Nur eine transparente Vergleichsrechnung führt zum Forderungsverzicht der Gläubiger

08. August 2022 Newsletter Insolvenzrecht

 

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass die Gläubiger nicht auf eine Unzulässigkeit eines Restschuldbefreiungsantrags schließen können, wenn dazu im Insolvenzplan keine Ausführungen enthalten sind. Verschwiegene Tatsachen, die Einfluss auf die Abstimmung der Gläubiger haben können, führen zu einer Versagung der gerichtlichen Bestätigung.

BGH: Unvollständige Vergleichsrechnung gefährdet die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzsplans

InsO §§ 248, 250 Nr. 1, § 286 ff
InsO § 220 Abs. 2
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2022 - II ZB 6/21 (LG Köln)

I. Leitsatz des Verfassers

Der gerichtlichen Bestätigung eines Insolvenzplans, durch den der Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit werden soll, steht nicht entgegen, dass der Schuldner keine Restschuldbefreiung nach den gesetzlichen Bestimmungen erlangen kann.

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person, hat sich der darstellende Teil des Insolvenzplans dazu zu äußern, ob ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden und wie gegebenenfalls der Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens ist; darüber hinaus sind Angaben zu den aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisses des Schuldners erforderlich sowie dazu, ob und gegebenenfalls was sich an diesen Verhältnissen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ändern wird.

II. Sachverhalt

Am 6. November 2008 eröffnete das Amtsgericht Köln über das Vermögen des im Jahr 1944 geborenen Schuldners das (Regel-)Insolvenzverfahren. Der Eröffnung lag ein Gläubigerantrag zugrunde. Trotz entsprechender Belehrung durch das Insolvenzgericht stellte der Schuldner keinen Eigenantrag und beantragte zunächst auch keine Restschuldbefreiung. Einen im Jahr 2014 gestellten Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wies das Insolvenzgericht mangels eines vom Schuldner selbst gestellten Insolvenzantrags zurück. Die sofortige Beschwerde des Schuldners wurde vom Beschwerdegericht mit Beschluss vom 2. Oktober 2019 zurückgewiesen. Anschließend legte der Schuldner einen Insolvenzplan vor. Erklärtes Ziel des Plans war es, dem Schuldner eine sofortige Restschuldbefreiung zu ermöglichen und den Gläubigern eine verbesserte Befriedigung zu verschaffen. Hierzu verpflichtete sich die Ehefrau des Schuldners zu einer Zahlung von 50.000 € sowie zur Begleichung der von der Masse nicht gedeckten Verfahrenskosten. Im darstellenden Teil des vorgelegten Plans wurde eine Quotenverbesserung aufgezeigt. Zu etwaigen Vollstreckungsaussichten der Gläubiger nach Aufhebung des Regelverfahrens schwieg der Plan.

Der Insolvenzplan wurde mit der Stimmen- und Summenmehrheit von sieben Gläubigern angenommen. Ein Gläubiger stimmte gegen den Plan. Das Insolvenzgericht hat den Plan bestätigt. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte keinen Erfolg. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte er weiterhin die Versagung der gerichtlichen Planbestätigung erreichen.

III. Rechtliche Wertung

Der Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens ist wesentlicher Bestanteil einer Vergleichsrechnung im Insolvenzplanverfahren.

Der Bundesgerichtshof hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben. Der Plan enthalte nicht alle nach § 220 Abs. 2 InsO erforderlichen Angaben. Gemäß § 250 Nr. 1 InsO in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung sei die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen zu versagen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden seien und der Mangel nicht behoben werden könne. Das Gericht habe zu prüfen, ob die Vorschriften über den Inhalt des Plans, das Insolvenzplanverfahren, die Annahme durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners beachtet worden seien. Andernfalls habe das Insolvenzgericht ohne Ermessensspielraum die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen abzulehnen.

Der vorgelegte Plan enthalte nicht alle nach § 220 Abs. 2 InsO erforderlichen Angaben, was einen wesentlichen Mangel im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO begründe, der nicht behoben werden könne. Der darstellende Teil enthalte nicht alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich seien. Nach § 220 Abs. 2 InsO seien alle diejenigen Angaben unerlässlich, welche die Gläubiger für ein sachgerechtes Urteil über den Insolvenzplan, gemessen an ihren eigenen Interessen, benötigen. Das maßgebliche Interesse der Gläubiger bestehe regelmäßig in einer möglichst weitgehenden Befriedigung ihrer Forderungen. Für ein sachgerechtes Urteil über einen Insolvenzplan müssten sie daher wissen, wie sich die Befriedigungsaussichten im Falle der Annahme und Bestätigung des Plans im Vergleich zu denen bei einer Fortführung des Regelverfahrens verhielten. Das mache eine Vergleichsrechnung erforderlich, die vorliegend auch über das Ende des Regelinsolvenzverfahrens hinaus zu erstrecken sei. Dies gelte insbesondere, wenn es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handle. Im Rahmen des Möglichen müsse der darstellende Teil des Insolvenzplans den Gläubigern deshalb zunächst Klarheit darüber verschaffen, ob eine Nachhaftung in Betracht komme. Dazu gehöre die Information, ob ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden und wie gegebenenfalls der Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens sei. Neben den Angaben zu einem etwaigen Restschuldbefreiungsantrag und gegebenenfalls zum Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens müsse der darstellende Teil des Plans die Gläubiger darüber informieren, mit welchen nachinsolvenzlichen Befriedigungsaussichten zu rechnen sei. Im Streitfall informiere der darstellende Teil des Plans nicht darüber, dass der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung zurückgewiesen worden sei und die Gläubiger nach Aufhebung eines Regelinsolvenzverfahrens wieder in das Vermögen des Schuldners vollstrecken könnten. Die fehlenden Angaben zum Restschuldbefreiungsantrag und zu einer möglicherweise absehbaren Änderung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse betreffen die nachinsolvenzlichen Befriedigungsmöglichkeiten und damit das Interesse der Gläubiger an einer möglichst weitgehenden Befriedigung ihrer Forderungen. Eine unvollständige Vergleichsrechnung, die - wie hier - geeignet ist, Fehlvorstellungen über die Befriedigungsmöglichkeiten im Falle der Fortführung des Regelverfahrens hervorzurufen, könne Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans haben und die Bestätigung des Planes sei daher von Amts wegen abzulehnen.

IV. Praxishinweis

Beim Studium der Entscheidung beschleicht einen der Verdacht, dass hier ein Insolvenzplan zur Täuschung der Gläubiger vorgelegt wurde oder zumindest – will man es positiv betrachten – ein unerfahrener Insolvenzplanarchitekt am Werk war. Es ist zu begrüßen, dass der BGH den Winkelzügen in diesem Verfahren den Riegel vorgeschoben hat. Ein Insolvenzplan ist ein wunderbares Werkzeug, einen Schuldner schnell aus den Zwängen des Insolvenzverfahrens zu befreien und zum Teil sogar geeignet, weitere Repressionen wie z.B. den Entzug einer berufsrechtlichen Zulassung zu vermeiden. Dabei ist es aber erforderlich, redlich zu agieren und den Gläubigern transparent die bestmögliche Befriedigungsaussicht aufzuzeigen.

Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht