Bei vorinsolvenzlich erfolgter Rückführung besteht kein Rückgewähranspruch

23. Januar 2023 Newsletter Insolvenzrecht

Nach einer aktuellen BGH-Entscheidung genügt die Erfüllung eines anderen, auf ein und dieselbe Leistung gerichteten Anspruchs zum Ausschluss des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs. Entscheidend ist lediglich, dass durch die vorweggenommene Befriedigung die objektive Vermögenslage wieder rechtmäßig hergestellt wird.

BGH: Kein Rückgewähranspruch bei vorinsolvenzlich erfolgter Rückführung

InsO §§ 129 Abs. 1, 143 Abs. 1
BGH, Urteil vom 10.11.2022 - IX ZR 160/21 (OLG Koblenz)

I. Leitsatz der Verfasserin
Eine den insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch ausschließende vorweggenommene Befriedigung kann auch dann anzunehmen sein, wenn die vorinsolvenzliche Rückführung des in anfechtbarer Weise erlangten Gegenstands oder dessen Werts in das Vermögen des Schuldners mit dem Willen zur Erfüllung eines anderen, auf ein und dieselbe Leistung gerichteten Anspruchs erfolgt (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 25.1.2018 - IX ZR 299/16, NZI 2018, 216 Rn. 10 ff.).

II. Sachverhalt
Der klagende Sachwalter hatte im vorläufigen Eigen­verwaltungsverfahren einer GmbH unter dem Vorbehalt der späteren Insolvenzanfechtung acht Steuerzahlungen an das beklagte Land geleistet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangte er die Rückgewähr der Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO. Die Beklagte zahlte jedoch nur einen Teilbetrag zurück, da sich zuvor hinsichtlich drei der angefochtenen Steuerzahlungen eine Überbezahlung ergeben hatte und  der Steuererstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 S. 1 AO bereits erfüllt worden war, infolgedessen der Kläger Klage hinsichtlich des Restbetrages erhob.

Nach Abweisung der Klage mangels objektiver Gläubigerbenachteiligungsabsicht durch das Erstgericht hat das OLG die Beklagte zur Rückgewähr der Zahlungen verurteilt. Der Neunte Zivilsenat des BGH hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurückgewiesen.

III. Rechtliche Wertung
Der BGH  bestätigte zunächst seine ständige  Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 25.1.2018 - IX ZR 299/16), zur Hinderungsmöglichkeit des mit der Verfahrenseröffnung entstehenden insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs durch eine vorinsolvenzlich erfolgte Rückführung des zuvor in anfechtbarer Weise erlangten Gegenstands oder dessen Werts in das Vermögen des Schuldners.

Durch die vorweggenommene Befriedigung wird die einmal eingetretene Gläubigerbenachteiligung rückgängig gemacht. Entscheidend für den Ausschluss des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs ist demnach die Herstellung der Vermögenslage, wie sie nach Verfahrenseröffnung geschaffen werden müsste. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Anfechtbarkeit ist irrelevant. Durch die vorzeitige Befriedigung darf allerdings keine sonstige Forderung des Schuldners beglichen werden, die im eröffneten Verfahren neben dem insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch hätte durchgesetzt werden können und demnach einen eigenständigen Vermögenswert dargestellt hätte.

Ergänzend stellt der BGH nunmehr klar, dass der subjektive Wille des Empfängers der Leistung  mit der Rückgewähr an den Schuldner einen anderen, auf ein und dieselbe Leistung gerichteten Anspruch zu tilgen, unbeachtlich ist. Maßgeblich ist die objektive Vermögenslage. Der Verwalter kann die Rückgewähr ein und derselben Leistung nur einmal verlangen. Dies ist immer dann der Fall, wenn beide Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt stammen und auf ein und dieselbe Leistung gerichtet sind, zwischen ihnen also im eröffneten Verfahren materiell-rechtliche Anspruchskonkurrenz bestünde.

IV. Praxishinweis
Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung ist und bleibt die Rückgängigmachung gesetzeswidriger Vermögenstransfers zur Stärkung der Insolvenzmasse zu Gunsten der Gläubiger. Ist dieses Ziel bereits objektiv durch vorinsolvenzlich erfolgte Rückführung erreicht, ist es nur konsequent, dem Insolvenzverwalter sein „scharfes Schwert“ zu verwehren.

Rechtsanwältin Sandra Dambacher

Mehr Informationen zur Insolvenzanfechtung unter www-insolvenz-anfechtung.de