StaRUG: Minderheitenschutz

15. September 2021 Blog Restrukturierung und Sanierung

Ein Restrukturierungsplan („Plan“) ist idR mit Eingriffen in die Rechte der Planbetroffenen verbunden. Dies kann dazu führen, dass einer oder mehrere Planbetroffene durch den Plan schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden. Für diesen Fall kann ein Planbetroffener mit einem Minderheitenschutzantrag beim Restrukturierungsgericht gem. § 64 StaRUG verhindern, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde und damit erreichen, dass der Plan nicht bestätigt wird. § 64 StaRUG ist damit die maßgebliche Schutzvorschrift für alle Planbetroffenen, die dem Planangebot nicht zugestimmt haben.

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Dr. Roland Fendel
Dr. Roland Fendel

Rechtsanwalt

1. Rechtfertigung für Eingriffe in Rechte der Planbetroffenen

Der Gesetzgeber rechtfertigt Eingriffe in Gläubiger- und Anteilsrechte der Planbetroffenen im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens damit, dass der Schuldner bei drohender Zahlungsunfähigkeit auch den Weg in ein Insolvenzverfahren wählen könnte, in dem ebenfalls Eingriffe in Gläubiger- und Anteilsrechte möglich sind. Dieser gesetzgeberische Ansatz wurde trotz verfassungsrechtlicher Bedenken bislang nicht ernsthaft in Frage gestellt.

Als „Kompensation“ für Eingriffe in ihre Gläubiger- oder Anteilsrechte stellt der Gesetzgeber allen Planbetroffenen, die dem Plan nicht zugestimmt haben, aber von der Mehrheit der Planbetroffenen überstimmt wurden, mit § 64 StaRUG eine mit „Minderheitenschutz“ überschriebene Schutzvorschrift zur Verfügung.

2. Schlechterstellungsverbot

Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG ist auf Antrag eines Planbetroffenen („Antragsteller“), der gegen den Plan gestimmt hat, die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne ihn stünde (sog. Schlechterstellungsverbot). Das Schlechterstellungsverbot ist aus dem Kriterium des Gläubigerinteresses der Richtlinie abgeleitet, geht aber durch die Einbeziehung auch der Anteilsinhaber über den Schutzmechanismus der Richtlinie hinaus.

3. Vergleichsrechnung

Ob sich der Antragsteller mit dem Plan voraussichtlich schlechter stellt als ohne Plan, ergibt sich aus einer Vergleichsrechnung der wirtschaftlichen Stellung des Antragstellers mit und ohne Plan. Diese Vergleichsrechnung hat der Schuldner gem. § 6 Abs. 2 StaRUG im darstellenden Teil des Plans vorzunehmen, wobei für die Ermittlung der Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen ohne Plan zu unterstellen ist, dass der Schuldner fortgeführt wird, sofern der Plan - was die Regel sein wird - eine Fortführung vorsieht, § 6 Abs. 2 Satz 2 StaRUG. Bezugspunkt für das Vergleichsszenario ist das von dem Schuldner erarbeitete Planszenario. Dieses Planszenario darf den Antragsteller (voraussichtlich) nicht schlechterstellen als ein Szenario ohne den Plan. Der Schuldner hat in seiner Vergleichsrechnung daher darzulegen, dass auch das für die Planbetroffenen nächstbeste Szenario ohne Plan („nächstbestes Alternativszenario“) die Planbetroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht besserstellen würde als das Planszenario. Sieht das Planszenario beispielsweise eine Kürzung der Nominalwerte der Forderungen der Planbetroffenen um 50 % vor, müsste der Schuldner, um nicht gegen das Schlechterstellungsverbot zu verstoßen, darlegen, dass und weshalb die Verkehrswerte der Forderungen der Planbetroffenen im nächstbesten Alternativszenario „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ nicht mehr als 50 % wert sind. Hierbei kann der Schuldner allerdings nicht wie im Insolvenzplanrecht von vornherein ein Liquidationsszenario als Vergleichsmaßstab bzw. nächstbestes Alternativszenario annehmen. Vielmehr ist der Schuldner gehalten, zunächst die typsicherweise in Betracht kommenden Fortführungsszenarien und erst dann, wenn keines dieser Fortführungsszenarien als nächstbestes Alternativszenario in Betracht kommt, ein Liquidationsszenario für seine Vergleichsrechnung heranzuziehen. Hierbei sind insbesondere folgende Fortführungsszenarien denkbar und ggf. kumulativ zu prüfen:

a) Stand-alone Szenario

Beim Stand-alone Szenario muss der Schuldner darlegen, weshalb er nicht in der Lage ist, das Unternehmen aus eigener Kraft und ohne Eingriffe in die Rechte der Planbetroffenen zu restrukturieren.

b) Fortführung im Insolvenzplanverfahren

Hier muss der Schuldner im Rahmen der Vergleichsrechnung darlegen, dass und weshalb eine Anreicherung oder Entlastung der hypothetischen Insolvenzmasse (vgl. §§ 225, 103 ff, 279 InsO) nicht das bessere Alternativszenario im Vergleich zum Plan ist (zB wegen der im Insolvenzplanverfahren anfallenden Kosten etc).

c) Unternehmensverkauf außerhalb eines Insolvenzverfahrens

Hier ist im Rahmen der Vergleichsrechnung zu prüfen, ob der Verkauf des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens das nächstbeste Alternativszenario wäre. Hierzu wird der Schuldner ggf. ein Bewertungsgutachten erheben und/oder eine Marktansprache vornehmen müssen.

d) Verkauf des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen in einem Insolvenzverfahren

Hier wird der Schuldner im Rahmen der Vergleichsrechnung u. a. prüfen und darlegen müssen, ob/dass die Sanierungsaussichten trotz der reduzierten Haftungsrisiken für einen potentiellen Käufer bei einer übertragenden Sanierung nicht besser sind als nach dem Plan bzw. ob/dass das Stigma der Insolvenz einen Verkauf entweder unmöglich macht oder aber den potentiellen Kaufpreis erheblich mindert und somit der Plan die bessere Alternative ist.

e) Liquidation

(Nur) wenn sich keines der potentiell möglichen Fortführungsszenarien als für die Planbetroffenen wirtschaftlich besseres Alternativszenario herausstellt, kann der Schuldner im Rahmen der Vergleichsrechnung die Liquidation des Schuldners unterstellen und damit gem. § 6 Abs. 2 Satz 3 StaRUG Zerschlagungswerte als nächstbestes Alternativszenario ansetzen.

4. Zulässigkeitsvoraussetzungen

Das Restrukturierungsgericht überprüft das Schlechterstellungsverbot nur auf Antrag eines Planbetroffenen, § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. Der Antragsteller muss hierbei bereits im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen und die Schlechterstellung geltend gemacht haben. Andernfalls ist ein (späterer) Antrag auf Minderheitenschutz unzulässig. Im Fall eines gerichtlichen Erörterungs- und Abstimmungstermins muss der Antragsteller darüber hinaus spätestens in diesem Termin glaubhaft machen, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden. Auf diese Obliegenheiten des Antragstellers bzw. Zulässigkeitsvoraussetzungen muss der Schuldner entweder im Planangebot oder in dem Einberufungsschreiben zu einer Versammlung der Planbetroffenen ausdrücklich hinweisen, vgl. § 64 Abs. 4 StaRUG.

5. Darlegungslast des Antragstellers

Dem Antragsteller obliegt die Darlegungslast, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird. Die Darlegung der Schlechterstellung muss dabei hinreichend substantiiert sein. Die bloße Behauptung des Antragstellers, durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt zu werden, reicht nicht aus. Je sorgfältiger der Schuldner deshalb die Vergleichsrechnung nach § 6 Abs. 2 StaRUG erstellt und begründet, umso schwieriger wird es für den Antragsteller, eine (voraussichtliche) Schlechterstellung durch den Restrukturierungsplan darzulegen (und umgekehrt).

6. Unbegründetheit des Antrags auf Minderheitenschutz

Gemäß § 64 Abs. 3 StaRUG ist ein Antrag auf Minderheitenschutz vom Restrukturierungsgericht abzuweisen, wenn im Plan (Geld-)Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener gegen den Plan stimmt. Dies gilt auch dann, wenn ein Minderheitenschutzantrag wegen eines Verstoßes gegen das Schlechterstellungsverbot zulässig und begründet ist. Ob und in welcher Höhe der Antragsteller einen Ausgleich aus diesen vom Schuldner bereitgestellten Mitteln erhält, ist außerhalb der Restrukturierungssache zu klären, § 64 Abs. 3 Satz 2 StaRUG.

7. Fazit

Obwohl bereits ein einziger Minderheitenschutzantrag zur Versagung der Planbestätigung führen kann, ist die Rechtsposition eines Planbetroffenen, der einen Minderheitenschutzantrag gestellt hat, dennoch eher schwach. Dies zum einen deshalb, weil es für den Planbetroffenen idR mit einem hohen Aufwand verbunden ist, die voraussichtliche Schlechterstellung durch den Plan substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen. Im Zweifel wird dies dem Planbetroffenen nur mithilfe eines (privaten) Bewertungsgutachtens gelingen. Zum anderen kann der Planbetroffene selbst mit einem zulässigen und begründeten Minderheitenschutzantrag die Bestätigung des Plans nicht verhindern, sondern lediglich einen finanziellen Ausgleich erreichen, wenn der Schuldner im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt hat, dass der Planbetroffene seine (voraussichtliche) Schlechterstellung nachweist. Im Zweifel wird der Schuldner daher versuchen, Mittel im gestaltenden Teil des Plans für den Fall bereitzustellen, dass ein Planbetroffener eine (voraussichtliche) Schlechterstellung nachweist. Allerdings besteht die Problematik für den Schuldner darin, die richtige Balance für die Höhe der bereitzustellenden Beträge zu finden. Sind nämlich die Mittel - was vor dem Hintergrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die Regel sein dürfte - knapp, könnte die Bereitstellung zu hoher Mittel schnell den Plan selbst gefährden. Und umgekehrt könnte ein zu geringer oder lediglich symbolischer Mitteleinsatz, der die planbedingte wirtschaftliche Schlechterstellung des Antragstellers nicht ausgleicht, einem zulässigen und begründeten Minderheitenschutzantrag doch noch Geltung verschaffen. Von daher wird der Schuldner gut daran tun, sich zur vorsorglichen Abwehr eines Minderheitenschutzantrages nicht alleine auf die Mittelbereitstellung zu konzentrieren bzw. zu verlassen, sondern auf eine sorgfältige Durchführung der Vergleichsberechnung bedacht zu sein.

Rechtsanwalt Dr. Roland Fendel

Mehr Informationen zum Thema Präventiver Restrukturierungsrahmen und zu den Möglichkeiten einer Sanierung außerhalb der Insolvenz unter www.schultze-braun.de/leistungen/restrukturierung/starug