Befristete Absenkung der Umsatzsteuersätze - Stolperfallen im Blick behalten

17. September 2020 Blog Steuerberatung

Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurden die Umsatzsteuersätze befristet für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Das ist Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Ziel ist es, die Verbraucherpreise zu senken und damit den Konsum anzukurbeln.

Unternehmer haben dadurch jedoch einen deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand. Insbesondere aufgrund der befristeten Senkung der Steuersätze für eine Zeitspanne von „nur“ sechs Monaten ergibt sich für Unternehmer die Notwendigkeit ihre Ausgangsumsätze und bezogenen Leistungen für die Anwendung des korrekten Steuersatzes richtig einzuordnen.

Um einem „Wumms“ in Gestalt von Umsatzsteuernachzahlungen bei späteren Betriebsprüfungen oder Umsatzsteuersonderprüfungen vorzubeugen, wollen wir Sie deshalb in diesem Newsletter auf einige ausgewählte Aspekte für die Bestimmung des korrekten Umsatzsteuersatzes hinweisen.

Wir wünschen eine interessante Lektüre.

Birgitt Müller

Steuerberaterin

Dipl.-Betriebswirtin (BA)

Steuersatz richtet sich nach dem Leistungszeitpunkt
Der Steuersatz bestimmt sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung oder Leistung (umsatzsteuerrechtlich) ausgeführt wird. Wann der Vertrag geschlossen wurde, die Rechnung gestellt wurde oder die Zahlung eingegangen ist, ist hingegen nicht ausschlaggebend.

Die Leistungszeitpunkte unterscheiden sich je nachdem, ob eine Lieferung von Gegenständen erfolgt oder der Unternehmer eine Dienstleistung erbringt. Bei der Lieferung von Waren ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Unternehmer dem Kunden die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand überträgt. Im Falle von Versendungs- und Beförderungslieferungen ist dies der Tag des Transportbeginns. Werklieferungen werden demgegenüber mit der Abnahme/Übernahme des fertigen Werks ausgeführt. Dienstleistungen werden im Zeitpunkt ihrer Vollendung erbracht, also am letzten Tag der Leistungshandlungen.

Dauerleistungen
Bei Dauerleistungen handelt es sich um Leistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. So sind etwa Mietverträge, Leasingverträge, Wartungsverträge, Zeitschriftenabonnements oder Lizenzen regelmäßig als Dauerleistungen zu qualifizieren. Dauerleistungen werden umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich an dem Tag ausgeführt, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet.

Beispiel:
Das Unternehmen schließt mit einem Heizungsinstallateur einen Wartungsvertrag für den Zeitraum 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020. Im Vertrag ist die Zahlung einer jährlichen Wartungspauschale von 1.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart.

Anzuwenden ist in diesem Fall der Steuersatz von 16 Prozent für das Wartungsentgelt, da der vereinbarte Leistungszeitraum am 31. Dezember 2020 endet. Hat der Installateur das Entgelt bereits im Januar 2020 unter Anwendung des Steuersatzes von 19 Prozent abgerechnet, ist die Rechnung entsprechend zu korrigieren. Anderenfalls schuldet der Installateur die in der Rechnung ausgewiesenen 19 Prozent, wohingegen das Unternehmen den Vorsteuerabzug aus der Rechnung nur im Umfang von 16 Prozent geltend machen kann. Zivilrechtlich dürfte der Installateur zur Rückzahlung der überhöht abgerechneten Umsatzsteuer verpflichtet sein.

Endet der Leistungszeitraum im Beispiel hingegen am 31. Januar 2021, beträgt der Umsatzsteuersatz 19 Prozent.

Dauerleistung als Teilleistung
Abhängig von den zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen können derartige Dauerleistungen auch als Teilleistungen zu qualifizieren sein. Das wäre dann der Fall, wenn

  1. die vereinbarte Teilleistung wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbar ist,
  2. die Teilleistung schriftlich vereinbart und entsprechend beschrieben ist und
  3. eine gesonderte Abnahme und Abrechnung der Teilleistung erfolgt.

Ein typischer Fall von Teilleistungen sind umsatzsteuerpflichtige Mietverhältnisse, in denen eine monatliche Mietzahlung vereinbart ist. Die monatlichen Mietzahlungen sind umsatzsteuerlich als eigenständige Teilleistungen zu qualifizieren. Die Umsatzsteuer für die einzelne Teilleistung entsteht dabei mit Ablauf des jeweiligen Monats.

Mit Blick auf die Umsatzsteuersenkung bedeutet dies, dass Mietzahlungen bis Juni 2020 dem Steuersatz von 19 Prozent unterlagen und für die Mietzahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2020 16 Prozent Umsatzsteuer zu zahlen sind. Ab Januar 2021 gilt wiederum der Steuersatz von 19 Prozent.

Hinweis zur Anpassung von Verträgen über Dauerleistungen
Verträge über Dauerleistungen (z.B. Mietverträge), die als Rechnungen anzusehen sind, sollten – sofern noch nicht geschehen – für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020 auf die verminderten Umsatzsteuersätze angepasst werden. Dies kann durch eine Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag oder durch die Ausstellung von Dauerrechnungen unter Bezugnahme auf den jeweiligen Vertrag erfolgen.

Anzahlungen
Für Anzahlungen entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich im Zeitpunkt des Zahlungseingangs, jedoch ist für die endgültige Besteuerung der Leistung der Zeitpunkt der abschließenden Leistungserbringung maßgebend.

Bezogen auf die befristete Umsatzsteuersenkung bedeutet dies folgendes:

Werden im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 Leistungen erbracht, für die noch vor dem 1. Juli 2020 Abschlagszahlungen mit 19 Prozent Umsatzsteuer geleistet wurden, ist im Rahmen der Schlussabrechnung auf den maßgebenden Steuersatz von 16 Prozent zu korrigieren.

Für Vorauszahlungen, die im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 vereinnahmt werden gilt der verminderte Steuersatz von 16 bzw. 5 Prozent. Erfolgt die endgültige Leistungserbringung nach dem 31. Dezember 2020, muss in der Schlussrechnung die Anzahlung auf den dann geltenden Steuersatz von 19 bzw. 7 Prozent korrigiert werden.

Das kann wie folgt umgesetzt werden:

Falsche Anwendung des Steuersatzes
Weist der Unternehmer in der Rechnung die Umsatzsteuer zu hoch aus – zum Beispiel 19 anstatt 16 Prozent – schuldet er die in der Rechnung ausgewiesene Steuer von 19 Prozent. Der Kunde darf hingegen – soweit er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist – die Vorsteuer aus der Rechnung nur auf Grundlage des Steuersatzes von 16% geltend machen.

Im umgekehrten Fall, in dem der Unternehmer die Umsatzsteuer in der Rechnung zu niedrig ausweist – etwa 16 anstelle von 19 Prozent – schuldet er aus der Rechnung gleichwohl die gesetzlich geschuldete Steuer in Höhe von 19 Prozent. Der Vorsteuerabzug aus einer solchen Rechnung ist jedoch auf die zu niedrig ausgewiesene Steuer von 16 Prozent beschränkt.

Die steuerlichen Folgen aus einer falschen Anwendung des Steuersatzes lassen sich zwar durch die Korrektur der fehlerhaften Rechnung beheben, was jedoch erhöhten Aufwand bedeutet und im Einzelfall finanzielle Einbußen in Form von Nachzahlungszinsen verursachen kann.

Steuerberaterin Birgitt Müller, Dipl.-Betriebswirtin (BA)