Rechnungs­legung und Jahresabschluss in der Corona-Krise

27. April 2020 Newsletter Steuerberatung

Im Zuge der Corona-Krise werden immer mehr Regeln gelockert, um den Umgang für Unternehmen mit den Folgen der Pandemie zu erleichtern. Das Virus kam zu Jahresbeginn nach Europa und verbreitete sich im ersten Quartal rasant. Das dürfte tiefe Spuren in den Bilanzen der Unternehmen hinterlassen. Daraus ergibt sich die Frage, welche Auswirkungen die Krise für die Rechnungs­legung und das Erstellen und Veröffentlichen der Jahresabschlüsse und Lageberichte hat.

Näheres erfahren Sie in diesem Newsletter. Wir wünschen eine interessante Lektüre.

Oksana Miglietti
Oksana Miglietti

Wirtschaftsprüfer

Steuerberater

Dipl.-Kauffrau (FH)

Rechnungs­legung zum Stichtag 31.Dezember 2019

Etwaige bilanzielle Konsequenzen, die sich aus der inzwischen nahezu globalen Ausbreitung des Coronavirus ergeben (bspw. außerplanmäßige Abschreibungen oder die Rückstellungsbildung), müssen eventuell bereits in den handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüssen zum 31. Dezember 2019 ausgewiesen werden und nicht erst in den Abschlüssen für Folgeperioden. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Ursachen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie bereits vor diesem Datum angelegt waren, sie aber erst zwischen dem Abschlussstichtag und der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses bekanntgeworden sind.

Bei der Beurteilung, welche Auswirkungen die Coronavirus-Epidemie für die Rechnungs­legung hat, muss berücksichtig werden, dass die Ausbreitung ein fortdauernder Prozess ist und nicht etwa ein zeitpunktbezogenes Ereignis. Erste Fälle von Infektionen bei Menschen sind nach derzeitigen Erkenntnissen zwar bereits Anfang Dezember 2019 bekanntgeworden. Damals breitete sich der Erreger allerdings (noch) regional begrenzt aus. Erst die sprunghafte Ausweitung der Infektionen von Januar 2020 an führte zu den aktuellen wirtschaftlichen Auswirkungen. Daher ist nach Auffassung des Instituts der Deutschen Wirtschaft in der Regel davon auszugehen, dass das Auftreten des Coronavirus als weltweite Gefahr erst von diesem Zeitpunkt an als wertbegründend einzustufen ist. In der Folge sind die bilanziellen Konsequenzen der Corona-Epidemie als wertbegründende Ereignisse in den Abschlüssen mit Stichtag zum 31. Dezember 2019 grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

Für Abschlüsse mit Stichtag nach dem 31. Dezember 2019 ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die aktuellen, nach dem Abschlussstichtag gewonnenen Erkenntnisse über die Folgen des Coronavirus als werterhellende Ereignisse angesehen und bei der Bilanzierung (wahrscheinlich) berücksichtigt werden können. Zum 31. März 2020 muss die Pandemie im Abschluss unserer Auffassung nach abgebildet werden.

Verzögerungen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses

Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie kann sich die Aufstellung des Jahresabschlusses verzögern. Das Handelsgesetzbuch (HGB) schreibt vor, dass Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss und Lagebericht für das vergangene Geschäftsjahr in den ersten drei Monaten des neuen Geschäftsjahres aufstellen müssen. Kleine Kapitalgesellschaften haben dafür maximal sechs Monate Zeit. Zwar sieht das HGB keine expliziten Sanktionen vor, wenn die Fristen verletzt werden. Nach dem Strafgesetzbuch ist ein Verstoß allerdings strafbewehrt, wenn die gesetzlichen Vertreter die Zahlungen eingestellt haben, über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Ist es der Gesellschaft hingegen ohne eigenes Verschulden faktisch unmöglich, einen Jahresabschluss fristgerecht aufzustellen, entfällt nach der herrschenden Auffassung der Straftatbestand.

Offenlegen müssen Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften haben dafür längstens vier Monate Zeit. Verstoßen Gesellschaften dagegen, werden sie mit einem Ordnungsgeld sanktioniert. Verzögert sich die Aufstellung des Jahresabschlusses, liegt es nahe, dass es auch zu Verstößen gegen die Offenlegungspflicht kommt. Allerdings sagt das Handelsgesetzbuch, dass im Falle einer unverschuldeten Behinderung, den gesetzlichen Pflichten nachzukommen, das Bundesamt für Justiz auf Antrag eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren kann. Die durch das Coronavirus ausgelösten weitreichenden und unvorhersehbaren Folgen sollten eine solche unverschuldete Behinderung darstellen.

Dabei dürfte es jedoch nicht jeder Verstoß aus einer bisher unterbliebenen Aufstellung oder Offenlegung rechtfertigen, diese Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen. Um Sanktionen zu entgehen, müssen die Gründe für die Verzögerung objektiv mit den Auswirkungen der Corona-Krise zusammenhängen.

Oksana Miglietti, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Dipl.-Kauffrau (FH)