannien

Von Dr. Annerose Tashiro, Rechtsanwältin in Deutschland und Registered ­European Lawyer (London)

Die Tennislegende musste sich in der Folge wegen Verstoßes gegen gesetzliche Verpflichtungen zur Offenlegung von Informationen, Vermögenswerten und Finanztransfers vor Gericht verantworten. Am 29. April 2022 wurde Boris Becker vom Southwark Crown Court zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Verstoß gegen den UK Insolvency Act von 1986

Er wurde wegen 24 Verstößen gegen den UK Insolvency Act (IA) von 1986 angeklagt, aber nur in den folgenden vier Fällen der Begehung einer Straftat nach diesem Gesetz für schuldig befunden:

  • Entzug von Vermögenswerten im Wert von rund 427.000 Euro aus seiner Insolvenzmasse unter Verstoß gegen Section 354(2) IA 1986
  • Nichtoffenlegung des Eigentums an einer Immobilie in Deutschland unter Verstoß gegen Section 353(1) IA 1986
  • Verschleierung eines Darlehens der Bank Alpinum of Liechtenstein in Höhe von 825.000 Euro unter Verstoß gegen Section 354(1)(b) IA 1986
  • Nichtoffenlegung des Besitzes von 75.000 Aktien der Breaking Data Corp. unter Verstoß gegen Section 353(1) IA 1986

Verschleierung von Vermögenswerten

Die Sections 354 (1) und (2) IA 1986 sehen den Tatbestand der „Verschleierung von Vermögenswerten“ vor, der erfüllt ist, wenn der Insolvenzschuldner nach dem Eröffnungsbeschluss oder während der letzten zwölf Monate vor der Antragstellung Vermögensgegenstände nicht aushändigt oder sogar entfernt oder Schulden in Höhe von mehr als 1.000 GBP verschleiert hat.

Nichtoffenlegung

Der Section 353 (1) IA 1986 sieht den Tatbestand der „Nichtoffenlegung“ vor, wonach sich ein Insolvenzschuldner strafbar macht, wenn er dem Treuhänder oder dem Insolvenzverwalter nicht das gesamte zur Masse gehörende Vermögen oder jede diesbezügliche Verfügung offenlegt.

In beiden Fällen kann sich ein Insolvenzschuldner damit verteidigen, dass er nicht mit der Absicht zu betrügen oder der Verschleierung seiner Angelegenheiten handelte. Diese Verteidigung wird als innocent intention (unschuldige Absicht) bezeichnet.

Entlassung aus dem Insolvenzverfahren

Zusätzlich zu seiner Verurteilung wurde Beckers Entlassung aus dem Insolvenzverfahren auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Das Vereinigte Königreich war in der Vergangenheit ein beliebtes Ziel für Forum Shopping gewesen. Da Boris Becker aber seit vielen Jahren in London ansässig ist, tauchte dieses Thema jedoch nicht auf.

Insolvenzrechtliche Beschränkungsverpflichtung

Ferner unterliegt Boris Becker einer zwölfjährigen insolvenzrechtlichen Beschränkungsverpflichtung (Bankruptcy Restriction Undertaking, BRU), die am 17. Oktober 2019 in Kraft trat. Ein solches BRU hindert ihn daran, Geschäftsführer eines Unternehmens zu werden und Kredite von mehr als 500 GBP aufzunehmen, ohne dem Kreditgeber seine eigene Insolvenz mitzuteilen, oder sich ohne gerichtliche Genehmigung an der Leitung eines Unternehmens zu beteiligen.

In der Regel wird ein BRU nach einem Jahr aufgehoben. Aufgrund der Art der Handlungen von Boris Becker und um eine weitere Schädigung der Gläubiger zu verhindern, verfolgte der Insolvenzverwalter eine Verlängerung dieser Beschränkungen.

Ausweisung aus GB

Boris Becker ist derzeit in England inhaftiert. Nach den Ausweisungsvorschriften wird jedoch bei jedem wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Ausländer eine Ausweisung geprüft. Daher droht Boris Becker als weitere Konsequenz die Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich. Der britische Insolvency Act von 1986 bildet die rechtliche Grundlage für alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Insolvenz von Privatpersonen und Unternehmen im Vereinigten Königreich und enthält auch Regelungen zu Insolvenzdelikten. Gem. Sections 353-360 des IA 1986 macht sich ein Insolvenzschuldner (in der Absicht, Gläubiger zu betrügen oder ihre Angelegenheiten zu verschleiern) strafbar, wenn er:

  • Insolvenz­straftaten dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder nicht gesamte Vermögen offenlegt (Section 353);
  • das zur Masse gehörende Vermögen verschleiert (Section 354); wobei eine Begehung dieser Straftat sowohl während der Insolvenz als auch in den zwölf Monaten vor dem Insolvenzantrag oder in der Anfangsphase möglich ist; der Schwellenwert liegt bei 1.000 GBP;
  • es ohne rechtfertigenden Grund versäumt, auf Aufforderung des Insolvenzverwalters, des Treuhänders oder des Insolvenzgerichts Rechenschaft oder eine Erklärung über einen Verlust abzugeben, der in den letzten zwölf Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrags aufgetreten ist (Section 354[3]);
  • die vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder angeforderten Bücher und Unterlagen nicht vorlegt (Section 355);
  • Bücher und Unterlagen verschleiert, vernichtet oder fälscht (Section 355[2] und [3]). Dieser Straftatbestand gilt auch für die zwölf Monate vor Stellung des Insolvenzantrags oder die Anfangsphase. In Bezug auf (in Section 355[5] definierte) Geschäftsunterlagen wird dieser Zeitraum jedoch auf zwei Jahre verlängert;
  • in Erklärungen, die im Rahmen der Insolvenz abgegeben wurden, wesentliche Informationen auslässt (Section 356 [1]);
  • falsche Schulden, fiktive Verluste oder Ausgaben ausweist sowie sonstige Falschangaben macht oder betrügerische Handlungen begeht (Section 356 [2]). Falsche Angaben oder Betrug können unabhängig vom Zeitpunkt der Begehung im Rahmen dieser Bestimmung verfolgt werden;
  • innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Insolvenzeröffnung betrügerische Schenkungen oder Übertragungen von Vermögenswerten vornimmt (Section 357);
  • Eigentum im Wert von mindestens 1.000 GBP an Orte außerhalb von England und Wales verbringt (Section 358);
  • in den letzten zwölf Monaten vor dem Insolvenzantrag oder in der Anfangsphase in betrügerischer Absicht über ein auf Kredit erworbenes Vermögen verfügt (Section 359);
  • Kredite ab 500 GBP aufnimmt oder Geschäfte unter einem anderen Namen ohne Offenlegung seines Insolvenzstatus tätigt (Section 360).

Strafverfolgung

Eine Strafverfolgung wegen der vorgenannten Straftaten kann nur durch den Secretary of State (Minister) oder durch den Director of Public Prosecutions (Generalstaatsanwalt) bzw. mit dessen Zustimmung eingeleitet werden.

Bei der Analyse der einschlägigen Bestimmungen des IA ist anzumerken, dass die Begehung einiger der oben genannten Straftaten, z. B. nach Section 353, nur während der Dauer der Insolvenz möglich ist. Andere Bestimmungen gelten sowohl während dieses Zeitraums als auch in den zwölf Monaten vor dem Insolvenzantrag (zwei Jahre im Falle der Verschleierung u. a. von Geschäftsunterlagen) sowie in der Zeit zwischen dem Antrag und dem Eröffnungsbeschluss. Betrügerische Schenkungen und Übertragungen, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden, fallen unter Section 357.

Grundsätzliche Regelungen

Im Allgemeinen können Insolvenzdelikte wie folgt begangen werden:

  • durch Handlungen oder Unterlassungen des Insolvenzschuldners nach Erlass eines gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses oder
  • durch die Handlungen des Insolvenzschuldners vor der Einleitung des Insolvenzverfahrens.

Insbesondere der Zeitraum von zwölf Monaten vor der Insolvenzeröffnung ist für verschiedene dieser Straftaten unabhängig davon relevant, ob der Insolvenzschuldner während dieses Zeitraums zahlungsunfähig, also überschuldet oder illiquide war.

Die Höchststrafe für jede Insolvenzstraftat ist im IA 1986, Abschnitt 10, festgelegt. Die meisten Insolvenzstrafvorschriften sehen im Falle einer Anklage einen Strafrahmen von bis zu sieben Jahren Haft und im Falle einer Verurteilung im Schnellverfahren von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe und/oder eine Geldstrafe vor. Die Straftaten nach den Sections 357, 358 und 360 werden mit bis zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft bestraft.

Disqualifizierungsanordnung

Darüber hinaus kann die Krone eine Einziehungsanordnung gem. dem ­Proceeds of Crime Act 2002 und eine Disqualifikationsanordnung gem. dem Company Directors Disqualification Act 1984 beantragen.

In diesem Fall wurde keine Anordnung zur Disqualifikation als Geschäftsführer erlassen, da Boris Becker nach wie vor ein nicht entlasteter Insolvenzschuldner ist und daher in keinem Fall Geschäftsführer sein kann. Eine Einziehungsanordnung wurde wegen des noch laufenden Insolvenzverfahrens nicht erlassen.

Allerdings kann bei Vorliegen von Beweisen für ein Fehlverhalten nach dem Company Director Disqualification Act 1986 eine Disqualifikationsanordnung erlassen werden. Bei der Entscheidung über die Angemessenheit einer Disqualifikation kann das Gericht eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, darunter die missbräuchliche Verwendung von Gesellschaftsmitteln, das Ausmaß der Verantwortung des Geschäftsführers für das Versäumnis der Gesellschaft, Buchhaltungsunterlagen zu führen oder aufzubewahren, Jahresabschlüsse vorzulegen oder die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen der Gesellschaft zu führen, die Verantwortung des Geschäftsführers für die Insolvenz der Gesellschaft sowie Betrug.

Das Gesetz gilt nicht nur für Personen, die formell zum Geschäftsführer bestellt wurden, sondern auch für Personen, die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrgenommen haben, sowie für Schattengeschäftsführer.

In der Anordnung gegen einen ungeeigneten Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft wird die Dauer der Disqualifikation festgelegt, wobei die Mindestdauer zwei Jahre und die Höchstdauer 15 Jahre beträgt.

Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Gerichts verbietet eine Disqualifikationsanordnung einer Person, als Direktor eines Unternehmens zu handeln, sich unmittelbar oder mittelbar an der Förderung, Gründung oder Verwaltung eines Unternehmens zu beteiligen, als Insolvenzverwalter tätig zu sein oder das Vermögen eines Unternehmens zu verwalten.

Alle Disqualifikationsanordnungen werden beim Handelsregister (Companies House) eingetragen, das ein öffentlich zugängliches Register aller Disqualifikationsanordnungen führt. Es gibt auch eine von der Insolvenzbehörde betriebene Online-Einrichtung, die der Öffentlichkeit Einzelheiten über die jüngsten Disqualifikationen zusammen mit dem unzulässigen Verhalten, das zur Disqualifikation geführt hat, zur Verfügung stellt.

Eine Zuwiderhandlung gegen eine Disqualifikationsanordnung erfüllt einen Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer unbegrenzten Geldstrafe oder beidem geahndet werden kann.

Freiwilliger Vergleich

Ebenso macht sich ein Schuldner, der einen freiwilligen Vergleich mit seinen Gläubigern abschließen will, strafbar, wenn er falsche Angaben macht oder anderweitig einen Betrug begeht, um die Zustimmung seiner Gläubiger zu einem freiwilligen Vergleichsvorschlag zu erhalten (Section 262A).

In einem solchen Fall markiert der freiwillige Vergleich entgegen seiner eigentlichen Funktion als Instrument zur Rettung und Wiederherstellung den Beginn eines zusätzlichen Problems für den Schuldner.

Wer eine solche Straftat begeht, wird mit einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren bestraft. Straftaten können jedoch nicht nur von natürlichen Personen begangen werden. Auch Unternehmen und deren leitende Angestellte können eine Reihe von insolvenz- und gesellschaftsrechtlichen Straftaten begehen, die sie dem Risiko eines Ermittlungsverfahrens der Insolvenzbehörde aussetzen. Die Liste der Straftaten ist im Insolvency Act von 1986 festgelegt und findet weitgehend auch auf natürliche Personen Anwendung.

Zusammenspiel verschiedener gesetzlicher Vorschriften

Hierbei ist zu beachten, dass nicht jedes strafbare Verhalten im Zusammenhang mit der Insolvenz eines Unternehmens im Rahmen des IA 1986 der Strafverfolgung unterliegt. Häufig kommt es zu Überschneidungen zwischen Straftaten nach dem IA 1986 und anderen gesetzlichen Bestimmungen. So können beispielsweise Straftaten gem. IA 1986, die sich auf falsche Angaben beziehen, nach dem Fraud Act 2006 (Betrug durch falsche Angaben) verfolgt werden. Straftaten nach dem Fraud Act 2006 im Zusammenhang mit betrügerischen Geschäften (z. B. die Führung eines Unternehmens mit der Absicht, Gläubiger zu betrügen) werden normalerweise nach dem Companies Act 1985 (CA 1985) verfolgt.

Die Höchststrafe für jede Straftat ist im IA 1986, Abschnitt 10, festgelegt. Bei einigen Straftatbeständen beträgt die Höchststrafe sieben Jahre Freiheitsentzug oder Geldstrafe oder beides.

2. Polen

Von Dr. Alexandra Josko de Marx, LL.M., Rechtsanwältin

Die Verurteilung Boris Beckers, der beträchtliches Vermögen in seinem britischen Insolvenzverfahren verheimlicht hatte, sorgte auch in Polen für Schlagzeilen. Dort regelt das polnische Insolvenzgesetz Prawo upadłościowe (PInsG) seit 2009 neben der Insolvenzfähigkeit von Unternehmern auch die Verbraucherinsolvenz. Mit dem Änderungsgesetz Ustawa o zmianie ustawy – Prawo upadłościowe i naprawcze, ustawy o Krajowym Rejestrze Sądowym oraz ustawy o kosztach sądowych w sprawach cywilnych vom 29. August 2014 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren einer umfangreichen Neuregelung zugeführt. Zweck der überarbeiteten Bestimmungen in den Artt. 4911 ff. PInsG war vornehmlich die Beseitigung der bis dato bestehenden Barrieren beim Zugang zur Restschuldbefreiung. Zudem war zuvor die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens dann nicht möglich gewesen, wenn der Schuldner für die Kosten des Verfahrens (bei Eröffnung oder später) nicht aufkommen konnte. Bereits kurz nach dem Wegfall dieser Hürden war in Polen ein sprunghafter Anstieg von Verbraucherinsolvenzen zu verzeichnen, der nach wie vor anhält: Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Anträge gegenüber dem Vorjahr um 64 %. Mit den anhaltenden Reformen und der damit einhergehenden weiteren Vereinfachung (u. a. Digitalisierung) des Verbraucherinsol­venzverfahrens wird erwartet, dass dieser Trend anhält.

Anwendungs­bereich des Verbraucher­insolvenz­verfahrens

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist in den Artt. 4911–49123 PInsG geregelt. Es findet Anwendung für natürliche Personen, die nicht nach den allgemeinen Vorschriften der Artt. 5–7 PInsG insolvenzfähig sind – hierunter Unternehmen und natürliche Personen, die eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Für Letztere gelangen die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht zur Anwendung. Die in Deutschland geregelte Ausnahme in § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO (Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse) gibt es im polnischen Recht nicht. Nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (Art. 8 f. PInsG) kann das Verbraucherinsolvenzverfahren auch bei solchen natürlichen Personen Anwendung finden, die eine zuvor ausgeübte selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit zwischenzeitlich aufgegeben haben.

Insolvenzantragsberechtigung und -pflicht

Für Schuldner, die keine Verbrauchereigenschaft aufweisen, sowie – sofern es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder eine andere organisatorische Einheit ohne Rechtspersönlichkeit, welcher durch Gesetz die Rechtsfähigkeit verliehen worden ist, handelt – deren Vertreter besteht nach polnischem Recht eine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages binnen 30 Tagen ab dem Tage, an dem der Eröffnungsgrund eingetreten ist (Art. 21 Abs. 1 PInsG), mithin ab Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Eine Gesellschaft ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, und zwar seit mindestens 24 Monaten.

Kommt ein Antragspflichtiger seiner Pflicht zur Antragsstellung schuldhaft nicht nach, so haftet er für den durch die Unterlassung entstandenen Schaden (Art. 21 Abs. 3 PInsG).

Vorstandsmitglieder einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Spółka z ograniczoną odpowiedzialnością, sp. z o.o.) haften als Gesamtschuldner auch nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben für die offenen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, die nicht imstande ist, all ihren Zahlungspflichten nachzukommen, sofern sie ihrer Antragspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sind und sich eine Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft als erfolglos erwiesen hat (vgl. Art. 299 des polnischen Gesetzbuchs über die Handelsgesellschaften, Kodeks spółek handlowych, HGG).

Darüber hinaus kann über eine Person, die ihre Antragspflicht schuldhaft verletzt hat, ein bis zu zehnjähriges Verbot der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verhängt werden (Artt. 373 ff. PInsG).

Schließlich ist die Insolvenzverschleppung, mithin die schuldhafte Verletzung der Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzantrages rechtzeitig zu stellen, eine Straftat, welche gem. Art. 586 HGG mit einer Geldstrafe, einer Freiheitsbeschränkung oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden kann. Haftungsadressaten dieser Norm sind indes nur Vorstände oder Liquidatoren; die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift erstreckt sich (insbesondere) nicht auf Personen, die eine individuelle unternehmerische Tätigkeit ausüben und erst recht nicht auf Verbraucher, für die schon keine Pflicht zur Antragstellung besteht.

Antragsberechtigt im Verbraucherinsolvenzverfahren sind in Polen der Schuldner sowie – unter den Einschränkungen der Artt. 8 ff. PInsG – seine Gläubiger. Der Antrag ist mit den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben (Art. 4912 PInsG) an das für den Wohnort des Schuldners zuständige Insolvenzgericht zu stellen.

Weitere Eröffnungsvo­raussetzungen

Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist gem. Artt. 10, 11 PInsG die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten über einen längeren Zeitraum zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit wird nach Art. 11 Abs. 1a PInsG vermutet, wenn die Nichterfüllung der fälligen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten andauert.

Das Vorhandensein nur eines einzigen Gläubigers steht der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht entgegen. Ebenso wenig hindert der Umstand, dass die Kosten aus dem Schuldnervermögen nicht zur Kostendeckung des Verfahrens ausreichen, im Gegensatz zum regulären Insolvenzverfahren (Massearmut) die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. In diesem Fall kommt der Staat vorläufig für die anfallenden Kosten auf (Art. 4917 Abs. 1 PInsG). Eines erfolglosen Versuches, mit dem Schuldner eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, bedarf es – anders als in Deutschland – für die Stellung eines Fremdantrags ebenfalls nicht.

Bis März 2020 wurde der Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens grundsätzlich noch abgewiesen, sofern der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt oder vertieft hatte, indem er beispielsweise in Kenntnis seiner finanziellen Lage Verbindlichkeiten eingegangen ist. Diese negative Eröffnungsvoraussetzung galt vornehmlich der Sanktion eines vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Schuldners und wurde – neben anderen Änderungen – durch die letzte Gesetzesnovellierung abgeschafft.

Mitwirkungspflichten des Verbrauchers

Der Schuldner ist nach Art. 49110 Abs. 1 PInsG verpflichtet, gegenüber dem Insol­venzverwalter sein gesamtes Vermögen mit der dazugehörigen Dokumentation offenzulegen bzw. herauszugeben. Kommt er dieser – oder anderen auf ihm lastenden Verpflichtungen – nicht nach, stellt das Gericht als Sanktion auf Antrag des Insolvenzverwalters, eines Gläubigers oder von Amts wegen das Verbraucherinsolvenzverfahren ein, es sei denn, dies ist aus humanitären oder anderen Billigkeitsgründen nicht angezeigt. Dasselbe gilt nach Abs. 2, sofern die vom Schuldner übermittelten Daten unwahr oder unvollständig sind. Eine Einstellung erfolgt nach Abs. 3 nicht, sofern dies zu einer Benachteiligung eines Gläubigers führen würde.

In Polen ist nunmehr im Übrigen auch die Erteilung der Restschuldbefreiung an die Einhaltung der im Zahlungsplan geregelten Verhaltenspflichten des Schuldners geknüpft, Art. 49120 PInsG. Hierzu gehört insbesondere auch die wahrheitsgemäße Offenlegung von Vermögen.

Strafrechtliche Folgen für die Vereitelung der Gläubiger­befriedigung

Die Strafbarkeit für die Verheimlichung von Vermögenswerten und die daraus resultierende Vereitelung der Gläubigerbefriedigung regeln die Artt. 300–302 des polnischen Strafgesetzes (Kodeks Karny, PStGB) … und damit auch zurück zu den Parallelen im Fall Becker.

Art. 300 PStGB stellt die „Verhinderung der Befriedigung eines Gläubigers“ unter Freiheitsstrafe von bis zu acht Jahren. Schutzgegenstand dieser Norm ist der Schutz von Ansprüchen der Gläubiger vor unredlichem Verhalten des Schuldners, welches darauf abzielt, sie an der Erfüllung dieser berechtigten Ansprüche zu hindern. Die strafbare Handlung besteht in der vorsätzlichen vollständigen Vereitelung oder Minderung der Gläubigerbefriedigung im Wege der Entfernung, Verheimlichung, Veräußerung, Zerstörung, Belastung oder Beschädigung von Schuldnervermögen. Des tatsächlichen Eintritts eines Insolvenzgrundes bedarf es nicht. Ausreichend ist, dass eine potenzielle Insolvenzmasse geschmälert wird. Eine solche Bedrohung der Insolvenzmasse wird bejaht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zur Insolvenz kommt.

Sodann stellt Art. 301 § 1 PStGB unter (Freiheits-)Strafe, wer Gläubiger dadurch schädigt, dass er die Befriedigung ihrer Forderungen dadurch verhindert oder einschränkt, indem er auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen eine neue Wirtschaftseinheit gründet und sein Vermögen auf diese überträgt oder in gleicher Weise durch die Verschuldung bei mehreren Gläubigern deren Zahlungsunfähigkeit herbeiführt (§ 2). Gem. § 3 wird zudem mit Geldstrafe, Freiheitsbeschränkung oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft, wer als Schuldner mehrerer Gläubiger leichtfertig seine eigene Zahlungsunfähigkeit herbeiführt, insbesondere indem er Teile seines Vermögens vergeudet, Verbindlichkeiten eingeht oder Geschäfte tätigt, die den Grundsätzen der Sparsamkeit offensichtlich zuwiderlaufen.

Art. 302 PStGB wiederum stellt die Befriedigung ausgewählter Gläubiger bei zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit zum Nachteil der übrigen Gläubiger unter Strafe von bis zu drei Jahren.

Gem. Art. 307 PStGB kann das Gericht bei den vorgenannten Straftaten nach Artt. 300–302 StGB jedoch mildernde Umstände bei der Strafzumessung anwenden, sofern dem Gläubiger der ihm entstandene Schaden freiwillig ersetzt wurde.

3. Italien

Von Dr. Johannes Heck, Rechtsanwalt und Avvocato stabilito (Stuttgart/Bologna)

Einleitung

Verfahren zur Restschuldbefreiung natürlicher Personen sind im italienischen Insolvenzrecht – wie insgesamt im kontinentaleuropäischen Umfeld – ein vergleichsweise junges Phänomen. Nachdem in Italien die Esdebitazione (Entschuldung) für Unternehmer 2006 eingeführt worden war, wurde mit den Verfahren des Gesetzes Nr. 3 vom 27. Januar 2012 zur Crisi da sovraindebitamento (Überschuldungskrise) die verbliebene Lücke betreffend Verbraucher, Kleinunternehmer und andere nicht insolvenzfähige Schuldner geschlossen.

Konkursverfahren für Verbraucher, Kleinunternehmer und andere nicht insolvenzfähige Schuldner

Im Rahmen der jüngsten italienischen Sanierungs- und Insolvenzrechtsreform sind die Vorschriften der Legge Nr. 3/2012 in den neuen Codice della crisi d’impresa e dell’insolvenza (c.c.i.i.) integriert und reformiert worden.3 Zur Beilegung der Überschuldungskrise stehen hiernach weiterhin drei Verfahrensarten zur Verfügung: der Piano di ristrutturazione dei debiti für Verbraucher im Sinne von Art. 2 Abs. 1e c.c.i.i. (Schuldenrestrukturierungsplan, Art. 67–73 c.c.i.i.), der Concordato minore für Kleinunternehmer und andere nicht insolvenzfähige Subjekte im Sinne von Art. 2 Abs. 1c (Vergleichsverfahren, Art. 74–83 c.c.i.i.) sowie die Liquidazione controllata del sovraindebitato für Verbraucher und Kleinunternehmer (Liquidationsverfahren, Art. 268–277 c.c.i.i.). Die Entschuldung ist nunmehr grundsätzlich nach maximal drei Jahren seit Eröffnung des Liquidationsverfahrens zu gewähren (Art. 282 Abs. 1 c.c.i.i.).

Das italienische Recht sieht – vergleichbar den vorliegend interessierenden englischen Vorschriften – mehrere strafrechtliche Sanktionen im Rahmen der Konkursverfahren von Verbrauchern, Kleinunternehmern und anderen nicht insolvenzfähigen Schuldnern vor.

Straftatbestände bezüglich des Schuldners

Nach Art. 344 Abs. 1 c.c.i.i. wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe von 1.000 bis zu 50.000 Euro bestraft, wer

  • in der Absicht, sich Zugang zu den Verfahren Piano di ristrutturazione dei debiti respektive Concordato minore zu verschaffen, die Passiva erhöht oder vermindert oder einen wesentlichen Teil der Aktiva entzieht oder verheimlicht oder nicht vorhandene Vermögenswerte betrügerisch vortäuscht;
  • in der Absicht, sich Zugang zu den Verfahren (Piano di ristrutturazione dei debiti, Concordato minore, Liquidazione controllata del sovraindebitato) zu verschaffen, gefälschte oder unrichtige Unterlagen vorlegt oder die Unterlagen über seine Verschuldung oder seine Buchführung ganz oder teilweise entzieht, verheimlicht oder vernichtet;
  • bei Durchführung des Piano di ristrutturazione dei debiti oder des Concordato minore Zahlungen leistet, die gegen den genehmigten Restrukturierungsplan oder die Vergleichsvereinbarung verstoßen;
  • nach der Antragseinreichung zum Piano di ristrutturazione dei debiti oder zum Concordato minore und während der gesamten Dauer der Verfahren seinen Schuldenstand verschlechtert;
  • sich vorsätzlich nicht an den Inhalt des genehmigten Piano di ristrutturazione dei debiti oder des Concordato minore hält.

Die nach Art. 344 Abs. 1 c.c.i.i. vorgesehenen Freiheits- und Geldstrafen werden gem. Art. 344 Abs. 2 c.c.i.i. auch gegenüber dem zahlungsunfähigen Schuldner (Verbraucher und andere nicht insolvenzfähige Subjekte) verhängt, der mit dem Antrag auf Esdebitazione (Entschuldung) nach Art. 283 c.c.i.i. gefälschte Unterlagen vorlegt respektive Unterlagen betreffend Verschuldung und Buchführung verheimlicht oder vernichtet.

Straftatbestände bezüglich der Mitglieder des Organismo di composizione della crisi

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass das italienische Recht zudem spezifische Straftatbestände bezüglich der Mitglieder des sog. Organismo di composizione della crisi (OCC) im Sinne von Art. 2 Abs. 1t c.c.i.i. vorsieht. Diese im jeweiligen Bezirk der Konkursgerichte einzurichtenden staatlichen Stellen begleiten die Verbraucher und andere nicht insolvenzfähige Schuldner hilfestellend in den vorgesehenen Verfahren zur Überwindung der Überschuldung von der Antragstellung bis zur Verfahrensbeendigung. Zu den Aufgaben des OCC gehört insbesondere die Erstellung von Berichten, die auch Prüfvermerke betreffend die von den Schuldnern eingereichten Unterlagen und im Verfahren erteilten Informationen enthalten. Werden in diesem Rahmen falsche Erklärungen durch den OCC abgegeben, so kann sich das jeweilige Mitglied des OCC nach Art. 344 Abs. 3 c.c.i.i. persönlich strafbar machen.

Zugleich können gegenüber dem einzelnen Mitglied des OCC die Strafen des obigen Art. 344 Abs. 2 c.c.i.i. verhängt werden, sofern es den Gläubigern dadurch Schaden zufügt, dass es ohne triftigen Grund eine Amtshandlung unterlässt oder ablehnt (Art. 344 Abs. 4 c.c.i.i.).

Systematik der Straftatbestände

Als geschütztes Rechtsgut der Straftatbestände des Art. 344 c.c.i.i. ist mit der vorherrschenden italienischen Doktrin vorwiegend nicht das öffentliche Interesse an einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf, sondern vielmehr das Gläubi­gerinteresse an einer rechtmäßigen Befriedigung zu erachten.

Die kasuistisch abgefassten Straftatbestände des Art. 344 Abs. 1–3 c.c.i.i. sind als Gefährdungsdelikte ausgestaltet. Eine Ausnahme stellt insoweit das Erfolgsdelikt (Erfolg: Gläubigerbenachteiligung) nach Art. 344 Abs. 4 c.c.i.i. dar.

Hinsichtlich der vorgesehenen Strafrahmen ist noch auf einen bedeutenden Unterschied zu den Bankrotttatbeständen bezüglich der Unternehmer im Rahmen der liquidazione giudiziale (Liquidationsverfahren) hinzuweisen. Der Gesetzgeber hat für die Verbraucher und andere nicht insolvenzfähige Schuldner, mit Blick auf den grundsätzlich geringfügigeren Umfang der Verfahren, gezielt niedrigere Strafrahmen vorgesehen und insbesondere auch die Möglichkeit einer Geldstrafe eröffnet.

Praktische Realität und Reformüberlegungen

In der Praxis kommt den italienischen Konkursverfahren zur Entschuldung von Verbrauchern und anderen nicht insolvenzfähigen Schuldner nach wie vor eine lediglich untergeordnete Rolle zu. Dies zeigt sich insbesondere mit Blick auf die entsprechenden deutschen und englischen Verfahren. In rechtsvergleichender Hinsicht verbietet sich zwar eine bloße Gegenüberstellung der Zahlen der jeweiligen Verfahrensanträge und -eröffnungen nicht zuletzt aufgrund der divergierenden Gesamtsystematik der Rechtsordnungen. 

Gleichwohl sind die insgesamt lediglich 6.747 Eröffnungsanträge respektive 4.677 Verfahrenseröffnungen (Piano del consumatore, accordo di ristrutturazione dei debiti und Liquidazione del patrimonio) im (vorpandemischen) Jahr 2019 Ausdruck eines unverändert zurückhaltenden Rückgriffs der italienischen Verbraucher und anderer nicht insolvenzfähiger Schuldner auf die zur Verfügung gestellten und final auf die Entschuldung abzielenden Konkursverfahren.

Die nach wie vor untergeordnete praktische Relevanz der Verfahren mag auch erklären, warum im noch andauernden Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Insolvenzstrafrechts – welches inhaltlich von der genannten großen Sanierungs- und Insolvenzrechtsreform im Jahr 2019 noch weitgehend ausgeklammert worden war – keine Neuerungen bezüglich der Straftaten im Rahmen der Verfahren für Verbraucher und die anderen nicht insolvenzfähigen Schuldner vorgesehen sind.

Fazit

Die vorliegend interessierenden Tatbestandshandlungen, wegen derer Boris Becker in London nach englischem Recht verurteilt worden ist (§§ 353, 354 IA 1986), finden entsprechende Berücksichtigung im italienischen Recht. Auch in Italien haben die Verbraucher und andere nicht insolvenzfähige Subjekte beim Rückgriff auf die schuldnerfreundlichen Konkursverfahren, die final deren Entschuldung bezwecken, stets sämtliche Aktiva und Passiva offenzulegen. Bei Vorlage von gefälschten Dokumenten respektive dem Unterschlagen entscheidungserheblicher Unterlagen machen sich die Schuldner strafbar.

Die Strafbarkeit der genannten Tatbestandshandlungen stellt ein entscheidendes Gesetzgebungselement beim Versuch eines gerechten Ausgleichs zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen dar. Eine Verschärfung des italienischen Verbraucherinsolvenzstrafrechts ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Bereits nach geltendem Recht müssen die Schuldner jedoch mit empfindlichen Strafen rechnen.

4. Frankreich

Von Patrick Ehret, Rechtsanwalt und Avocat (AMCO), frz. Fachanwalt für internationales und EU-Recht (Achern/Straßburg/Paris)

Einleitung

Der Situation in Italien entsprechend kennt das französische Recht neben den im 6. Buch des Handelsgesetzbuches verorteten Insolvenzverfahren ein separates Entschuldungsverfahren für Verbraucher, welches – bereits seit 1989 – vor einer bei der Banque de France im jeweiligen Département eingerichteten Überschuldungskommission (Commission de surendettement) vom Schuldner beantragt werden kann. Lediglich in den drei Départements Moselle, Haut-Rhin und Bas-Rhin können Verbraucher aufgrund eines Einführungsgesetzes aus dem Jahre 1924 und dem auf deutschem Recht beruhenden lokalen Sonderrecht eine Restschuldbefreiung im Regelinsolvenzverfahren erlangen. Im Übrigen sind die Re-gelinsolvenzverfahren Kaufleuten, Gewerbetreibenden, Freiberuflern, Landwirten und Handwerkern vorbehalten. Die Mitwirkungspflichten der Schuldner sowie die Haftungs- und Sanktionierungsvorschriften sind im Regelinsolvenzverfahren sehr viel ausgeprägter als im Entschuldungsverfahren gestaltet.

Entschuldungsverfahren vor der Commission de surendettement

Das Entschuldungsverfahren steht redlichen Verbrauchern offen, die offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre privaten und professionellen Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Kommission kann nach Prüfung der Zulässigkeit des Antrags des Schuldners – bei Vorliegen wird einhergehend mit einem Zahlungsverbot die Zwangsvollstreckung für maximal zwei Jahre gehemmt bzw. verboten und der Zinslauf unterbrochen – folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Einvernehmlicher Entschuldungsplan
  • oder alternativ ohne Zustimmung der betroffenen Gläubiger
  • Auferlegung eines neuen Tilgungsplans über bis zu sieben Jahren bzw. max. der Hälfte des noch ausstehenden Rückzahlungszeitraums
  • Änderung der Tilgungsbestimmung (Zahlung auf das Kapital)
  • Reduzierung der Zinslast/des anwendbaren Zinssatzes
  • Stundung der Forderungen für eine Dauer von bis zu zwei Jahren

Sofern eine Entschuldung nicht in Betracht kommt, kann die Kommission ein Restschuldbefreiungsverfahren (Retablissement personnel) ohne Durchführung eines Abwicklungsverfahrens (Liquidation judiciaire) einleiten. Sofern Aktiva zu verwerten sind, kann die ordentliche Gerichtsbarkeit – sofern der Schuldner sein Einverständnis erteilt – mit der Durchführung eines Abwicklungsverfahrens befasst werden.

Ausgenommen von der Restschuldbefreiung sind Unterhaltsforderungen, Forderungen der Opfer von Straftaten, Steuerforderungen und Forderungen aus Sozialversicherungsbetrugstatbeständen. Das Entschuldungsverfahren kommt nicht in Betracht für Personen, die wissentlich falsche Erklärungen abgegeben oder unrichtige Dokumente eingereicht haben, ihr Vermögen ganz oder teilweise veruntreut oder verheimlicht oder dies versucht haben. Auch die Erhöhung der Verschuldung durch Aufnahme neuer Kredite oder die Vornahme von Verfügungen über ihr Vermögen ohne Zustimmung der Gläubiger, der Kommission oder des Richters wird entsprechend sanktioniert. Spezielle Straftatbestände sieht das Gesetz für den Schuldner indes nicht vor.

Regelinsolvenzverfahren

Das französische Insolvenzrecht durchlief in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung, im Rahmen derer u. a. die strafrechtlichen Sanktionen zugunsten von Tätigkeitsverboten und zivilrechtlichen Haftungstatbeständen zurückgedrängt wurden. So ist beispielsweise seit dem Jahr 2005 die Liquidation-sanction, die Eröffnung eines Abwicklungsinsolvenzverfahrens über das Vermögen des unlauteren Geschäftsleiters als Strafmaßnahme, ausgeschlossen. Das Bankrottdelikt wurde indes dahin gehend aufrechterhalten, dass mit bis zu fünf Jahren Gefängnis und 75.000 Euro bestraft wird, wer

  • in der Absicht, die Eröffnung des gerichtlichen Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens zu verhindern oder zu verzögern, entweder Käufe zum Zweck des Weiterverkaufs unter dem Kurs getätigt oder ruinöse Mittel angewandt hat, um sich Geld zu beschaffen;
  • das gesamte Vermögen des Schuldners oder einen Teil davon veruntreut oder verheimlicht hat;
  • die Verbindlichkeiten des Schuldners in betrügerischer Weise erhöht hat;
  • eine fiktive Buchhaltung geführt hat oder die Buchführungsunterlagen des Unternehmens oder der juristischen Person verschwinden ließ oder es unterlassen hat, eine Buchhaltung zu führen, wenn dies nach den geltenden Rechtsvorschriften erforderlich ist;
  • eine offensichtlich unvollständige oder nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht ordnungsgemäße Buchhaltung geführt hat.

Voraussetzung ist die Eröffnung eines auf Zahlungsunfähigkeit beruhenden Insolvenzverfahrens des Schuldners oder der von ihm geführten Gesellschaft. Praktisch  relevant sind diese Vorschriften indes selten. Ferner ist es seit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes der Strafgerichtsbarkeit nicht mehr möglich, als Nebenstrafen die sogenannte Faillite personnelle oder auf einzelne Unternehmen beschränkte Tätigkeitsverbote auszusprechen, sodass diese Sanktionen nunmehr dem Insolvenzgericht vorbehalten bleiben. 

Berufsrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen

Es bleibt somit dem Handelsgericht und seinen Laienrichtern überlassen, auf Antrag des Insolvenzverwalters, der Staatsanwaltschaft oder – bei Untätigkeit des Insolvenzverwalters trotz Mahnung – einer Mehrheit von zu sog. Contrôleur bestellten Gläubigern etwaiges Fehlverhalten des Insolvenzschuldners durch den Ausschluss vom Wirtschaftsleben – ausgenommen ist eine unselbstständige Erwerbstätigkeit – zu ahnden. Das Gesetz ermöglicht dies, wenn der Betroffene,

  • missbräuchlich einen defizitären Betrieb fortgeführt hat, der nur zur Einstellung der Zahlungen führen konnte, oder
  • seine Aktiva ganz oder teilweise veruntreut oder verheimlicht oder seine Passiva betrügerisch erhöht hat.

Die organschaftlichen oder faktischen Geschäftsleiter juristischer Personen können entsprechend sanktioniert werden, sofern sie

  • über das Vermögen der juristischen Person wie über ihr eigenes verfügt haben;
  • unter dem Deckmantel der juristischen Person, die ihre Handlungen verschleiert, Handelsgeschäfte im eigenen Interesse getätigt haben;
  • das Vermögen oder den Kredit der juristischen Person entgegen den Interessen der juristischen Person für persönliche Zwecke oder zur Begünstigung einer anderen juristischen Person oder eines anderen Unternehmens, an dem sie direkt oder indirekt beteiligt war, missbraucht haben;
  • missbräuchlich im eigenen Interesse einen verlustbringenden Betrieb fortgeführt haben, der nur zur Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person führen konnte;

das gesamte Vermögen oder einen Teil davon veruntreut oder verheimlicht oder die Verbindlichkeiten der juristischen Person betrügerisch erhöht haben.

Als abgemilderte Sanktion kann das Gericht auch die sog. Interdiction de gérer, ein auf bestimmte Unternehmungen begrenztes Tätigkeitsverbot, aussprechen. Sowohl fehlende Kooperation mit den Organen des Insolvenzverfahrens als auch das wissentliche Versäumen der Insolvenzantragsstellung innerhalb von 45 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit rechtfertigen eine solche Sanktion.

Sowohl die Faillite personnelle als auch die Interdiction de gérer können für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren verhängt werden, wobei die Beschränkung des passiven Wahlrechts im Rahmen der Faillite personnelle auf fünf Jahre beschränkt ist. Sofern im Insolvenzverfahren alle Gläubigerforderungen befriedigt werden, sei es aufgrund der nachfolgend dargestellten Haftung für Geschäftsführungsfehler oder aus anderen Gründen, enden die Tätigkeitsverbote automatisch. Im Falle der Interdiction de gérer kann das Gericht die Sanktion bereits dann aufheben, sofern der Geschäftsleiter seine Fähigkeit und Zuverlässigkeit dahin gehend belegt, dass er in der Lage ist, eines oder mehrere Unternehmen zu leiten oder zu kontrollieren.

Im Fall der Verurteilung wegen des Bankrotttatbestands und bei Anordnung der Faillite personnelle kommt es automatisch zur Versagung der Restschuldbefreiung bei Beendigung des Insolvenzverfahrens.

Haftung für die Insolvenz verursachende Geschäfts­führungsfehler

Von größter praktischer Bedeutung ist die Haftung der Geschäftsleiter für Geschäftsführungsfehler (Faute de gestion), die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geführt haben. So kann das Handelsgericht den Ausgleich der Unterdeckung zwischen zu verwertenden Aktiva und festgestellten Passiva, ganz oder teilweise, dem organschaftlichen oder faktischen Geschäftsführer auferlegen, sofern eine Kausalität zwischen Fehlverhalten und Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen werden kann. Seit dem Jahr 2016 wurde die Haftung dahin gehend abgeschwächt, dass einfache Fahrlässigkeit nicht mehr für die Tatbestandsverwirklichung ausreicht.

Als Geschäftsführungsfehler wurde von der Rechtsprechung u. a. die folgenden Verhaltensweisen geahndet:

  • die Gewährung übermäßig hoher Vergütungen durch und für den Geschäfts-leiter;
  • Desinteresse an der Geschäftsführung;
  • Nichtführung von Geschäftsbüchern oder deren unregelmäßiges Führen;
  • Nichteinberufung von Gesellschafterversammlungen;
  • Kenntnis von Krisensituation des Unternehmens und Unterlassen der Antragstellung;
  • Verdoppelung durch den Geschäftsführer der eigenen Vergütung und der seiner Mitgesellschafterin und Freundin und verspäteter Insolvenzantrag, obwohl der ständige Rückgang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu erheblichen Verlusten führte;
  • Rückzahlung von Gesellschafterkontokorrentkonten, einschließlich seines eigenen, durch den Geschäftsführer der Gesellschaft, während die Gesellschaft eine Verurteilung zur Zahlung einer erheblichen Summe gegenüber ihren eigenen Gläubigern vorzunehmen hatte, was dem Geschäftsführer bewusst war und zu einer Bevorteilung der Gesellschafter zum Nachteil der anderen Gläubiger führte;

Diese Haftung setzt denklogisch eine separate Haftungsmasse voraus, sodass typischerweise der faktische oder organschaftliche Vertreter einer juristischen Person sich den Ansprüchen der Insolvenzverwalter ausgesetzt sieht. Das französische Recht kennt allerdings seit dem Jahr 2010 auch für Einzelunternehmer die Möglichkeit, ihr Privatvermögen vor dem Zugriff der beruflich veranlassten Gläubiger zu schützen, sofern entsprechend optiert wurde. Dieser Status eines Einzelunternehmers „mit beschränkter Haftung“ kommt seit dem 22. Mai 2022 jedem Einzelunternehmer in Frankreich für die nach diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit veranlassten Verbindlichkeiten zugute. Im Umkehrschluss haftet der Einzelunternehmer mit seinem Privatvermögen, wenn er einen die Insolvenz verursachenden Geschäftsführungsfehler begangen hat.

Die Haftung ist im Übrigen für die ungesicherten Gläubiger vorteilhaft, da die Erlöse unabhängig von Rangklassen und dem im französischen Recht mehr als kompliziert ausgestalteten Waterfall allen Gläubigern pari passu zugutekommt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es unser Bumm-Bumm-Becker mit dem in England sanktionierten Verhalten auch in Frankreich „vom 17-jährigen Bobele zum verurteilten Bankrott-Boris“ geschafft hätte.

5. USA

Von Dr. H. Philipp Esser, LL.M. (Chicago), Rechtsanwalt und Attorney-at-Law (New York State)

Haftungsrisiken in der Insolvenz nach US-amerikanischem Recht

Das Insolvenzverfahren von und dessen Folgen für Boris Becker haben der Allgemeinheit vor Augen geführt, wie massiv sich dieses auf die persönlichen Freiheiten des Insolvenzschuldners auswirken kann. Dabei spielten in diesem Fall die Besonderheiten des angelsächsischen Rechts – hier: das Recht von England und Wales – eine besondere Rolle. Der folgende Beitrag wirft den Blick über den atlantischen Ozean und beschreibt typische persönliche Haftungsfolgen für Insolvenzschuldner nach US-amerikanischem Recht auf Bundes- und Einzelstaatenebene.

US-Insolvenz­verfahren

Insolvenzverfahren in den USA unterliegen dem US Bankruptcy Code (BC), einem Bundesgesetz, das sich als Title 11 im United States Code, dem zentralen Gesetzbuch für US-Bundesgesetze, befindet.25 Über den Ablauf eines Bankruptcy Proceeding wacht der für das jeweilige Verfahren zuständige Bankruptcy Judge aus einem der bundesgerichtlichen US Bankruptcy Courts. Das Insolvenzrecht zählt in den USA somit zu den wenigen bundesweit einheitlich geregelten Rechtsgebieten. Ansonsten regelt im Grundsatz jeder US-(Bundes-)Staat das in seinem Staat geltende Recht – z. B. allgemeines Zivil- und Wirtschaftsrecht, Strafrecht und Prozessrecht – selbst; wobei viele Staaten zumindest untereinander ähnliche Gesetzgebung erlassen.

International am bekanntesten ist sicherlich das mit Reorganization überschriebene Verfahren gem. Chapter 11 des BC. Darin stellt der Schuldner typischerweise selbst als Debtor in Possession (Eigenverwalter) einen Reorganization Plan als Grundlage der Restrukturierung seines derweil fortgeführten Unternehmens auf. Während das Chapter-11-Verfahren nur selten von Einzelpersonen herangezogen wird, stehen hierfür grundsätzlich das Chapter-13-Verfahren mit Restschuldbefreiung sowie das einfache Liquidationsverfahren gem. Chapter 7 BC zur Verfügung. Entgegen dem in Deutschland verbreiteten Bild vom US-amerikanischen Case Law, das angeblich primär auf Gerichtsentscheidungen basiere, enthält das US-Insolvenzrecht somit umfangreiche Gesetzesvorschriften. Anders als zumeist wahrgenommen, betrifft die Mehrzahl der Bankruptcy Proceedings im übrigen Einzelpersonen und nicht die in den Medien um ein Vielfaches prominenteren Chapter-11-Unternehmensinsolvenzen.

Chapter-11-Verfahren des Curtis Jackson alias 50 Cent

Einige Beachtung weltweit fand das turbulente Chapter-11-Verfahren des US- Rap-Musikers 50 Cent bzw. mit bürgerlichem Namen Curtis James Jackson III. Der Künstler 50 Cent stellte seinen Chapter-11-Antrag im Juli 2015 vor dem US Bankruptcy Court for the District of Connecticut, da er in Connecticut einen Wohnsitz unterhielt. Unmittelbar zuvor hatte ihn ein Gericht in New York zu Schadensersatz wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Höhe von ca. 5 Mio. US-Dollar verurteilt und es drohten überdies massive punitive damages.

Da zog es 50 Cent vor, selbst Gläubigerschutz zu suchen. In seinem Insolvenzantrag deklarierte er Vermögen von ca. 20 Mio. US-Dollar gegenüber Verbindlichkeiten von ca. 36 Mio. US-Dollar. Auf Schwierigkeiten stieß 50 Cent bei dem Versuch, die Pflichten eines Insolvenzschuldners mit jenen eines Rap-Musikers zu vereinbaren. So posierte der Musiker auf Fotos regelmäßig mit dutzenden Geldschein-Bündeln. Diese lagen wahlweise zerstreut in seinem Wohnraum oder füllten den Kofferraum von Luxus-Sportwagen. Die entsprechenden Fotos wurden regelmäßig auf Social Media mit der Welt geteilt.

Den Bankruptcy Court veranlassten die Fotos zu einem Hearing über die Vermögensverhältnisse und das Verständnis des Musikers von seinen Offenlegungsverpflichtungen.

Falsche oder unvollständige Vermögens­auskunft

Die naheliegendste Folge einer fehlerhaften Vermögensauskunft im Bankruptcy Proceeding ist die Versagung der sog. Discharge, d. h. der Restschuldbefreiung für natürliche Personen gem. § 727 BC oder – im Falle eines Schuldenbereinigungsplans – gem. § 1328 BC oder – im Falle eines Chapter-11-Plans – gem. § 1141(d)(3)(C) BC, der auf § 727 BC verweist. Für Einzelpersonen ist aber die dauerhafte Befreiung von der erdrückenden Schuldenlast gerade das Ziel des Insolvenzverfahrens. Eine falsche oder unvollständige Vermögensauskunft lässt daher den Zweck des eingeleiteten Bankruptcy Proceedings hinfällig werden, sodass der ganze, oft äußerst kostspielige Aufwand hierfür vergeblich war.

Entsprechend stellte 50 Cent seinerzeit in einer extra anberaumten Anhörung vor dem Bankruptcy Court klar, dass die auf Social Media zu bestaunenden Geldscheine nicht echt seien oder jedenfalls nicht im Eigentum des Rap-Musikers stünden. 50 Cent konnte sein Chapter-11-Verfahren schließlich im Jahr 2016 mit einem Reorganization Plan abschließen. Er zahlte seinen Gläubigern knapp 23 Mio. US Dollar, davon ca. 13,7 Mio. aus der Haftpflichtversicherung seiner Rechtsanwälte, und erhielt Anfang 2017 die Restschuldbefreiung (Discharge).

Straftaten im US-Insolvenzrecht

Außerdem droht einem Insolvenzschuldner bei unrichtigen Angaben im Bankruptcy Proceeding die strafrechtliche Verfolgung durch Bundesbehörden. Die wichtigsten Straftatbestände enthält der US Code in Title 18 (Crimes and Criminal Procedure), Chapter 9 (Bankruptcy) in den Bestimmungen 18 USC §§ 151–158. Strafbar sind gem. § 152 insbesondere – wie in Deutschland – das Verheimlichen von Vermögen (Concealment of Assets) und die Abgabe falscher Zusicherungen (False Oaths, False Declarations), für die das Gesetz eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht. Unter diese Straftat fällt außerdem die Gewährung oder der Erhalt von Vorteilen in betrügerischer Art und Weise für ein bestimmtes Verhalten im Bankruptcy Proceeding, z. B. manipuliertes Stimmverhalten bei der Planabstimmung (bribery). Gem. § 153 ebenfalls strafbar mit Geld- oder Haftstrafe von bis zu fünf Jahren ist die Veruntreuung von Vermögen oder die Beseitigung von Unterlagen der Insolvenzmasse (embezzlement) durch zu deren Schutz verpflichtete Personen, u. a. Treuhänder und Anwälte.

Spezifischere Straftaten bilden das interessenwidrige Verhalten von Treuhändern und anderen Amtspersonen (§ 154: Adverse interest), die unzulässige Vereinbarung von Honoraren (§ 155: Fee agreements) und allgemein das betrügerische Einwirken auf das Bankruptcy Proceeding (§ 156: Knowing disregard of bankruptcy law or rule; § 157: Bankruptcy Fraud).

Ganz allgemein besteht bei Insolvenzstraftaten (auch) in den USA überdies stets das Risiko nicht nur der Strafbarkeit des unmittelbar Handelnden, sondern auch seines Anwalts. Zwar obliegen die besonderen insolvenzrechtlichen Pflichten primär dem Mandanten. Strafbar mit Geld- und Freiheitsstrafe ist aber das aktive Verleiten und Steuern der fremden Pflichtverletzung durch den Anwalt.

Missachtung des Gerichts

Empfindliche Sanktionen können weiterhin aus einer Missachtung konkreter Vorschriften, Beschlüsse und Verfügungen des Bankruptcy Court resultieren. Diese werden als Contempt of Court – Missachtung des Gerichts – bezeichnet und können zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Zivilrechtliche Sanktionen zielen zwar nicht auf die Bestrafung des Täters, sondern auf Unterlassung und Schadensausgleich ab, können aber Schadensersatz, Strafzahlungen und (Ersatz-)Haft beinhalten, um die Einhaltung der Vorgaben des Gerichts zu erzwingen. Konkrete Verfahrensvorschriften hierzu enthalten die Federal Rules of Bankruptcy Procedure in Rule 9020, die auf die sehr detaillierte Rule 9014 verweist. Darüber hinaus stellt die Missachtung gerichtlicher Vorschriften einen Straftatbestand dar, den das Gericht gem. dem oben bereits erwähnten Title 18 des US Code, § 401 (Power of Court) mit Geld- und Freiheitsstrafen sanktionieren darf, für die das Gesetz keine Maximalhöhe vorsieht. Für eine Verurteilung gem. § 401 sind aber strengere Voraussetzungen zu erfüllen als für einen Civil Contempt.

Prominentes Beispiel einer – allerdings nicht insolvenzrechtlichen – Verurteilung wegen Contempt ist der konservative Politikberater Steve Bannon, der im Jahr 2021 trotz Vorladung einer Anhörung fernblieb und hierfür im Jahr 2022 strafrechtlich zu sechs Monaten Haft und 200.000 US-Dollar Geldstrafe verurteilt wurde (nicht rechtskräftig).

Weite Zuständigkeit der Gerichte

Ausländische Verfahrensbeteiligte sollten sich ebenfalls über die Grenzen des Erlaubten in US-Bankruptcy-Proceedings informieren. Anders als vielfach angenommen verhindert ein Wohnsitz im Ausland – z. B. in Deutschland – nicht, dass ein US-Verfahrensbeteiligter im Falle eines Konflikts eine Schadensersatzklage vor einem US-Gericht anstrengt. US-Gerichte haben nämlich ein recht weites Verständnis ihrer eigenen Zuständigkeit. Im Case Law allgemein sowie in den Gesetzen vieler Einzelstaaten und auf Bundesebene existiert dafür das Konzept der Long Arm Jurisdiction. Demnach bedarf es lediglich einiger minimum contacts, damit ein US-Gericht für die Klage gegen einen Beklagten im Ausland zuständig wird. Im Kontext eines Bankruptcy Proceedings liegen die notwendigen minimum contacts in der Regel bereits vor, wenn sich jemand aus dem Ausland am Verfahren beteiligt, indem er eine Insolvenzforderung anmeldet oder telefonische Verhandlungen mit US-amerikanischen Verfahrensbeteiligten führt.

Die allgemeine Klageaffinität in den USA wird verständlich, wenn man bedenkt, dass die Einreichung einer – oft rudimentären – Klage auch mit größten Streitwerten in der Regel sehr günstig ist und allenfalls Gerichtskosten in Höhe von ein paar Hundert US-Dollar verursacht.

Straftaten weiterer prominenter US-Insolvenzschuldner

Die persönliche – oft strafrechtliche – Haftung zahlreicher US-Insolvenzschuldner ergibt sich allerdings nicht allein aus dem Insolvenzrecht. Berühmt-berüchtigte Verurteilungen wie etwa die von Bernard L. („Bernie“) Madoff oder Bernard Ebbers (Worldcom) sowie zuletzt Elizabeth Holmes beruhen oft auf Betrug, auf Straftaten aus dem Wertpapier- und Börsenrecht oder auf Steuerstraftaten. Bernie Madoff erhielt sogar die Maximalstrafe von 150 Jahren Haft.

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