Weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Übergangsregelung zur Geschäftsführerhaftung

Von Dr. Elske Fehl-Weileder, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht

Die Pflicht zur Insolvenzantragsstellung bei Vorliegen der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ist ein zentrales Element des deutschen Insolvenzrechts – nicht zuletzt wegen der sich an eine Verletzung der Antragspflicht knüpfenden Haftungsfolgen. Bezüglich beider Punkte gab es seit Erscheinen der letzten Ausgabe des Insolvenzjahrbuches zahlreiche gesetzliche Änderungen.

Die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO wurde im Zuge der COVID-19-Pandemie bereits im März 2020 ausgesetzt, um die Folgen des Lockdowns für die davon betroffenen Unternehmen abzumildern. In verschiedenen Ausprägungen bzw. an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, wurde die Aussetzung immer wieder verlängert. Zuletzt galt sie von Januar bis April 2021 nur noch für solche Unternehmen, die einen Antrag auf Überbrückungshilfen gestellt, diese aber noch nicht erhalten hatten.

Bald nachdem ab Mai 2021 die Insolvenzantragspflicht wieder uneingeschränkte Geltung erlangt hatte, wurde Deutschland von einer weiteren Katastrophe in Form der Starkregen- und Hochwasserfluten vom Juli 2021 ereilt, die insbesondere die westlichen Landesteile mit großer Heftigkeit getroffen hat. Für die hochwassergeschädigten Unternehmen wird die Insolvenzantragspflicht erneut bis zum 31. Januar 2022 ausgesetzt. Dies ergibt sich aus dem Aufbauhilfegesetz 2021, dem der Bundesrat am 10. September 2021 zugestimmt hat und das am 15. September 2021 in Kraft getreten ist. Voraussetzung für die Aussetzung der Antragspflicht ist zum einen, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Starkregen- und Hochwasserereignisse im Juli 2021 beruht, und zum anderen, dass ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen geführt werden und dadurch begründete Aussichten auf eine Sanierung des betroffenen Unternehmens bestehen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hat nicht nur unmittelbare Wirkung auf die Frage, ob die Geschäftsleitung den Gang zum Insolvenzgericht antreten muss. Vielmehr ist die Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht bestand, auch in einem späteren Insolvenzverfahren dafür ausschlaggebend, ob der Insolvenzverwalter die Geschäftsführung für Zahlungen in Anspruch nehmen kann, die nach Eintritt der Insolvenzreife aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet worden sind. Die Grundlage für eine solche Inanspruchnahme findet sich seit dem 1. Januar 2021 in dem neuen § 15b InsO und ersetzt die Regelungen aus § 64 GmbHG und §§ 92, 93 AktG.

Der Gesetzgeber hatte zunächst offengelassen, ob die neue Haftungsregelung des § 15b InsO auch für solche Zahlungen gelten sollte, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung, also bis zum 31. Dezember 2020, vorgenommen worden sind. Diese Frage hat in der Fachwelt eine hitzige Diskussion ausgelöst, die letztlich durch den Gesetzgeber beendet wurde. Dieser hat mit dem MoPeG die Ungewissheit beendet und klargestellt, dass die Neuregelungen erst für Zahlungen ab dem 1. Januar 2021 gelten. Für Altfälle ändert sich daher nichts und ist auch die bis dahin ergangene, umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Geschäftsleiterhaftung uneingeschränkt weiter anzuwenden.

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