Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit

08. März 2021 Newsletter Insolvenzrecht

Wird ein mit Grundpfandrechten belastetes betriebliches Grundstück veräußert, müssen aus dem Veräußerungserlös zunächst die Ansprüche der absonderungsberechtigten Gläubiger befriedigt werden. Aus Sicht der Einkommensteuer sind der steuerliche Erlös sowie die hieraus resultierende Steuer der Masse zuzurechnen. Dies gilt auch, wenn der Masse tatsächlich kein Erlös zufließt. Der BFH stellt nun klar, dass zum Eintritt dieser Rechtsfolge nicht in allen Fällen eine Beteiligung des Insolvenzverwalters an der Veräußerung vonnöten ist.

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Anita Veenhoff
Anita Veenhoff

Rechtsanwältin

BFH: Zwangsversteigerung durch einen absonderungsberechtigten Grundpfandgläubiger und ohne Zutun des Insolvenzverwalters

InsO § 49, § 55 I Nr. 1, § 88 I, § 165
BFH, Urteil vom 7.7.2020 – X R 13/19 (FG Rheinland-Pfalz)

I. Leitsatz der Verfasserin
Die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer bei Zwangsversteigerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Betriebsgrundstücks auf Betreiben eines absonderungsberechtigten Gläubigers und ohne Zutun des Insolvenzverwalters ist eine „in anderer Weise“ durch die Verwertung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit.

Für die Einstufung als Masseverbindlichkeit sind die Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes sowie dessen fehlende Freigabe durch den Insolvenzverwalter entscheidende Wertungsmomente.

II. Sachverhalt
Der Kläger war zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin S. bestellt worden. Vor Verfahrenseröffnung betrieb S. eine Gaststätte, zu deren Betriebsvermögen ein Grundstück gehörte. Das Grundstück war zu Gunsten der finanzierenden Bank mit einer Grundschuld iHv 240.000 EUR belastet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrieb die Bank die Zwangsvollstreckung in das Grundstück und es kam zu einer Veräußerung bei einem Bargebot von 133.000 EUR. Ein Zufluss des Kaufpreises zur Masse ist nicht erfolgt. Aus der Aufdeckung stiller Reserven ergab sich steuerlich ein Veräußerungsgewinn. Das Finanzamt sah die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit an und setzte mit dem an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichteten Bescheid Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer fest.

Sowohl das Einspruchsverfahren wie auch das Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung blieben ohne Erfolg. Die vom Kläger vor dem BFH eingelegte Revision wurde zurückgewiesen.

III. Rechtliche Wertung:

Bei der Entscheidung über die Freigabe eines Grundstücks aus der Insolvenzmasse werden die Interessen des Insolvenzverwalters hinreichend gewahrt. Für diesen ist regelmäßig frühzeitig absehbar, ob ein Gegenstand für die Masse belastend und daher freizugeben ist.

Nach Auffassung des Zehnten Senat habe das Finanzamt die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer zu Recht gegenüber dem Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr. 1 HS. 2 InsO erfasst. Die Masseverbindlichkeit sei durch eine „auf andere Weise durch die Verwertung der Insolvenzmasse“ begründet.

Bei dem Betriebsgrundstück handele es sich um einen vorhandenen erheblichen Vermögenswert, der Teil der Insolvenzmasse war. Dem Einwand des Insolvenzverwalters, nach dem der Masse im Hinblick auf die den Wert übersteigenden Belastungen kein Wert zur Verfügung gestanden hätte, da sie wirtschaftlich verbraucht sei, folgte der Senat nicht.

Die Einordnung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer als Insolvenzforderung oder (sonstige) Masseverbindlichkeit richte sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend sei, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Dies richte sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Aufgrund der Veräußerung eines zur Masse gehörenden Grundvermögens sei vorliegend allein der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung maßgeblich. Zwar sei vorliegend der Besteuerungstatbestand nicht durch eine Veräußerung seitens des Insolvenzverwalters selbst, sondern durch einen Insolvenzgläubiger ausgelöst worden. Jedoch endete erst mit dem Zuschlag die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen. Dies gelte auch, wenn die zu versteuernden stillen Reserven schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren.

Die Zuordnung der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit könne vorliegend auch nicht an der Person des Handelnden festgemacht werden. Auch der absonderungsberechtigte Gläubiger sei als Dritter nicht dem Bereich des Insolvenzverwalters zuzurechnen. Daher verbleibe als Anknüpfungspunkt zur Einordnung allein der Umstand, dass der Vermögensgegenstand bis zur Verwertung mit Willen des Insolvenzverwalters Teil der Insolvenzmasse gewesen sei. Es fehlte an einer Freigabe des Grundstücks bis zum Versteigerungstermin. Mit der Nicht-Freigabe des Grundstücks musste der Kläger einbeziehen, dass möglicherweise Masseverbindlichkeiten entstehen können.

Der Senat sah die Voraussetzungen des § 55 I Nr. 1 HS.2 InsO als erfüllt an. Nach dem eindeutigen Wortlaut sei auch keine aktive Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters erforderlich. Anderenfalls käme der zweiten Alternative der Vorschrift kein Regelungsgehalt zu.

Der Entscheidung stehe auch nicht entgegen, dass der Masse der Veräußerungserlös nicht zugeflossen sei. Insoweit genüge der mit der Massezugehörigkeit verbundene potenzielle Massezufluss.

IV. Praxishinweis
Mit der vorliegenden Entscheidung knüpft der BFH an die geänderte Rechtsprechung des BFH vom 16.5.2013 (NZI 2013, 709) zum Fall der Veräußerung einer mit Absonderungsrechten belasteten Immobilie durch den Insolvenzverwalter an. Die Rechtsprechung führt zu einer Belastung der Insolvenzmasse mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer, während der Erlös aus der Verwertung zur Begleichung der Steuer nicht zur Verfügung steht. Nun stellt der BFH klar, dass für die Veräußerung kein aktives Handeln des Insolvenzverwalters notwendig ist.

Ausdrücklich offen bleibt nach der vorliegenden Entscheidung, ob ein anderes gilt, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten dem Insolvenzverwalter eine rechtzeitige Entscheidung nicht ermöglichen - etwa, wenn zur Prüfung aller Parameter der Freigabe nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Offen bleibt auch, ob ein anderes gilt, wenn die Einbeziehung des Grundstücks in ein Insolvenzplanverfahren geplant wäre. Insoweit resümiert der Senat lediglich die Möglichkeit zur einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung, ohne jedoch über die Grundfrage entscheiden zu wollen.

Im Rahmen der Entscheidung des Insolvenzverwalters über die weitere Verfahrensweise mit einer massezugehörigen Immobilie bleibt dem Insolvenzverwalter aus Haftungsgesichtspunkten in beiden Richtungen die mögliche Steuerbelastung bei einer potentiellen Veräußerung der massezugehörigen Immobilie in die Prüfung mit einzubeziehen und die Immobilie nach Abwägung ggf. freizugeben.

Rechtsanwältin Anita Veenhoff