Kein Abzug vorweggenommener Werbungskosten des Eigentümers bei vorbehaltenem Nießbrauch

06. Juni 2019 Newsletter Erbrecht und Unternehmensnachfolge

Kann ein Eigentümer Finanzierungskosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Mietwohngrundstücks entstanden sind, als vorweggenommene Werbungskosten geltend machen, wenn das Vermietungsobjekt mit einem lebenslangen Nießbrauch belastet ist? Mit dieser Frage hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil befasst.

Seine Antwort und wie Sie beim Übertragen von Vermögen möglicherweise besser vorgehen, erfahren Sie in diesem Newsletter.

Birgitt Müller
Birgitt Müller

Steuerberaterin

Dipl.-Betriebswirtin (BA)

Vermietung und Verpachtung - vorab entstandene Werbungskosten - Nießbrauch
BFH, Urteil vom 19.02.2019 – IX R 20/17

I. Leitsatz der Verfasserin
Der Eigentümer einer Immobilie, die mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten eines Dritten belastet ist, kann Aufwendungen für die Immobilie nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigen.

II. Sachverhalt
Der Kläger und seine Schwester erhielten von ihrer Mutter und ihrer Tante im Schenkungswege ein Mehrfamilienhaus zu Miteigentum von je ½. Mutter und Tante behielten sich jeweils das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an der Immobilie vor. Einige Zeit später erwarb der Kläger von der Schwester deren hälftigen Miteigentumsanteil an der Immobilie für einen Kaufpreis in Höhe von 250.000 €. Der Kaufpreis wurde fremdfinanziert.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für den von der Schwester erworbenen Grundstücksanteil Abschreibungen im Umfang von zwei Prozent der Anschaffungskosten für das Gebäude sowie Schuldzinsen aus der Finanzierung als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Der Kläger wollte die Aufwendungen als Werbungskosten abziehen, weil er plante, das Gebäude nach Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs zu vermieten.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte in der Vorinstanz den Werbungskostenabzug in Bezug auf die Schuldzinsen zugelassen. Die Finanzverwaltung hatte gegen das Urteil Revision eingelegt.

III. Rechtliche Wertung
Der Bundesfinanzhof lehnte den Abzug der Abschreibung und der Schuldzinsen als vorweggenommene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung ab. In seiner Entscheidung führt der BFH aus, dass die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten einen ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird, voraussetzt.

Dabei kommt dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung eine indizielle Bedeutung zu. So lange ein Ende der Nutzung durch den Dritten als Nießbraucher nicht absehbar ist, fehlt es an einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang.

Da ein Ende des Vorbehaltsnießbrauchs im Streitfall nicht absehbar war und der Kläger somit in vorhersehbarer Zeit nicht mit Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung rechnen konnte, hat der BFH den Abzug der Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten verneint.

IV. Praxishinweis
Mit diesem Urteil bestätigt der BFH seine Rechtsprechung in Hinblick auf den Abzug vorweggenommener Werbungskosten bei Nießbrauch. Der Werbungskostenabzug vorab entstandener Aufwendungen ist regelmäßig nicht möglich, wenn ein Ende der Nutzung des Nießbrauchs nicht absehbar ist. In der Praxis ist bei der Planung und Gestaltung von Vermögensübertragungen zu prüfen, ob nicht andere Möglichkeiten als eine unentgeltliche Übertragung gegen Nießbrauch in Betracht kommen, z.B. Varianten mit entgeltlichem oder teilentgeltlichem Charakter.

Bei Nießbrauchsgestaltungen ist grundsätzlich zu beachten, dass Aufwendungen nur beim Nießbrauchsberechtigten steuerlich berücksichtigt werden können, sofern dieser das Vermögen nutzt, um Einkünfte zu erzielen, und er die Aufwendungen selbst trägt.

Steuerberaterin Birgitt Müller, Dipl.-Betriebswirtin (BA)