Zustellungen an den ehemaligen Insolvenzverwalter wirken auch für den neuen Insolvenzverwalter

07. September 2023 Newsletter Restrukturierung und Sanierung

Mitunter kommt es in einem Insolvenzverfahren zu einem Wechsel des Verwalters. Dann stellt sich die Frage, inwieweit der neue Verwalter an Handlungen des alten Verwalters gebunden ist. Lesen Sie dazu eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

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Stefano Buck
Stefano Buck

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenzrecht

BGH: Die von oder gegenüber einem Verwalter vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben nach seiner Abberufung auch gegenüber dem neu bestellten Verwalter wirksam

GesO § 1 Abs. 3, § 20; ZPO §§ 318, 329, 569 Abs. 1 Satz 1

BGH, Beschluss vom 16.03.2023 – IX ZB 28/22 (LG Magdeburg)

I. Leitsatz des Verfassers

Die von oder gegenüber einem Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben nach seiner Abberufung auch gegenüber dem neu bestellten Verwalter wirksam. Das gilt namentlich für gerichtliche Zustellungen und damit in Lauf gesetzte Fristen.

Lehnt das Gericht es ab, einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss von Amts wegen zu ändern, eröffnet dies kein Rechtsmittel zugunsten eines Beteiligten, für den die Beschwerdefrist gegen diesen Beschluss bereits abgelaufen ist.

II. Sachverhalt

Am 1.10.1997 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt. Am 30.7.2008 nahm die Gläubigerversammlung einen Vergleich an. Das Gesamtvollstreckungsgericht bestätigte den Vergleich mit Beschluss vom 21.4.2009. Mit Beschluss vom 11.9.2009 setzte es auf Antrag des Beteiligten zu 2 dessen Vergütung auf insgesamt 17.493.000 EUR fest. Mit Beschluss vom 4.4.2017 berief das Gesamtvollstreckungsgericht ihn als Gesamtvollstreckungsverwalter der Schuldnerin ab und bestellte zugleich einen neuen Verwalter. Dieser verstarb 2019. Daraufhin bestellte das Gesamtvollstreckungsgericht mit Beschluss vom 3.7.2019 den weiteren Beteiligten zu 1 zum Gesamtvollstreckungsverwalter. Mit Schriftsatz vom 29.10.2020 regte der Beteiligte zu 1 gegenüber dem Gesamtvollstreckungsgericht die Aufhebung des Vergütungsbeschlusses vom 11.9.2009 von Amts wegen an. Zugleich legte er sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein.

Mit Beschluss vom 4.2.2021 hat das Gesamtvollstreckungsgericht seinen Beschluss vom 11.9.2009 geändert und die Vergütung des Beteiligten zu 2 auf 6.500.000 EUR festgesetzt. Auf dessen sofortige Beschwerde hin hat das Landgericht den Änderungsbeschluss aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgte der Beteiligte zu 1 sein bisheriges Begehren weiter. Im Ergebnis ohne Erfolg.

III. Rechtliche Wertung

Die von oder gegenüber einem Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben nach seiner Abberufung auch gegenüber dem neu bestellten Verwalter wirksam.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Vergütungsbeschluss vom 11.9.2009 sei unzulässig. Der Ablauf der zweiwöchigen Frist gem. § 1 Abs. 3, § 20 GesO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Einlegung des Rechtsmittels durch den Beteiligten zu 2 binde auch den Beteiligten zu 1 als dessen Nachfolger im Amt des Gesamtvollstreckungsverwalters.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts wende, eine Änderung der Vergütungsentscheidung durch das Gesamtvollstreckungsgericht von Amts wegen sei nicht mehr statthaft gewesen, sei die Rechtsbeschwerde unzulässig. Dem Beteiligten zu 1 fehle insoweit eine Beschwerdebefugnis, weil der Vergütungsbeschluss zumindest ihm gegenüber nach Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde rechtskräftig geworden sei. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Änderung eines an sich mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschlusses von Amts wegen innerhalb laufender Beschwerdefrist (BGH, ZIP 2006, 1651) vermöge kein Rechtsmittel gegen eine die Änderung von Amts wegen ablehnende Entscheidung zugunsten eines Beteiligten zu eröffnen, für den die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sei. Deshalb würde § 569 Abs. 1 ZPO (iVm § 1 Abs. 3, § 20 GesO) unterlaufen.

IV. Praxishinweis

Entgegen der Rechtsbeschwerde war der Vergütungsbeschluss vom 11.9.2009 schließlich auch nicht nichtig. Wie im Fall von Urteilen oder Verfügungen kann die Nichtigkeit eines Beschlusses nur ausnahmsweise und bei schwersten Verfahrensfehlern angenommen werden (vgl. BGHZ 37, 125). Dafür war im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Hierauf wies der Senat ausdrücklich hin.

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht