Sanierungsgutachten: Die Basis für die Sanierung schaffen

19. Oktober 2021 Blog Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung

Um mit Kreditgebern während einer Sanierung weiter über eine mögliche Finanzierung verhandeln zu können, ist ein Sanierungsgutachten unerlässlich. Wieso das für Rechtssicherheit aller Beteiligten sorgt und deshalb auch für Sanierungsberater ein wichtiges Instrument ist, erläutert Guido Koch.

Herr Koch, wann benötigen Unternehmen ein Sanierungsgutachten?

Koch: Wenn Unternehmen in eine Schieflage geraten, sind Kreditgeber in der Regel nur zu einer weiteren Begleitung oder gar weiteren Krediten bereit, wenn die Sanierungsfähigkeit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Regeln bestätigt wird. Ein Sanierungsgutachten ist unter anderem für die Verhandlungen mit den Kredit- beziehungsweise Geldgebern – also Banken, Investoren oder Lieferanten – wichtig und zielt darauf ab, durch Transparenz deren Vertrauen zu erhalten oder wiederherzustellen. Mit einem solchen Gutachten wird ein qualifiziertes und aussagekräftiges Urteil über die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dokumentiert. Um für die nötige Neutralität zu sorgen, müssen Geschäftsführer oder Vorstände in einem solchen Fall externe Fachleute mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens beauftragen. Als üblicher Rahmen für die Erstellung von Sanierungsgutachten hat sich der vom Institut der Wirtschaftsprüfer, kurz IDW, entwickelte Standard IDW S 6 etabliert.

Wie genau gehen Sie in der Regel dabei vor?

Koch: Der erste Schritt ist immer eine eingehende Analyse der Ist-Situation. Anhand der aktuellen Zahlen aus der Buchhaltung sowie vergangener Bilanzen analysieren wir die Krisenursachen und erstellen einen aktuellen Finanzstatus. Damit können wir eine akute Insolvenz erst einmal ausschließen. In einem zweiten Schritt erarbeiten wir dann ein Leitbild des Unternehmens, aus dem wir Sanierungsmaßnahmen ableiten. Die integrierte Sanierungsplanrechnung umfasst eine Liquiditäts-, Ertrags- und Bilanzplanung, richtet den Blick in die Zukunft und beziffert den Finanzbedarf des Unternehmens. In der Regel erfolgt auf Grundlage der Planung während des Sanierungszeitraums eine weitere Begleitung des Unternehmens.

Wie sieht Ihr Angang aus?

Koch: Wir nähern uns den Unternehmen zum einen über die Zahlenwelt, aber bewusst auch über qualitative Faktoren, insbesondere das Management. So können wir uns das Unternehmen aus unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkeln anschauen. Mit Hilfe der Planung lassen sich unterschiedliche Szenarien durchspielen und auf dieser Basis ein Zukunftsausblick erstellen. Gerade Fremdkapitalgeber leiten aus unserer Planung ab, ob sie das kriselnde Unternehmen in Zukunft weiter begleiten möchten oder nicht. Dem Management ebnet das Gutachten somit den Weg für eine professionelle Krisenbegleitung, die gleichzeitig durch ihre Unabhängigkeit überzeugen kann.

Sie betreuen Unternehmen jeder Größe – von der Arztpraxis bis zum Dax-Konzern. Was zeichnet ihre Arbeit besonders aus?

Koch: Wir haben viel Erfahrung in Krisensituationen und kennen die Spezifika vieler Branchen. Zum Beispiel macht es ja beim Absatz oder der Herstellung durchaus einen Unterschied, ob ich zum Beispiel für ein produzierendes oder ein Dienstleistungs-Unternehmen tätig bin. Wir arbeiten in spezialisierten Teams mit Kollegen aus anderen Abteilungen zusammen, in denen jeder für einen anderen Teilbereich verantwortlich ist. Bei der Erstellung eines Sanierungsgutachtens kommt zum betriebswirtschaftlichen auch juristisches Know-how hinzu. Für die Recherche zu Markt- und Wettbewerbsfragen greifen wir außerdem auf branchenspezifische renommierte Datenbanken und Experten zurück.

Das heißt, dass Sie die Arbeit hauptsächlich mit eigenen Mitarbeitern machen?

Koch: Ja, das ist definitiv der Vorteil einer mittelgroßen Einheit wie wir das sind. Bei Bedarf können wir auch schnell Experten aus anderen Bereichen hinzuziehen – sei es zum Beispiel bei Fragstellungen aus dem Arbeitsrecht oder mit grenzüberschreitenden Bezügen. Hinzu kommt: Unsere Experten haben meist bereits als Team zusammengearbeitet. Uns ist aber bewusst, dass wir mitunter einen speziellen Bereich auch nicht selbst abdecken können – etwa, wenn viele Mandate gleichzeitig laufen. Dann – das ist in maximal fünf Prozent der Fälle so – arbeiten wir mit uns bekannten externen Beratern zusammen.

Was kommt nach dem Sanierungsgutachten?

Koch: Das Sanierungsgutachten schafft in Regel die Möglichkeit, das Unternehmen nachhaltig zu sanieren. Aber selbst, wenn ein Sanierungsversuch zunächst nicht aussichtsreich erscheint, beraten wir über darüberhinausgehende Sanierungsoptionen wie etwa die Sanierung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung. Das ist immer eine Gratwanderung: Keiner will eine Insolvenz, aber manchmal geht es eben nicht anders. Dann ist das die einzige Chance zur Sanierung. Und eine Chance ist auch für die Kreditgeber allemal besser als überhaupt keine Sanierung.

Der Interviewpartner

Guido Koch

ist Dipl.-Kaufmann, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei Schultze & Braun. Zu seinen Spezialgebieten gehören neben den unterschiedlichen Themenaspekten aus der betriebswirtschaftlichen Restrukturierung und der Wirtschaftsprüfung auch die Beratung in Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren.