Ein Lotse für die Restrukturierung

14. Oktober 2021 Blog Restrukturierung und Sanierung

Ist ein Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten, sind eine Eigenverwaltung, aber auch eine StaRUG-Restrukturierung eine Option. In beiden spielt der Chief Restructuring Officer (CRO) eine zentrale Rolle. Er plant und steuert das Projekt und hat dabei immer das große Ganze im Blick.

Mit dem CRO verhält es sich im Grund wie mit dem Lotsen auf einem Schiff: Er kommt an Bord, wenn es darum geht, eine gefährliche Situation zu meistern – ein Projekt, bei dem sogar der Kapitän des Schiffes, der normalerweise den Kurs vorgibt, Unterstützung benötigt und der Lotse viel Erfahrung sowie spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten mit an Bord bringt.

Auf der Brücke eines Unternehmens berät der CRO die Geschäftsführung, übernimmt vorübergehend das Steuer in bestimmten Teilbereichen und behält immer die möglichen Gefahrenstellen im Blick. Der Lotse kennt sein Seegebiet wie seine Westentasche – der CRO weiß, wo das Fahrwasser der Restrukturierung so tief ist, dass das Unternehmen dabei alle Klippen erfolgreich umschifft. Wichtig ist: Der CRO ist nicht dazu da, in der Unternehmenskrise die Geschäftsführung zu ersetzen – genauso wie der Lotse dem Kapitän seine Brücke wieder übergibt, wenn das Schiff die gefährliche Stelle erfolgreich hinter sich gelassen hat. Ebenfalls ist zu betonen, dass der CRO nur soweit das Steuer übernimmt, wie es die aktuelle Situation erfordert. In operativen Fragen, die produktspezifische Detailkenntnisse erfordern, kann und wird der CRO nur beratend zur Seite stehen, hier steuert aber weiter der Kapitän.

Maßgeblich für einen guten CRO ist eine professionelle Projektsteuerung. Zudem ist ein guter CRO ein Vordenker, der die notwendigen Kurskorrekturen bereits im Vorfeld geplant hat und nicht erst aktiv wird, wenn die Klippe in Sicht kommt. Ist der CRO für eine große Kanzlei tätig, kann er bei Bedarf sogar relativ einfach Experten aus anderen Bereichen hinzuziehen – sei es aus dem Arbeitsrecht, aus der Betriebswirtschaft oder bei grenzüberschreitenden Fragestellungen. Diese Experten haben meist bereits als Team agiert und wissen, dass die Zusammenarbeit funktioniert.

Klare Aufgabenverteilung

Dadurch, dass sich der CRO und sein Team in der Regel um die insolvenzrechtlichen Belange einer Restrukturierung oder Sanierung kümmern, ist ihr Aufgabenfeld klar strukturiert und begrenzt. Ein CRO ist daher eine gute Ergänzung zu Beratern wie zum Beispiel den Steuerberatern oder den Anwälten von Unternehmen, die entweder über kein insolvenzrechtliches Know-how verfügen oder die Rolle und – das gehört auch dazu – (Haftungs-)Risiken eines CRO nicht übernehmen wollen. Oft suchen Geschäftspartner zudem einen Schuldigen für die finanzielle Schieflage, obwohl es den nicht immer gibt. Als Außenstehender kann ein CRO hier das Konfliktpotenzial zwischen den Beteiligten moderieren und reduzieren.

In der Regel tritt ein CRO für die Dauer der Restrukturierung in die Geschäftsführung ein. In einer eigens verabschiedeten Geschäftsordnung wird definiert, welche Aufgaben bei den Geschäftsführern und Beratern bleiben und welche der CRO übernimmt. Meistens bleibt das operative Geschäft bei der Geschäftsführung, während der CRO ihr die sanierungs- und insolvenzrechtlichen Pflichten abnimmt. Dazu zählen auch die Kommunikation – mit den Medien und der Öffentlichkeit, aber auch mit den Arbeitnehmern, zum Beispiel im Hinblick auf das Insolvenzgeld. Der Vorteil ist, dass die Entscheidungen und Auswirkungen der Restrukturierung mit dem CRO und nicht direkt mit der Geschäftsführung verbunden werden – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Denn nach Abschluss der Restrukturierung scheidet mit dem CRO der „Verantwortliche“ aus dem Unternehmen aus.

CRO im StaRUG-Verfahren

In einer gerichtlichen Eigenverwaltung ist ein CRO immer sinnvoll. Aber auch in einer StaRUG-Restrukturierung, die ja hauptsächlich außergerichtlich abläuft, ist ein CRO von Vorteil. Es ist auch möglich, dass das Gericht einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten bestimmt. Der Restrukturierungsbeauftragte hat wie der CRO das Verfahren und die Restrukturierung zu fördern. Insoweit decken sich die Intention der beiden in der Regel, auch wenn die Wege zur Sanierung nicht immer deckungsgleich sein müssen.

Je nach Größe des Unternehmens, das eine StaRUG-Restrukturierung initiiert, fokussieren sich die Geschäftsführer stark darauf, was ihnen selbst in dieser Situation passieren kann. Da ist es hilfreich, wenn sie als CRO jemanden mit Restrukturierungs- und insolvenzrechtlicher Expertise an ihrer Seite haben – einmal Lotse, immer Lotse.

Michael Böhner

ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Seine Spezialgebiete sind die Übernahme der CRO-Funktion in Eigenverwaltungen, Schutzschirmverfahren oder StaRUG-Restrukturierungen und die Beratung von Unternehmen, wenn ihr Geschäftspartner sich in einer Krise befindet.

Dr. Jürgen Erbe, MBA

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun. Er wird im Raum Mannheim und Frankfurt an verschiedenen Gerichten bestellt und hat bereits zahlreiche Unternehmen in ihren Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren begleitet – als Insolvenzverwalter, Sachwalter und als CRO.