StaRUG: Stimmrechte und Mehrheiten

01. September 2021 Blog Restrukturierung und Sanierung

Die Regelungen zum Stimmrecht und zu den für die Planannahme erforderlichen Mehrheiten orientieren sich am insolvenzplanrechtlichen Vorbild der §§ 217ff. InsO. Es wird dabei darauf verzichtet, die Planannahme nach dem Vorbild des § 244 Abs. 1 InsO von der Erreichung einer doppelten Mehrheit abhängig zu machen, bei der neben einer Summenmehrheit, d. h. einer auf die Summe der Forderungsbeträge bezogenen Mehrheit, auch eine Kopfmehrheit erreicht werden muss. Vielmehr soll im Stabilisierungs- und Restrukturierungsplan eine mit 75 % allerdings qualifizierte Summenmehrheit reichen. Ferner sieht das StaRUG eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung vor, der ein absolutes Prioritätsprinzip mit punktueller Durchbrechungsmöglichkeit zugrunde liegt.

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Dr. Dirk Herzig

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

Über einen Restrukturierungsplan wird in einem geregelten Verfahren von den Planbetroffenen abgestimmt. Der Schuldner hat dabei die Möglichkeit, die Planabstimmung eigenverantwortlich oder in einem gerichtlichen Verfahren durchführen zu lassen. § 24 StaRUG regelt die Zuteilung der Stimmrechte. Das Stimmrecht bestimmt sich bei verzinslichen Forderungen nach dem Betrag der Forderungen (Abs. 1 Nr. 1). Für bedingte, noch nicht fällige unverzinsliche Forderungen oder Forderungen über unbestimmte Geldbeträge ist die jeweils maßgebliche Forderungshöhe nach Maßgabe der §§ 41 ff. InsO zu bestimmen (Abs. 2).

Für die Inhaber von Absonderungsanwartschaften oder gruppeninternen Drittsicherheiten ist der Wert der Sicherheit maßgeblich (Abs. 1 Nr. 2). Haftet der Schuldner dem Inhaber der Anwartschaft persönlich, kann es zu einer Aufspaltung des Stimmrechts kommen: Soweit der Inhaber auf eine Befriedigung aus der Anwartschaft verzichtet oder mit dieser voraussichtlich ausfällt, kann er mit seiner gegen den Schuldner gerichteten Forderung in der Gruppe der Restrukturierungsforderungen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) berücksichtigt werden und steht ihm in dieser Gruppe ein Stimmrecht in Höhe der voraussichtlichen Ausfallforderung zu (Abs. 3).

Für die Inhaber von Mitgliedschafts- und Anteilsrechten bestimmt sich das Stimmrecht nach der Beteiligung am Kapital oder Vermögen des Schuldners, wobei nach dem Vorbild des § 238 Abs. 1 Satz 2 InsO Stimmrechtsbeschränkungen sowie Sonder- oder Mehrfachstimmrechte außer Betracht bleiben (Abs. 1 Nr. 3).

Ist eine Forderung dem Grunde oder der Höhe nach und somit das Stimmrecht streitig, soll dies die Abstimmung nicht verzögern. Im Falle einer außergerichtlichen Planabstimmung kann der Schuldner vorbehaltlich einer späteren Klärung durch das Gericht ein Stimmrecht zuweisen. Zum Zwecke der gerichtlichen Nachprüfung ist in diesem Fall zu dokumentieren, in welchem Umfang und aus welchen Gründen das Stimmrecht streitig war.

Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist gemäß § 25 StaRUG erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens 3/4 der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Dabei werden Planbetroffene, denen eine Forderung oder ein Recht gemeinschaftlich zusteht, als ein Planbetroffener zusammengefasst. Die Summe der Stimmrechte, die auf die in einer Gruppe zusammengefassten Forderungen oder Rechte entfallen, bildet den Bezugswert für die Bestimmung der erforderlichen Mehrheit der dem Plan zustimmenden Voten. Um eine gruppeninterne Dominanz von Großgläubigern zu vermeiden, verlangt § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG eine verpflichtende Bildung von Kleingläubigergruppen, sofern diese planbetroffen sind.

Die in einer Gruppe nicht erreichte Mehrheit kann durch eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung gemäß § 26 StaRUG ersetzt werden. Hierfür dürfen die Mitglieder der negativ votierenden Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden (§ 26 Abs. 1 Nr. 1). Vergleichsmaßstab ist dabei das nächstbeste Alternativszenario, d. h. die Situation, in der sich die Gläubiger im Fall des Scheiterns des Planes wiederfinden würden. Dies ist nicht immer das Liquidationsszenario. Ferner ist Voraussetzung, dass die Mitglieder der überstimmten Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert (Planwert) beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Das Merkmal der angemessenen Beteiligung am Planwert geht dabei im Grundsatz von der absoluten Priorität aus und wird in § 27 StaRUG konkretisiert. § 28 StaRUG läßt von diesem Grundsatz Durchbrechungen zu.

Der absoluten Priorität folgend darf kein anderer planbetroffener Gläubiger mehr als den vollen Betrag seines Anspruchs erhalten (Verbot der Überbefriedigung: Abs. 1 Nr. 1), sind Eingriffe nur unter Wahrung ihres insolvenzrechtlichen Ranges zulässig (Gebot der Rangwahrung: Abs. 1 Nr. 2) und dürfen andere planbetroffene Gläubiger, die gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe sind, keine bessere Befriedigung erhalten (Gebot der Gleichbehandlung von Gruppen gleichen Rangs: Abs. 1 Nr. 3). Neben § 28 StaRUG sieht auch § 27 Abs. 2 StaRUG für die am Schuldner beteiligten Personen eng umgrenzte Ausnahmen von der absoluten Vorrangregel vor.

Nach § 28 Abs. 1 StaRUG ist entgegen § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG eine unterschiedliche Behandlung von Gläubigern möglich, deren Forderungen in einem Insolvenzverfahren gleichrangig wären, wenn die Regelung nach Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist. Nach Abs. 2 kann die absolute Vorrangregel zugunsten des Schuldners oder eines an ihm beteiligten geschäftsführenden Anteilsinhabers durchbrochen werden, sofern sich dieser zu einer erforderlichen Mitwirkung an der Planumsetzung verpflichtet hat (Nr. 1), oder wenn die Eingriffe in die Rechte der dissentierenden Gläubigergruppe geringfügig sind (Nr. 2).

Im Übrigen erfordert die gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG, dass die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat. Bei nur zwei Gruppen genügt die Zustimmung der anderen Gruppe, sofern es sich dabei nicht ausschließlich um Anteilsinhaber oder nachrangige Gläubiger handelt. Auch dies ist eine Abweichung vom insolvenzplanrechlichen Vorbild.

Um Konzernrestrukturierungen zu erleichtern, ermöglicht § 2 Abs. 4 StaRUG auch Eingriffe in gruppeninterne Drittsicherheiten, die von einem verbundenen Unternehmen zur Absicherung von Restrukturierungsforderungen gestellt worden sind. Insoweit sind eigenständige Gruppen von betroffenen Gläubigern gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 StaRUG zu bilden. Mit § 26 Abs. 2 StaRUG ist dann auch sichergestellt, dass das negative Votum einer Gruppe der Inhaber von gruppeninternen Sicherheiten ersetzt werden kann, sofern der Plan nur eine angemessene Entschädigung für den Eingriff in die Sicherheitenrechte vorsieht.

Dr. Dirk Herzig, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

Mehr Informationen zum Thema Präventiver Restrukturierungsrahmen und zu den Möglichkeiten einer Sanierung außerhalb der Insolvenz unter www.schultze-braun.de/leistungen/restrukturierung/starug