Vollmacht und Insolvenz des Vollmachtgebers

03. April 2023 Newsletter Insolvenzrecht

Nicht jeder Auftrag, nicht jede Vollmacht wird von §§ 115 ff. InsO erfasst und erlischt, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftrag-/Vollmachtgebers eröffnet wird.

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Harald Kroth
Harald Kroth

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenzrecht

BGH: Insolvenzfestigkeit der Vollmacht zur Vertretung der Schuldnerin im Insolvenzverfahren

InsO §§ 115, 117
BGH, Beschluss vom 10.10.2022 – IX ZB 41/21 (LG Stade)

I. Leitsatz des Verfassers
Ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag, der nur die Vertretung der Schuldnerin im Insolvenzverfahren zum Gegenstand hat, fällt nicht unter §§ 115 ff. InsO und erlischt daher nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

II. Sachverhalt
Die Schuldnerin wendete sich mit ihrer Erinnerung gegen einen Beschluss des Neunten Zivilsenats des BGH, mit dem ihre Rechtsbeschwerde kostenpflichtig als unzulässig verworfen wurde. Die Schuldnerin begründete ihre Erinnerung damit, dass das Mandat des von ihr vormals bevollmächtigten Vertreters mit dem über ihr Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren erloschen sei und auch der Insolvenzverwalter die Vollmacht widerrufen habe, so dass der vormalige Bevollmächtigte das Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Mandat geführt habe und sie deshalb daraus auch nicht kostentragungspflichtig sei.

Die zulässige Erinnerung blieb erfolglos.

III. Rechtliche Wertung
Zum einen könne im Erinnerungsverfahren eine Änderung der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung nicht mehr erfolgen, daneben lägen auch die Voraussetzungen für eine Niederschlagung der Gerichtskosten nicht vor, weil die Kostengrundentscheidung nicht fehlerhaft sei. Die Schuldnerin sei wirksam vertreten worden. Der dem Rechtsanwalt von der Schuldnerin erteilte Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag, der – wie hier – nur die Vertretung der Schuldnerin zur Durchsetzung ihrer Rechte zum Gegenstand habe, falle nicht unter §§ 115 ff. InsO und erlösche daher, so der BGH unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 20.1.2011 – IX ZB 242/08) mit der Verfahrenseröffnung nicht.

IV. Praxishinweis
Die – auch in der Eigen­verwaltung geltenden – Regelungen in §§ 115 ff. InsO bewirken (schon nach ihrem Wortlaut) mit Verfahrenseröffnung zum Schutz der Insolvenzmasse vor Beeinträchtigungen der gem. § 80 InsO auf den Verwalter übergegangenen Verwaltungs- und Vermögensbefugnis das Erlöschen von Aufträgen, Vollmachten etc. nur, wenn diese sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen. Fehlt dieser Massebezug, so dass auch die Handlungszuständigkeit des Verwalters nicht beeinträchtigt werden kann, bedarf es des gesetzlichen Erlöschens-Automatismus nicht. Damit der Schuldner z. B. sein Beschwerderecht nach §§ 34 Abs. 2, 64 Abs. 2 InsO wahrnehmen und seine Rechte im Insolvenzverfahren durchsetzen kann, muss auch eine Vertretung des Schuldners durch eine vor Verfahrenseröffnung erteilte Vollmacht auch nach der Eröffnung weiterhin möglich sein. Das Gesetz selbst zeigt damit, so der BGH, dass der Erlöschensgrundsatz nicht ausnahmslos geltend kann.

Ergänzend weist der BGH in der Entscheidung darauf hin, dass der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nicht die Kompetenz der Gesellschaft und ihrer Organmitglieder in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Gesellschaft als Schuldnerin im Insolvenzverfahren berührt.

Rechtsanwalt Harald Kroth, Fachanwalt für Insolvenzrecht