Vorsteuerabzug: Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment

11. Juli 2019 Newsletter Steuerberatung

Für den Bundesfinanzhof ist es ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen versagt werden kann, wenn diese als Leistungsbeschreibung Angaben wie bspw. „Hosen“, „Pulli“ oder „Blusen“ enthalten und es sich um Waren im Niedrigpreissegment handelt.

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Birgitt Müller
Birgitt Müller

Steuerberaterin

Dipl.-Betriebswirtin (BA)

Der Bundesfinanzhof hat sich in einem Beschluss vom 16.05.2019 (XI B 13/19) mit der Frage des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen im sog. Niedrigpreissegment beschäftigt. Strittig war die Frage, ob es für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Waren im Niedrigpreissegment ausreicht, in der Rechnung lediglich die allgemeine Bezeichnung der Warengattung („Blusen“, „Pulli“, „Hosen“) aufzuführen oder ob in der Leistungsbeschreibung die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung genannt werden muss.

Sachverhalt

Dem Beschluss liegt ein Streit zwischen einer Großhändlerin von Textilien und Modeaccessoires im Niedrigpreissegment und dem Finanzamt zugrunde. Die Großhändlerin machte aus Rechnungen ihrer Lieferanten den Vorsteuerabzug geltend. In diesen Rechnungen waren als Artikelbezeichnung Angaben wie „Hosen“, „Tops“, „Shirts“, „T-Shirts“, „Kleider“, „Bluse“, „Weste“, „Jacken“ enthalten. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen mit der Begründung, die Leistungsbeschreibung sei unzureichend, und erließ Umsatzsteuerbescheide. Dagegen legte die Händlerin Einsprüche ein, die das Finanzamt jedoch zurückwies.

Die Händlerin erhob daraufhin Klage vor dem Finanzgericht und beantragte, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide auszusetzen. Das Finanzgericht lehnte das ab. Die bloße Angabe einer Gattung in den Rechnungen (T-Shirt, Kleider, Pulli etc.) sei keine „handelsübliche Bezeichnung“ und genüge daher nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung.

Im anschließenden Beschwerdeverfahren setzte sich die Großhändlerin schließlich durch: Der BFH hob den ablehnenden Beschluss des Finanzgerichts auf und entschied, dass die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide auszusetzen sei.

Rechtliche Wertung

Nach Auffassung des BFH ist die Versagung des Vorsteuerabzugs ernstlich zweifelhaft.

Der BFH stützt diese Auffassung auf mehrere Gründe. Zunächst stellt er fest, dass es zu den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung im Niedrigpreissegment noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt und dass diese Frage von den Finanzgerichten unterschiedlich beantwortet wird.

Des Weiteren nimmt er Bezug auf einen BFH-Beschluss vom 29.11.2002 (V B 119/02), wonach bei „hochpreisigen“ Uhren und Armbändern die bloße Gattungsangabe „diverse Armbanduhren“ oder „diverse Armbänder“ als Leistungsbeschreibung nicht ausreichend sei. Ob daraus allerdings geschlossen werden kann, dass im Niedrigpreissegment geringere Anforderungen an die Leistungsbeschreibung zu stellen sind, ist nach Auffassung des BFH ernstlich zweifelhaft und damit klärungsbedürftig. Der Aufwand für die Konkretisierung des Leistungsgegenstands in Rechnungen könnte bei Großeinkäufen verschiedener Waren zu geringen Stückpreisen als unverhältnismäßig erscheinen.

Schließlich hält der BFH die Versagung des Vorsteuerabzugs auch mit Blick auf das EU-Recht für zweifelhaft. So sieht Art. 226 MwStSystRL lediglich vor, dass die „Art der gelieferten Gegenstände“ aus der Rechnung hervorgehen muss, nicht jedoch – wie vom Umsatzsteuergesetz gefordert – deren „handelsübliche Bezeichnung“.

So kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass ernstliche Zweifel an der Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen mangels hinreichender Leistungsbeschreibung bestehen.

Hinweis

Endgültig geklärt ist die Frage, was nun in der Rechnung konkret zu stehen hat, damit noch nicht. Denn für den aktuellen Beschluss prüfte der BFH die Bescheide nur überschlägig. Eine endgültige Entscheidung muss vielmehr das zuständige Finanzgericht im Hauptsacheverfahren treffen, das noch anhängig ist.

Zur gleichen Thematik ist bereits ein Hauptsacheverfahren unter dem Aktenzeichen XI R 2/18 beim BFH anhängig. Auch hier geht es um die Frage, welche Anforderungen eine Leistungsbeschreibung in den Fällen der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Lieferung von Waren im Niedrigpreissegment erfüllen muss. Warten wir es also ab, in welche Richtung sich die Rechtsprechung zu dieser Frage entwickeln wird.

Steuerberaterin Birgitt Müller, Dipl.-Betriebswirtin (BA)