Corona bringt COVInsAG und beschleunigt Verkürzung der Restschuldbefreiung

Von Dr. Elske Fehl-Weileder, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht

Zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie hat die Insolvenzordnung im März 2020 eine blitzartige, nur vorübergehend wirksame Änderung erfahren. Durch das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, kurz COVInsAG) vom 27. März 2020 wurde mit Rückwirkung zum 1. März 2020 insbesondere die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO ausgesetzt. Die Aussetzung war zunächst bis zum 30. September 2020 begrenzt. Im September 2020 wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht eingeschränkt verlängert. Für Unternehmen, die „nur“ überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind, galt die Aussetzung der Antragspflicht bis Ende 2020. Für den Monat Januar 2021 gibt es eine weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für solche Unternehmen, die für November und/oder Dezember 2020 staatliche Hilfsleistungen beantragt haben oder hätten beantragen können, aber noch keine Hilfen erhalten haben. Diese Aussetzung gilt sowohl für überschuldete als auch für bereits zahlungsunfähige Unternehmen, aber nur, wenn tatsächlich Aussicht auf die Erlangung der Hilfeleistungen besteht und wenn diese ausreichen, um den Insolvenzgrund zu beseitigen.

Kritiker sahen in einer weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein „völlig falsches Signal an die Wirtschaft“. Es sei nicht im Interesse der Gläubiger und der Erhaltung gesunder wirtschaftlicher Strukturen, auch solche Insolvenzen zu verschleppen, die nicht ursächlich im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen (Pressemitteilung der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag vom 12. Augsut 2020, herausgegeben von Dr. Jan-Marco Luczak).

Auch einen Alternativvorschlag blieben die Kritiker aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht schuldig. Sie verwiesen darauf, dass eine Umsetzung der Europäischen Richtlinie EU 2019/1023 zur Einführung eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens noch ihrer Umsetzung harrt, obwohl sie bis Sommer 2021 verpflichtend umzusetzen sei. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist im Oktober 2020 vorgelegt worden. Das in ihm geregelte Verfahren für eine außergerichtliche Sanierung soll Unternehme(r)n zur Verfügung stehen, die noch nicht zahlungsunfähig sind und sich über eine Einigung mit ihren Gläubigern über einen „haircut“ sanieren wollen. Das Verfahren bietet verschiedene Möglichkeiten, einen entsprechenden Restrukturierungsplan zu beschließen und umzusetzen, abgestuft nach Stärke des Eingriffs in die Gläubigerrechte mit oder ohne gerichtliche Beteiligung und Beteiligung durch einen Sanierungsmoderator oder einen Restrukturierungsbeauftragten. Das Gesetz wurde am 17. Dezember 2020 im Bundestag verabschiedet und ist zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Bereits im Juli 2020 wurde ein anderer Regelungsteil der EU-Richtlinie 2019/1023 in einen Gesetzesentwurf gegossen, nämlich die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre. Auch dieses Gesetz wurde am 17. Dezember 2020 vom Bundestag beschlossen. Es sieht eine Rückwirkung für alle Verfahren vor, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Für die ab dem 17. Dezember 2019 bis zum 1. Oktober 2020 beantragten Insolvenzverfahren ist eine schrittweise Verkürzung der Wohlverhaltensperiode von bislang sechs Jahren dergestalt vorgesehen, dass diese Verfahren zu demselben Zeitpunkt enden werden, wie diejenigen, die mit Inkrafttreten der Verkürzung beantragt werden. Mit dieser schon im Vorfeld von dem Bundesjustizministerium angekündigten Stufenregelung sollte vermieden werden, dass Insolvenzanträge hinausgezögert werden, um in den Genuss der verkürzten Frist zu kommen, und so verhindert werden, dass die Beratungsstellen, Gerichte und Insolvenzverwalter von einer Verfahrenswelle überrollt werden. Da sich aber bereits abzeichnete, dass für alle Verfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt worden sind, im Wege der Rückwirkung die dreijährige Frist gelten soll, waren dennoch ganz verbreitet ein Abwarten und sinkende Antragszahlen zu verzeichnen, und ist davon auszugehen, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes eine Vielzahl von Insolvenzanträgen natürlicher Personen gestellt werden.

Zur Vermeidung von Missbrauch solltedie Verkürzung der Restschuldbefreiung für Verbraucher – im Unterschied zu (ehemals) selbstständig tätigen, natürlichen Personen – zunächst nur für drei Jahre befristet gelten und parallel evaluiert werden, ob sich negative Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten von Verbrauchern ergeben. Dies ergibt sich aus einem Eckpunktepapier des Koalitionsausschusses aus dem Juni 2020 und wurde nach Angaben der Justizministerin Lambrecht als Kompromiss dafür ausgehandelt, dass Verbraucher überhaupt in den Anwendungsbereich der Verkürzung aufgenommen werden. Nach den Vorgaben der Richtlinie könnte sich diese Regelung nämlich auch auf (ehemals) selbstständige Personen beschränken. Diese nur für Verbraucher geltende Befristung wurde als unangemessene Benachteiligung kritisiert und schließlich durch den Rechtsausschuss gestrichen, sodass nun auch über das Jahr 2023 hinaus für alle natürlichen Personen eine Restschuldbefreiung binnen drei Jahren zu erreichen ist, egal, ob es sich um Verbraucher oder (ehemals) selbstständige Personen handelt.

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