Ansprüche aus Patronatserklärungen sind grundsätzlich am Sitz des Patrons geltend zu machen

18. November 2021 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Patronatserklärungen können in der Insolvenz einer Konzerngesellschaft eine große Rolle spielen. Von Bedeutung für den Insolvenzverwalter oder begünstigte Gläubiger ist in internationalen Sachverhalten die Frage, vor den Gerichten welchen Staates gegebenenfalls Klage erhoben werden muss.

Lesen Sie dazu eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

Zuständigkeit für vorinsolvenzliche Patronatsklärungen richtet sich nach der EuGVVO

Art. 1, 4, 7 EuGVVO
BGH, Beschluss vom 06.07.2021 - II ZR 206/20 (OLG Brandenburg)

I. Leitsatz der Verfasserin
Die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 b EuGVVO erfasst nicht vor der Insolvenz erteilte interne harte Patronatserklärungen. Die EuInsVO ist nicht schon wegen der bloßen wirtschaftlichen Verknüpfung mit dem Insolvenzverfahren anwendbar.

II. Sachverhalt
Die dänische Alleingesellschafterin hatte ihrer deutschen Tochter eine harte Patronatserklärung ausgestellt, damit diese gegenüber der Luftaufsichtsbehörde ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit darlegen konnte. Nach Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und Anordnung der vorläufigen Eigen­verwaltung wurde diese Patronatserklärung zur Absicherung des Investorenprozesses und mit Blick auf die Luftaufsichtsbehörde bestätigt und zeitlich befristet. Der Insolvenzverwalter hat die Gesellschafterin mit Sitz in Dänemark vor dem LG Frankfurt/Oder auf Zahlung aus der Patronatserklärung in Anspruch genommen. Das erstinstanzliche Gericht und das Berufungsgericht haben die Klage mangels Zuständigkeit abgewiesen. Auch die Revision bleibt erfolglos. Es erging ein Hinweisbeschluss, dass der Senat gedenke, die Revision zurückzuweisen.

III. Rechtliche Wertung
Der Senat bezieht sich auf ein früheres Urteil (BGH, Beschl. v. 15.6.2021 – II ZB 35/20), wonach ein Anspruch aus einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgegebenen Patronatserklärung dem Zivil- und Handelsrecht, nicht jedoch dem Insolvenzrecht entstammt. Der Zweck der Vorlage bei der Luftaufsichtsbehörde und Vermeidung eines Insolvenzverfahrens genügt für die Anwendung der EuInsVO nicht. Die Bestätigung der Zusage durch die Gesellschafterin nach Antragstellung ändere an der Rechtsnatur nichts. Damit fällt der Rechtsstreit nicht in die Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 b EuGVVO; diese Verordnung ist vielmehr anwendbar.

Allerdings sind die deutschen Gerichte nicht international zuständig. Nach dem allgemeinen Gerichtsstand gem. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO sind die Gerichte am satzungsmäßigen Sitz zuständig; das sind jene in Dänemark. Ein besonderer Gerichtsstand zugunsten Deutschland besteht nicht. In Betracht käme zwar der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art. 7 Nr. 1 a und c EuGVVO. Dies bestimmt sich nach den Kollisionsnormen des deutschen Rechts, da die deutschen Gerichte mit dem Rechtsstreit befasst sind (EuGH, Urt. v. 6.10.1976 – C-12/76; BGH, Urt. v. 27.4.2010 – IX ZR 108/09). Aus den Umständen ergab sich die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts, Art. 3 Abs. 1 Rom I. Der Erfüllungsort für Zahlungsansprüche aus der Patronatserklärung nach §§ 269 Abs. 1 und 2, 270 Abs. 4 BGB ist der Sitz des Zahlungsschuldners, also des Patrons und damit der Sitz der Gesellschafterin in Dänemark. Daran ändere auch der Grund oder Zweck der Patronatserklärung, die Aufrechterhaltung der luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis nach §§ 40 LuftVZO für den deutschen Luftverkehrsraum, nichts. Grund und Gegenstand der Patronatserklärung seien zu trennen, ebenso wie der Ort der Leistungshandlung und des Leistungserfolges. Auch die gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen Patron und Insolvenzschuldnerin ändere nichts, denn daraus erfolgte keine Verpflichtung zur Abgabe der Patronatserklärung.

Im Ergebnis lag mit dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes ebenfalls eine Zuständigkeit der Gerichte in Dänemark vor.

IV. Praxishinweis
Gemäß Art. 3 Abs. 2 des Abkommens vom 19.10.2005 zwischen der EU und Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen teilt Dänemark der Kommission bei jeder Annahme von Änderungen der Vorversion der EuGVVO (VO (EU) Nr. 44/2001) mit, ob es diese Änderungen umsetzen wird. Bezüglich der heute gültigen Fassung der EuGVVO (VO (EU) Nr. 1215/2012) hat Dänemark der Kommission mit Schreiben vom 20.12.2012 mitgeteilt, dass es die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 umsetzen wird (ABl. L 79 vom 21.3.2013, S.4).

Damit sind die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO) auf die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Dänemark anwendbar.

Umgekehrt hat Dänemark die EuInsVO nicht umgesetzt, ErwGr 88 der EuInsVO; Art. 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks (Nr. 22) zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 299–303).

Rechtsanwältin Dr. Annerose Tashiro, Registered Foreign Lawyer (SRA)