Im Interesse der Gläubiger

19. Oktober 2021 Blog Insolvenzrecht

Im Fokus einer Insolvenz steht die Befriedigung der Gläubiger. Sie können ihre Interessen im Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung vertreten. Häufig stehen Gläubiger aber vor der Frage, inwieweit sie einen Vertreter in ein Gläubigerkomitee entsenden können, sollten oder sogar müssen.

Und selbst wenn die Gläubiger diese Frage für sich klären konnten, gibt es oftmals weitere Fragestellungen zu beantworten – etwa, welche Rechte und Pflichten sowie Besonderheiten es im Zusammenhang mit der Tätigkeit in Gläubigerkomitees zu beachten gilt – auch, weil für Gläubigerkomitees, also Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlungen, unterschiedliche Regelungen gelten.

Gemeinsam ist den Gläubigerkomitees, dass sie in der Praxis oftmals aus Vertretern von Banken, Kreditversicherern, Lieferanten, Arbeitnehmern und der Bundesagentur für Arbeit sowie der Kleingläubiger bestehen. Die Gläubigerkomitees sind dazu da, den Insolvenzverwalter beziehungsweise Sachwalter bei seinen Aufgaben zu unterstützen, aber auch zu überwachen.

Mitglieder eines Gläubigerkomitees können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Zum Beispiel wird in der Regel eine Bank Mitglied eines Gläubigerkomitees sein, die dann wiederum einen Mitarbeiter entsprechend bevollmächtigt. Ein wichtiger Unterschied ist jedoch: Natürliche Personen, die wie zum Beispiel Gesellschafter oder Aufsichtsräte mit dem insolventen Unternehmen verbunden sind, können aufgrund der möglichen Interessenkollision nicht Mitglieder eines Gläubigerausschusses sein – selbst, wenn sie Gläubiger sein mögen. In der Gläubigerversammlung, dem wichtigsten Organ der Gläubigerselbstverwaltung, das in jedem Insolvenzverfahren mindestens einmal stattfinden muss, sind allerdings alle Gläubiger vertreten, also auch die, die mit dem Unternehmen verbunden sind.

Kein Automatismus

Nicht in jedem Insolvenzverfahren gibt es automatisch einen Gläubigerausschuss. Ein solcher Ausschuss wird in der Regel nur in Verfahren eingesetzt, in denen der Schuldner eine Bilanzsumme hat, die mindestens sechs Millionen Euro beträgt (ohne den ausgewiesenen Fehlbetrag laut § 268 Absatz 3 Handelsgesetzbuch), mindestens zwölf Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag und im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer hatte.

Anhand der drei Kriterien, von denen zwei erfüllt sein müssen, lässt sich ablesen, dass es in Insolvenzverfahren, in denen ein Gläubigerausschuss eingesetzt wird, oft um hohe Beträge und Forderungen der Gläubiger geht. Gerade in solchen Verfahren ist es in der Regel sinnvoll, dass sich Gläubiger für die Vertretung ihrer Interessen fachliche Beratung an die Seite holen. Für Banken kann darüber hinaus zum Beispiel neben der Mitarbeit in den Gläubigerkomitees auch die Beteiligung an einem Bankenpool von Vorteil sein.

Wichtige Weichen

In der Regel wird ein Gläubigerausschuss kurz nach dem Insolvenzantrag zunächst als vorläufiger Gläubigerausschuss bis zur ersten Gläubigerversammlung eingesetzt. Die erste Gläubigerversammlung, die es in jedem Insolvenzverfahren gibt, findet als Berichtstermin in der Regel innerhalb von drei Monaten nach der Eröffnung des Verfahrens statt. Beim Berichtstermin sollen die Gläubiger auf Basis eines Berichts des Insolvenzverwalters beziehungsweise Sachwalters in einer Eigenverwaltung oder einem Schutzschirmverfahren über den Fortgang der Sanierung oder die Verwertung der Insolvenzmasse entscheiden.

Die Teilnahme an der oder den Gläubigerversammlung(en) – je nach Dauer des Verfahrens – ist für die beteiligten Gläubiger beziehungsweise Gläubigervertreter eine maßgebliche Möglichkeit, ihre Interessen einzubringen und zu vertreten und auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Fakt ist: Gerade im Berichtstermin werden für den weiteren Verlauf des Verfahrens wichtige Weichen gestellt.

Viel Gestaltungsmöglichkeit und Verantwortung

Die Mitwirkung in Gläubigerkomitees bietet den Gläubigern viel Gestaltungsmöglichkeit. So ist ein Gläubigerausschuss zum Beispiel an der Auswahl des Insolvenzverwalters oder Sachwalters, aber auch an der Entscheidung beteiligt, ob für das insolvente Unternehmen eine beantragte Eigenverwaltung genehmigt wird oder nicht. Eine Kernaufgabe eines Gläubigerausschusses ist es zudem, den Insolvenzverwalter zu überwachen. Das bedeutet, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses zum Beispiel die Buchhaltung einzusehen und den Zahlungsverkehr des Insolvenzverwalters zu prüfen haben. Gegenüber dem Insolvenzverwalter haben die Mitglieder eines Gläubigerausschusses jedoch nur eine Prüfungs-, aber keine Weisungsbefugnis. Gleichwohl muss der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen, wenn er das insolvente Unternehmen schon vor dem Berichtstermin stilllegen oder veräußern will.

Die Überwachung des Insolvenzverwalters ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und Tätigkeit, da sie mit einer persönlichen Haftung der Gläubiger-Vertreter verbunden ist. Sind juristische Personen – also etwa eine Bank – als Mitglied des Gläubigerausschusses bestellt, so haften in der Regel nicht etwa die entsandten Vertreter der Bank persönlich, sondern die Bank als juristische Person. Es ist gleichwohl ratsam und üblich, dass für die Mitglieder des Gläubigerausschusses Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen abgeschlossen werden.

Einflussnahme und Interessensvertretung

Auch die Gläubigerversammlung ist für die Gläubiger ein wichtiges Instrument, um auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen und ihre Interessen zu vertreten. Gleichwohl hat auch die Gläubigerversammlung gegenüber dem Insolvenzverwalter keine Weisungsbefugnis im Hinblick auf seine Amtsführung.

Allerdings kann die Gläubigerversammlung die wichtigsten inhaltlichen Entscheidungen innerhalb des Insolvenzverfahrens treffen und auch eine andere Person zum Insolvenzverwalter wählen. Zudem kann die Gläubigerversammlung über die Einsetzung und Besetzung eines Gläubigerausschusses (im eröffneten Verfahren), den Fortgang des Verfahrens, die Fortführung oder Stilllegung des Geschäftsbetriebs, eine übertragende Sanierung, einen Insolvenzplan sowie die Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren entscheiden. An dieser umfassenden Entscheidungsbefugnis zeigt sich erneut das große Gewicht, das der Gläubigerversammlung als Organ der Gläubiger innerhalb des Insolvenzverfahrens zukommt.

Wichtig ist, dass es für Gläubiger keine Pflicht gibt, sich in einem Gläubigerausschuss oder einer Gläubigerversammlung einzubringen. Gleichzeitig besteht – mit Ausnahme der Gläubigerversammlung – aber auch kein Anspruch auf eine Mitgliedschaft. Wer als Gläubiger seine Interessen in einem Gläubigerausschuss vertreten möchte, sollte das Insolvenzgericht daher vorab darüber informieren, dass er grundsätzlich dazu bereit ist. Dabei sollten Gläubiger jedoch im Blick haben, dass ein Gläubigerausschuss immer dem Interesse aller Gläubiger an einem bestmöglichen Ergebnis des Insolvenzverfahrens verpflichtet ist. Das bedeutet, dass der Vertreter eines Gläubigers – also zum Beispiel der Vertreter einer Bank – seine Entscheidung auch dann am Interesse der Gläubigergemeinschaft ausrichten muss, wenn die Entscheidung zu Nachteilen für den vertretenen Gläubiger führen könnte.

Die Gesamtheit der Gläubiger

Für Gläubiger gilt bei der Mitarbeit in Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung die Devise, sich der Rechte und Pflichten, aber gerade auch der Besonderheiten und der Verantwortung bewusst zu sein. Zudem sollten sie dabei immer die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger im Blick behalten.

Orientieren sich Gläubiger an dieser Devise und holen sie sich im Zweifelsfall für die Mitarbeit in Gläubigerkomitees sachverständige Dritte als Berater an ihre Seite, kann ihnen der Rechte- und Pflichtenkanon als wesentliche Leitplanke dienen und sie können ihre wichtige Rolle bei der Sanierung oder dem Marktaustritt eines insolventen Unternehmens aktiv und sicher ausüben.

Dr. Ludwig J. Weber, LL.M.

ist Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Im Bereich Wirtschaftsrecht bei Schultze & Braun liegt sein Tätigkeitsschwerpunkt im Handels- und Gesellschaftsrecht, oft im Rahmen von Restrukturierungs- und Sanierungsfällen, wie z. B. bei komplexen Kapitalmaßnahmen und Finanzierungsstrukturen oder der Beratung von Haftungssachverhalten. Er besitzt langjährige Erfahrung bei Transaktionen aus der Begleitung diverser M & A-Prozesse im In- und Ausland.