StaRUG – (Nicht)Öffentlichkeit des Verfahrens

31. März 2021 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Das Restrukturierungsverfahren und die Sanierungsmoderation erlauben, dass Unternehmen mit ihren Gläubigern ein Konzept zur Neu­aus­richtung und Gestaltung der Schulden verhandeln, ohne dass dies öffentlich sein muss. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hingegen wird im Internet, im Handelsregister und Bundesanzeiger bekanntgemacht und kann vor allem ohne koordinierte PR-Begleitung in der Presse und bei Kunden und Lieferanten zu viel Aufregung führen.

Näheres erfahren Sie in diesem Newsletter.

Ohne Frage gibt es Konstellationen, bei denen Öffentlichkeit einer Sanierung nicht zuträglich ist. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Angefangen von Reputation und PR, über den Schutz des Gesellschafters bis hin zum Schutz von sensiblen Lieferketten.

Wenn die Krise zum Beispiel durch die drohende Fälligkeit einer Schuldverschreibung ausgelöst wird und die Refinanzierung der Kern des Sanierungskonzeptes ist, während Liefer- und Kundenbeziehungen davon nicht betroffen sein sollen, spricht vieles dafür, die Verhandlungen mit den Finanzgläubigern in einem nicht-öffentlichen Format durchführen zu können und trotzdem den Schutz eines Moratoriums zu haben. Die Gefahr, dass Lieferanten auf Vorkasse umstellen oder zumindest Zahlungsziele verkürzen oder die Gefahr, dass Kunden Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Produktes und der Gewährleistung haben, kann sich auf die sensible Liquiditätsplanung auswirken und so das Sanierungskonzept empfindlich stören.

Während zwar die Anordnung der vorläufigen Eigen­verwaltung nach der Insolvenzordnung nicht bekannt gemacht wird, zieht die Verfahrenseröffnung auch in Eigen­verwaltung die volle Öffentlichkeit nach sich (§ 30 InsO).

Das StaRUG gibt die Entscheidung darüber an das schuldnerischen Unternehmen zurück, das sich selbst die Gestaltungswirkung überlegen und in die Konzeptionierung aufnehmen kann. Von Amts wegen findet eine öffentliche Bekanntmachung weder für die Sanierungsmoderation noch für eine Restrukturierungssache statt.

Das StaRUG erlaubt, dass nicht zwingend alle Gläubiger von den Regelungen betroffen sein müssen, sondern dass eine Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den Umständen zulässig ist. Das ist innerhalb von zwei verschiedenen Rahmen möglich:

  • die Sanierungsmoderation nach § 96 StaRUG (siehe dazu unseren Newsletter vom 3.3.2021)
  • der Restrukturierungsplan nach §§ 5 ff. StaRUG (weitere Details erfahren Sie in unserem Newsletter am 14.4.2021).

Die Sanierungsmoderation hat lediglich zwei Anknüpfungspunkte nach außen: Zum einen bei dem Antrag zur Bestellung eines Sanierungsmoderators an das Gericht, das für Restrukturierungssachen zuständig ist (§ 94 StaRUG). Die Sanierungsmoderation selbst zur Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten erfolgt ohne Beteiligung des Gerichtes. Der Sanierungsmoderator, der unter Aufsicht des Gerichtes steht, hat lediglich die Pflicht, dem Gericht eine ihm bekannt gewordene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anzuzeigen sowie über den Fortgang zu berichten (§ 96 StaRUG). Sollten zum anderen das Unternehmen und die Gläubiger zu dem Ergebnis kommen, dass eine gerichtliche Bestätigung des Sanierungsvergleiches zum Zwecke der Anfechtungsfestigkeit sinnvoll ist, kann dies der Schuldner beantragen (§ 97 StaRUG).

Für den Fall, dass ein Sanierungsvergleich mit 100-prozentiger Zustimmung der betroffenen Gläubiger nicht erreichbar ist und das Unternehmen zusätzlich Stabilisierungsmaßnahmen und vor allem einen Restrukturierungsplan mit 75-prozentiger Mehrheit (§ 25 StaRUG) und der Möglichkeit eines cross-class cram downs (§ 26 StaRUG) anstrebt, muss das Unternehmen sein Restrukturierungsvorhaben bei dem Restrukturierungsgericht anzeigen (§ 31 StaRUG). Damit wird die Restrukturierungssache rechtshängig. Das Unternehmen hat es zudem in der Hand, ob die Erörterung und Abstimmung zum Restrukturierungsplan mit den Gläubigern in einem gerichtlichen oder einem außergerichtlichen Rahmen stattfindet (§§ 20, 23, 45 f. StaRUG). Bei einer außergerichtlichen Abstimmung kann und muss das Unternehmen selbst die Versammlung organisieren, durchführen und dokumentieren. Dann jedenfalls muss aber das Gericht vor der Entscheidung über die Planbestätigung die Planbetroffenen noch einmal in einem Termin anhören (§ 61 StaRUG). Regelmäßig wird auch ein Restrukturierungsbeauftragter (§§ 73 ff. StaRUG) vom Gericht bestellt werden, dessen Rolle ähnlich der eines Sachwalters ausgestattet ist und auch die Verhandlungen zwischen den Beteiligten befördern soll.

Auch bei einer Restrukturierungssache ist also die Öffentlichkeit und gerichtliche Anknüpfung auf ein Minimum reduziert.

Sofern allerdings die Umsetzung des Restrukturierungsplans im Ausland erfolgen soll, etwa weil Gläubiger im Ausland ansässig sind oder weil die Schuldverschreibung einen Gerichtsstand im Ausland vorsieht oder weil die Zwischenfinanzierung oder neue Finanzierung durch eine ausländische Bank erfolgt, muss sich das Unternehmen überlegen, ob die Beantragung einer öffentlichen Bekanntmachung der Restrukturierungssache sinnvoll ist (§ 84 StaRUG). Nur das Unternehmen kann diesen Antrag stellen. Nur mit dieser öffentlichen Bekanntmachung wird die Restrukturierungssache als Insolvenzverfahren im Sinne der EuInsVO qualifiziert, wozu Deutschland zusätzlich die Aufnahme der Restrukturierungssache in den Anhang A avisiert hat. In der Konsequenz wäre eine solche Restrukturierungssache dann als Hauptverfahren im Geltungsbereich der EuInsVO automatisch anerkannt (Art. 19 EuInsVO) mit der Folge der Anwendung der lex fori concurses (Art. 7 EuInsVO), also des StaRUG in ganz Europa (außer Dänemark und nach dem Brexit außer dem Vereinigten Königreich). Der Antrag auf öffentliche Bekanntmachung muss dann allerdings vor der ersten Entscheidung des Restrukturierungsgerichts erfolgen, die sodann eine Eröffnungsentscheidung iSv Art. 2 Nr. 7 EuInsVO ist mit der Konsequenz der Sperrwirkung für andere Hauptinsolvenzverfahren nach Art 3 Abs. 3 EuInsVO.

Für eine Sanierungsmoderation ist eine öffentliche Bekanntmachung nicht vorgesehen.

Die Vorschriften, die die öffentliche Bekanntmachung einer Restrukturierungssache ermöglichen, treten allerdings erst am 17. Juli 2022 in Kraft, Art. 25 Abs. 2, 3 SanInsFoG. Das ist damit begründet, dass im Moment noch die IT-Struktur zur Einbettung des deutschen Insolvenzregisters (www.insolvenzbekanntmachungen.de) in das europäische gemeinsame Insolvenzregister (Art. 24 EuInsVO) überarbeitet wird und erst im Anschluss die Strukturen für Restrukturierungssachen geschaffen werden können. Die Verzögerung birgt insoweit die Gefahr, dass Unternehmen, deren Restrukturierung auf der Durchsetzbarkeit in Europa basiert, versuchen könnten, über Forum Shopping einen Restrukturierungsrahmen eines anderen Mitgliedstaats zu nutzen, der ihnen eine vorzeitige Anerkennung verschafft.

Überlegungen, ob bis dahin eine Anerkennung über die Vorschriften der EuGVVO möglich ist, müssen die Bereichsausnahme für Regelungen zum Konkurs überwinden. Dieses dürfte wohl eher zweifelhaft sein. Da der Gesetzgeber die verzögerte Inkraftsetzung der §§ 84 ff. StaRUG vorsorglich geregelt hat, bleibt zu hoffen, dass die technischen Voraussetzungen früher bereitgestellt werden können.

Rechtsanwältin Dr. Annerose Tashiro, Registered Foreign Lawyer (SRA)

Mehr Informationen zum Thema Präventiver Restrukturierungsrahmen und zu den Möglichkeiten einer Sanierung außerhalb der Insolvenz unter www.schultze-braun.de/leistungen/restrukturierung/starug