Begrenzte Mehrvergütung für Mehr-Arbeit
BGH: Absolute Grenze für Mehrvergütung des Insolvenzverwalters bei freihändiger Verwertung absonderungsbelasteter Gegenstände
InsO § 63 I; InsVV § 1 II Nr. 1
BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – IX ZB 85/19 (LG Memmingen)
I. Leitsatz des Verfassers
Im Fall der freihändigen Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter kann dieser Anspruch auf eine Mehrvergütung haben, die sich auf höchstens 2 % des Verwertungserlöses beläuft.
Ist zwischen Verwalter und Absonderungsberechtigten allgemein ein Kostenbeitrag für die Verwertung einer Immobilie zu Gunsten der Masse vereinbart worden, beträgt der für die Vergütung maßgebliche Anteil der Feststellungskosten 4/9 dieses Beitrags.
Bei der zur Ermittlung der Höhe der Mehrvergütung gebotenen Vergleichsberechnung ist jeweils darauf abzustellen, wie hoch die Vergütung unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen konkret wäre. Der auf höchstens 50 % der Feststellungskosten begrenzte Differenzbetrag bildet abschließend die dem Insolvenzverwalter zu gewährende Mehrvergütung.
II. Sachverhalt
In dem am 3.9.2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. GmbH (Schuldnerin) veräußerte der Insolvenzverwalter u.a. eine mit Absonderungsrechten belastete Betriebsimmobilie der Schuldnerin freihändig; mit den Absonderungsberechtigten hatte er einen Kostenbeitrag vereinbart. Mit diesem vereinbarten Kostenbeitrag flossen der Masse aus weiteren gesetzlichen Feststellungskostenbeiträgen insgesamt 323.708,91 EUR zu. Die Masse abzüglich der durch die Veräußerung der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände erzielten Erlöse belief sich auf 4.377.506,42 EUR. Der Insolvenzverwalter legte für seine Tätigkeit eine Mehrvergütung nach § 1 II Nr. 1 InsVV in Höhe der Hälfte der vorgenannten Kostenbeiträge, nämlich 161.854,46 EUR, zugrunde und beantragte einen Zuschlag in Höhe der 1,1-fachen, die Mehrvergütung einschließenden Regelvergütung. Das Insolvenzgericht erkannte Zuschläge von 40 % auf die Regelvergütung einschließlich Mehrvergütung zu. Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters sowie seine vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.
III. Rechtliche Wertung
Verwertet der Insolvenzverwalter freihändig eine mit Absonderungsrechten belastete Immobilie, kann sich daraus ein Anspruch auf eine allerdings absolut gedeckelte Mehrvergütung ergeben.
Die Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung war gleichwohl rechtsfehlerhaft, beschwerte aber den Insolvenzverwalter nicht.
Dem Insolvenzverwalter stehe, so der BGH, auch bei einer auf Basis eines für die Masse vereinbarten Kostenbeitrags durchgeführten freihändigen Verwertung einer mit Absonderungsrechten belasteten Immobilie nicht nur eine Vergütung zu, die (nur) gem. § 1 II Nr. 1 S. 3 InsVV nach der um den vereinnahmten Kostenbeitrag erhöhten Masse berechnet wird, sondern eine entsprechend § 1 II Nr. 1 S. 1 und 2 InsVV berechnete Vergütung.
Der Anwendungsbereich von § 1 II Nr. 1 S. 1 und 2 InsVV dürfe nicht auf die Fälle mit gesetzlich geregelten Feststellungskostenbeiträgen begrenzt werden, sondern sei einerseits zum Schutz der Masse und der Gläubiger vor einer Aushöhlung durch eine überhöhte Vergütung, andererseits aber auch als Motivationsanreiz für die Aktivitäten des Insolvenzverwalters bei der Verwertung aller mit Absonderungsrechten belasteten Massegegenstände, also auch bei der freihändigen Veräußerung belasteter Immobilien, anzuwenden.
Entsprechend der gesetzlichen Begrenzung der Mehrvergütung bei beweglichen Gegenständen sei auch die Mehrvergütung bei der freihändigen Verwertung absonderungsrechtsbelasteter Immobilien auf maximal 2 % des daraus erzielten Erlöses zu beschränken.
Da § 1 II Nr. 1 S. 2 InsVV auf einen Beitrag für Feststellungskosten des Insolvenzverwalters abstelle, müsse, wenn bei einer freihändigen Verwertung die Masse- oder Kostenbeteiligung nur allgemein vereinbart worden sei, angenommen werden, dass darin sowohl ein Feststellungs- als auch ein Verwertungskostenanteil enthalten sei und diese Anteile entsprechend § 171 II 1, 2 InsO mit 4 % und 5 % anzusetzen seien. Daher belaufe sich bei einer freihändigen Veräußerung der absonderungsrechtsbelasteten Immobilie durch den Insolvenzverwalter der Anteil der Feststellungskosten an einem nicht näher definierten Kostenbeitrag im Zweifel auf 4/9.
Diese Deckelung auf 50 % der zugeflossenen Feststellungskosten stelle eine absolute Grenze der Mehrvergütung dar, die auch durch Zuschläge nach § 3 InsVV nicht erhöht werden könne.
Bei Beachtung dieser Grundsätze hätte sich nach der vom BGH angestellten Berechnung mit dem beantragten Zuschlag von 110 % eine Vergütung von 347.459,72 EUR ergeben. Von den Vorinstanzen zuerkannt worden war aber eine Vergütung von 388.016,42 EUR, so dass der Insolvenzverwalter nicht beschwert war.
IV. Praxishinweis
Der BGH schließt sich mit der Entscheidung hinsichtlich der Mehr- oder Sondervergütung bei der freihändigen Verwertung von Grundstücken, die mit Absonderungsrechten belastet sind, der ganz überwiegenden Auffassung an und bejaht eine Sondervergütung /(Regel-)Mehrvergütung durch eine entsprechende Anwendung des § 1 II Nr. 1 S. 1 InsVV mit der Kappung entsprechend § 1 II Nr. 1 S. 2 InsVV auf 50 % des Feststellungskostenbeitrags oder auf 2 % des Verwertungserlöses.
Trifft der Insolvenzverwalter Verwertungsvereinbarungen, die (auch) einen Massebeitrag enthalten, der nicht aufgeschlüsselt ist in einen Feststellungs- und einen Verwertungskostenanteil, so ist, da es sich nach § 1 II Nr. 1 S. 2 InsVV um einen der Masse zugeflossenen Feststellungskostenbeitrag handeln muss, nach der Entscheidung davon auszugehen, „dass sich der Anteil der Feststellungskosten an einem nicht näher definierten Kostenbeitrag im Zweifel auf 4/9 beläuft.“ Der vereinbarte Massebeitrag (9/9) wird also entsprechend der gesetzlichen Regelung für bewegliche Gegenstände in einen Feststellungskostenbeitrag (4/9) und einen Verwertungskostenbeitrag (5/9) zerlegt, wenn die Aufteilung weder ausdrücklich vereinbart ist, noch sich aus der Vereinbarung Anhaltspunkte für eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Aufteilung ergeben.
Diese Mehrvergütung ist, was der BGH unter Hinweis auf seine von Teilen des Schrifttums missverstandenen Entscheidungen aus 2006 und 2013 (Rn. 22) ausdrücklich betont, zwar Bestandteil der Regelvergütung, auf die sich auch Zu- und Abschläge gem. § 3 InsVV beziehen, gleichwohl darf diese Kappungsgrenze in Höhe von 50 % der Feststellungskosten auch durch Zuschläge nicht überschritten werden, sie ist absolut. Die Mehr- und Regelvergütung im Übrigen darf über diese Grenze hinaus nicht um Zuschläge erhöht werden, die Kappungsgrenze ist eine absolute Grenze. Durch Vergleichsberechnungen ist sicherzustellen, dass die Grenzen nicht überschritten werden.
Die vom BGH für die Praxis nunmehr vorgegebene absolute Begrenzung kann gegenüber der abweichenden Auffassung im Einzelfall zu einer erheblich geringeren Vergütung führen, was auch am entschiedenen Fall durch die nachfolgende Berechnung – die Beträge sind der Entscheidung entnommen bzw. abgeleitet; der Insolvenzverwalter dürfte danach eine Vergütung von 582.084,63 EUR netto beantragt haben – deutlich wird:

Bei Verwertungsvereinbarungen ratsam sein dürfte, die Höhe eines Feststellungs- und Verwertungskostenbeitrags konkret zu bestimmen, da das Gericht andernfalls eine Berechnung entsprechend dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel von 4/9 und 5/9 vornehmen wird.
Rechtsanwalt Harald Kroth, Fachanwalt für Insolvenzrecht
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