Das Insolvenzgericht entscheidet über Streitigkeiten hinsichtlich der Besetzung des Gläubigerausschusses

06. Mai 2021 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Mitunter gibt es Streitigkeiten hinsichtlich der Besetzung des Gläubigerausschusses, insbesondere bei juristischen Personen als Mitgliedern. Mit dieser Problematik beschäftigt sich auch die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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BGH: Streitentscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts über die Besetzung des Gläubigerausschusses

InsO §§ 67, 68, 70, 80 I
BGH, Urteil vom 11.03.2021 – IX ZR 266/18 (OLG Celle)

I. Leitsatz des Verfassers
Zuständig für die Entscheidung über Streitigkeiten darüber, wer Mitglied im Gläubigerausschuss ist, ist das Insolvenzgericht, nicht das Prozessgericht.

Wird über das Vermögen einer GmbH, die Mitglied in einem Gläubigerausschuss eines anderen Insolvenzverfahrens ist, das Insolvenzverfahren eröffnet, unterliegt ihre Vertretung in dem Gläubigerausschuss dem Verwaltungsrecht ihres Insolvenzverwalters.

II. Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH, die ihrerseits Gläubigerin einer weiteren ebenfalls insolventen GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) ist. Die Gläubigerversammlung der Schuldnerin bestellte bereits 2012 einen Gläubigerausschuss und berief die zu diesem Zeitpunkt noch nicht insolvente Gläubigerin in den Ausschuss. Gleichzeitig bevollmächtigte die Gläubigerin einen Rechtsanwalt, sie im Gläubigerausschuss zu vertreten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gläubigerin widerrief der Kläger die Vollmacht des Rechtsanwalts und machte geltend, die Gläubigerin selbst im Ausschuss der Schuldnerin zu vertreten. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses sowie der Insolvenzverwalter der Schuldnerin vertraten die Auffassung, dass der Rechtsanwalt die Gläubigerin weiterhin im Ausschuss vertrete und luden den Kläger weder zu Sitzungen des Gläubigerausschusses ein, noch unterrichteten sie ihn über die Sitzungen. Der Kläger forderte daraufhin das Insolvenzgericht der Schuldnerin auf, deklaratorisch zu beschließen, dass er die Gläubigerin im Gläubigerausschuss vertreten solle. Das Insolvenzgericht lehnte dies ab, woraufhin der Kläger vor dem LG die Feststellungen begehrte, dass die Gläubigerin im Gläubigerausschuss allein durch ihn vertreten werde und dass der Gläubigerausschuss verpflichtet sei, ihn zu den Sitzungen einzuladen und ihm sämtliche im Ausschuss ausgetauschten Informationen zugänglich zu machen. Während der Kläger vor dem LG unterlag, drang er mit seinen Anträgen vor dem OLG durch, wogegen sich der beklagte Gläubigerausschuss mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wandte.

III. Rechtliche Wertung

Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss ist vermögensbezogene Tätigkeit

Der BGH hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen, die Entscheidung aber dazu genutzt, verschiedene Aspekte klarzustellen.

Es sei eine nicht nur einfachere und kostengünstigere, sondern dem Rechtsschutzinteresse besser gerecht werdende Klärung der Streitfragen durch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts analog § 70 InsO zu erreichen. Bereits aus dem Regelungszweck dieser Norm könne die Befugnis des Insolvenzgerichts abgeleitet werden, deklaratorisch über die Zugehörigkeit einer Person zum Gläubigerausschuss zu entscheiden. Denn ebenso wie ein durch die Gläubigerversammlung bestelltes Ausschussmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht von der Gläubigerversammlung, sondern nur durch Entscheidung des Insolvenzgerichts entlassen werden könne, verlange die Unabhängigkeit der Stellung des Ausschussmitgliedes auch die Möglichkeit der Anrufung des Insolvenzgerichts im Falle der Nichtanerkennung seiner Mitgliedschaftsrechte. Die Feststellung der Mitgliedschaft stelle eine logische Vorfrage für eine Entlassungsentscheidung nach § 70 InsO dar. Mitglieder, die das Mitgliedschaftsrecht eines anderen Mitglieds in Abrede stellen, seien gegebenenfalls zunächst im Wege einer Abmahnung auf das Bestehen des Mitgliedschaftsrechts hinzuweisen und im Falle einer weiteren Leugnung habe das Insolvenzgericht eine entlassungsrelevante Pflichtverletzung des Mitglieds zu prüfen.

Das Feststellungsinteresse ergäbe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger vor Klageerhebung beim Insolvenzgericht erfolglos eine Entscheidung über die Streitfrage beantragt habe. Diese Entscheidung könne der Kläger nach wie vor über eine Untätigkeitsbeschwerde oder bei Versäumung einer Frist für eine sofortige Beschwerde im Wege der Widereinsetzung vor dem Insolvenzgericht verfolgen. Dies sei möglich, da die Entscheidungsbefugnis des Insolvenzgerichts für solche Streitigkeiten bislang noch keiner gesicherten Gerichtspraxis entsprochen habe.

Abschließend stellt der BGH noch heraus, dass der Antrag des Klägers vor dem Insolvenzgericht zum Erfolg führen dürfte. Das Insolvenzgericht habe zu berücksichtigen, dass die Gläubigerin als juristische Person Mitglied im Gläubigerausschuss sei. Die Angabe zu ihrer Vertretung durch den Rechtsanwalt trage dem Bedürfnis der Praxis nach Kontinuität in der Wahrnehmung des Amtes für eine juristische Person als Ausschussmitglied Rechnung. Es handle sich bei der Tätigkeit im Gläubigerausschuss auch um eine vermögensbezogene Tätigkeit der Gläubigerin, so dass der Insolvenzverwalter der Gläubigerin gem. § 80 InsO zuständig und die dem ursprünglichen Vertreter erteilte Vollmacht gem. § 117 InsO erloschen sei. Die Wahrnehmung der Interessen im Gläubigerausschuss gehöre nicht zu den innerverbandlichen Angelegenheiten, die trotz Insolvenz von den Organen der juristischen Person wahrzunehmen seien.

IV. Praxishinweis
Bereits für die veröffentlichte Entscheidung des Berufungsgerichts aus 2018 gab es viel Zustimmung aus der Praxis. So ist auch hier der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zuzustimmen. Die Vertretung im Gläubigerausschuss gehört zu den Vermögensinteressen der Gläubigerin und ist im Falle der Insolvenz derselben vom Insolvenzverwalter wahrzunehmen. Bei Berufung einer juristischen Person in den Gläubigerausschuss sollte wegen der Kontinuität der Ausschussbesetzung auch weiterhin der klarstellende Hinweis auf die Vertretung durch eine natürliche Person erfolgen. Im Fall der Insolvenz des Gläubigerausschussmitglieds führt dies aufgrund der vorliegenden Entscheidung nicht zu einem Kompetenzverlust des Insolvenzverwalters. Darüber hinaus ist es zu begrüßen, dass der BGH klargestellt hat, dass das Insolvenzgericht für die Streitfragen zur Besetzung des Gläubigerausschusses zuständig ist. Nur so kann der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens gerecht werden.

Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht