Auch bei der Anfechtung von Zahlungen Dritter kommt es auf das Vertragsstatut an

01. Juli 2021 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Hat ein Anfechtungssachverhalt internationale Bezüge, stellt sich die Frage, welches Recht bei der Anfechtung zu beachten ist. Grundsätzlich kommt es dabei (auch) auf das Recht des Staates an, dem die angefochtene Handlung unterliegt. Wie verhält es sich aber, wenn ein Dritter, am ursprünglichen Vertragsverhältnis nicht Beteiligter, auf die Schuld eines Vertragspartners zahlt?

Lesen Sie dazu die Besprechung einer aktuellen Entscheidung des EuGH. Wir wünschen eine spannende Lektüre.

Vertragsstatut bestimmt auch Erfüllungsstatut der lex causae bei Einwand gegen die Anfechtung nach Art. 13 EuInsVO (1346/2000)

Art. 13 EuInsVO (VO (EU) 1346/2000); Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I (VO (EU) 593/2008)
EuGH Urteil vom 22.04.2021, C-73/20

I. Leitsatz der Verfasserin
Das auf einen Vertrag anwendbare Recht ist auch für die Zahlung maßgeblich, die ein Dritter zur Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtung leistet. Bei der Anfechtung dieser Zahlung richtet sich der Einwand nach Art. 13 EuInsVO (1346/2000) ebenfalls nach der lex causae des erfüllten Vertrages.

II. Sachverhalt
Zwischen der deutschen Gesellschaft Tankfracht GmbH (T) und dem niederländischen Kaufmann E.A.Friedrichs (F) bestand ein Vertrag über ein Binnenschiff. Der Vertrag unterstand niederländischem Recht. Aus diesem Vertrag schuldete T dem F noch einen Betrag in Höhe von 8260 EUR. Die deutsche Oeltrans Befrachtungsgesellschaft (O) zahlte diesen Betrag, den T dem F schuldete. Über das Vermögen der O wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung vor Ablauf der Verjährung nach § 146 InsO an. F erhob die Einrede der Verjährung.

Der BGH möchte in seinem Vorabentscheidungsersuchen wissen, ob Art. 13 EuInsVO (1346/2000) und Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO dahingehend auszulegen sind, dass das auf einen Vertrag anwendbare Recht auch für die Zahlung maßgeblich ist, die ein Dritter leistet.

III. Rechtliche Wertung
Nach Auffassung des vorlegenden BGH hänge die Beantwortung der für den Einwand nach Art. 13 EuInsVO (1346/2000) maßgeblichen Frage, ob die angefochtene Rechtshandlung dem Recht eines anderen Mitgliedstaates als dem der Verfahrenseröffnung unterliegt, davon ab, ob nach Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO die Zahlung durch O in Erfüllung der Verbindlichkeit von T gegenüber F ebenfalls niederländischem Recht unterliegt.

Der EuGH verweist auf Erwägungsgrund 24 der EuInsVO (1346/2000), wonach die Ausnahme vom Grundsatz der Anwendung der lex fori concurses nach Art. 4 Abs. 2 (m) zwar Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten habe, aber eng auszulegen sei (EuGH C-310/14). Art. 13 verfolge zudem das Ziel, dass die von der angefochtenen Rechtshandlung begünstigte Person insoweit geschützt wird, als dass die Handlung auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin dem Recht unterliegt, das für sie zum Zeitpunkt der Vornahme galt (EuGH C-54/16). Demnach müsse eine Partei, die eine Zahlung erhalten hat, auch davon ausgehen können dürfen, dass das für den Vertrag anwendbare Recht auch für die Zahlung gilt. Das gelte auch für den Fall, dass die Zahlung durch einen Dritten erfolgte. Denn der Vertragspartner könne vernünftigerweise nicht verpflichtet sein vorherzusehen, dass gegen den Vertragspartner oder einen Dritten später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Darüber hinaus verweist der EuGH auf Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO, wonach das auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch insbesondere maßgeblich für die Erfüllung der durch ihn begründeten Verbindlichkeiten ist.

Eine solche Auslegung entspricht dem Ziel von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, den Art. 13 EuInsVO (1346/2000) verfolge.

Der EuGH legt Art. 13 EuInsVO (1346/2000) iVm Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO so aus, dass die angefochtene Zahlung auch durch Dritte unter dem gleichen Recht steht wie der erfüllte zugrundeliegende Vertrag.

IV. Praxishinweis
Während Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO bereits eindeutig den Weg für die hier vorgenommene Auslegung ebnet, ist sicherlich andererseits die Erfüllung durch einen Dritten davor nicht unmittelbar erfasst. 

Der Verweis auf frühere Rechtsprechung (EuGH C-54/16), wonach die Art. 4 und 13 der EuInsVO (1346/2000) gegenüber der Rom I VO (593/2008) lex speciales sei, gibt damit die Zielrichtung vor. Der Begünstigte einer Zahlung müsse im Sinne der Rechtssicherheit darauf vertrauen dürfen, dass auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch die gleichen Spielregeln gelten. Nun könnte man zwar von zwei Vertragsparteien durchaus erwarten, dass sie sich bei Vertragsabschluss darüber Gedanken machen, welchen Einfluss ein Insolvenzverfahren darauf hätte. Gerade aber bei der Erfüllung durch einen Dritten, die bei Vertragsabschluss wohl eher nicht erwartbar ist, greift dieser Gedanke nicht. Deshalb ist die Entscheidung des EuGH konsequent.

Rechtsanwältin Dr. Annerose Tashiro, Registered Foreign Lawyer (SRA)

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