Ansprüche von Bank und Insolvenzverwalter bei unberechtigtem Lastschriftwiderruf

30. Juni 2022 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Versucht ein Lastschriftschuldner, nachdem er von dem Insolvenzantrag über das Vermögen seines Lastschriftgläubigers Kenntnis erlangt hat, die (berechtigte) Lastschrift zu widerrufen, um seine Position im Insolvenzverfahren zu verbessern, kann ihn das teuer zu stehen kommen.  

Lesen Sie dazu eine aktuelle Entscheidung des BGH. Wir wünschen wie immer eine spannende Lektüre.

Dr. Peter de Bra
Dr. Peter de Bra

Rechtsanwalt

BGH: Im Fall des (SEPA-)Lastschriftwiderrufs steht dem Insolvenzverwalter gegen den Zahlungsschuldner des Schuldners ein Anspruch aus der ursprünglichen Forderung zu

BGB §§ 675x II, IV, 362 I, InsO §§ 35 I, 80 I
BGH, Urteil vom 12.05.2022 – IX ZR 71/21 (OLG Hamburg)

I. Leitsatz des Verfassers
Entfällt die aufgrund einer SEPA-Basislastschrift erfolgte Gutschrift auf dem Gläubigerkonto in Folge eines Erstattungsverlangens des Zahlungsschuldners und kommt es zu einer entsprechenden Rückbelastung des Gläubigerkontos, kann der Zahlungsgläubiger seinen Zahlungsschuldner aus der ursprünglichen Forderung auf Zahlung in Anspruch nehmen (Anschluss BGH, Urt. v. 20.6.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269).

In der Insolvenz des Zahlungsgläubigers kann dessen Insolvenzverwalter diesen Zahlungsanspruch aus der ursprünglichen Forderung auch dann geltend machen, wenn das Konto des Zahlungsgläubigers zum Zeitpunkt des Erstattungsverlangens debitorisch geführt worden ist und der dem Kreditinstitut des Zahlungsgläubigers zustehende Ausgleichsanspruch nur eine Insolvenzforderung darstellt.

II. Sachverhalt
Die Beklagte hatte der späteren Schuldnerin eine Einziehungsermächtigung erteilt, aufgrund derer die Rechnungsbeträge für von dieser gelieferte Waren von einem Konto der Beklagten auf das durchgehend debitorisch geführte Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Stadtsparkasse eingingen. Nach Insolvenzantragstellung verlangte die Beklagte von ihrer Bank die Wiedergutschrift der in den letzten Monaten zuvor erfolgten Lastschrifteinzügen. Dies führte zu einer Rückbelastung auf dem Konto der Schuldnerin bei der Stadtsparkasse, die ihrerseits die Forderungen gegen die Schuldnerin zur Insolvenztabelle anmeldete und die Beklagte auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung wegen unberechtigten Lastschriftwiderrufs in Anspruch nahm. Die Beklagte zahlte daraufhin einen Vergleichsbetrag an die Sparkasse. Mit der streitgegenständlichen Klage nimmt der klagende Insolvenzverwalter die Beklagte auf Zahlung aus den ursprünglichen Rechnungen für Warenlieferungen in Anspruch. Die Beklagte rechnet hilfsweise teilweise mit unstreitigen Gegenansprüchen gegen die Forderung auf. Nachdem das Landgericht die Beklagte weitgehend zur Zahlung verurteilt und das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hatte, führte die durch den Senat zugelassene Revision zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

III. Rechtliche Wertung
Der Senat stellt fest, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus den ursprünglichen Forderungen aus Warenlieferungen zustehe. Die Erfüllungswirkung der Bezahlung durch den Lastschrifteinzug sei aufgrund des Erstattungsverlangens der Beklagten entfallen. Die zwischen Zahlungsgläubiger und -schuldner getroffene Erfüllungsvereinbarung sei dahingehend auszulegen, dass die Erfüllung rückwirkend (§ 159 BGB) entfalle, wenn es – ausnahmsweise – zu einer entsprechenden Rückbelastung komme. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei an der Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs gehindert, weil das Konto bei der Sparkasse immer debitorisch geführt worden sei und die Sparkasse lediglich eine Insolvenzforderung in Höhe der Rückbelastung geltend machen könne, sei rechtsfehlerhaft. Der Bestand des Kaufpreisanspruchs hänge insbesondere nicht von dem Eintritt eines Schadens bei dem Zahlungsempfänger in Folge der Rückbuchung ab. Erst recht sei es mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung nicht vereinbar, die Beklagte von ihrer Primärleistungspflicht gegenüber der Masse deshalb zu befreien, weil sich das Insolvenzrisiko eines Dritten – hier: der Inkassobank – verwirklicht habe. Die Beklagte könne dem Anspruch des Klägers auch nicht entgegenhalten, dass sie an die Sparkasse wegen des unberechtigten Erstattungsverlangens bereits Schadensersatz geleistet habe. Diese Zahlungen beträfen ein von dem streitgegenständlichen zu unterscheidendes anderes Schuldverhältnis. Das Urteil des Berufungsgerichts sei daher aufzuheben. Wegen des Teilbetrages, bezüglich dessen die Beklagte die Hilfsaufrechnung geltend gemacht hatte, sei zur Klärung deren Berechtigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV. Praxishinweis
Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt belegt einmal mehr, dass das Insolvenzrecht für Geschäftspartner, aber auch Juristen, die mit diesem Rechtsgebiet nicht täglich zu tun haben, seine Tücken birgt. Dies gilt zum einen für die Beklagte dieses Falles (und deren eventuell vorhandene Berater), die die Nachricht von der Insolvenzantragstellung zum Anlass nahm, berechtigte Lastschriften zu widerrufen und dafür nunmehr in Form der zusätzlichen Schadensersatzzahlung an die Sparkasse einen hohen Preis zahlt. Ohne Kenntnis der Urteilsgründe des Berufungsurteils ist allerdings auch nur schwer nachzuvollziehen, was sich der Berufungssenat bei seiner Entscheidung wohl gedacht haben mag. Es ist erstaunlich genug, dass das Berufungsgericht die auf die ursprüngliche Kaufpreisforderung gerichtete Klage des Insolvenzverwalters daran scheitern lassen wollte, dass ein anderer Gläubiger (nämlich die Sparkasse) die daraus entstehende Mehrforderung gegen die Insolvenzmasse lediglich als Insolvenzgläubigerin geltend machen kann. Dies verstößt, wie der Neunte Senat zu Recht betont, gegen allgemeine zivilrechtliche Grundsätze. Vollends unklar bleibt die Entscheidung des Berufungsgerichts jedoch im Hinblick auf die dadurch dann resultierende wirtschaftliche Situation der Beklagten. Soll diese nach Auffassung des Oberlandesgerichts dann tatsächlich in Höhe des zurückgerufenen Lastschriftbetrages endgültig nicht zur Zahlung der zugrunde liegenden Kaufpreisforderungen verpflichtet sein und somit in entsprechender Höhe einen „Windfallprofit“ erzielen? Dass dieses Ergebnis – erst recht nicht zu Lasten der Insolvenzgläubiger – nicht richtig sein kann, musste sich eigentlich aufdrängen. Alle Beteiligten sollten sich daher im Falle einer Insolvenz nicht durch das ungewohnte Rechtsgebiet irritieren lassen, sondern die Rechtslage in Ruhe durchprüfen.

Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra