Ein Geschäftsführer, der nach Eintritt der Insolvenzreife noch Zahlungen seiner Gesellschaft zulässt, haftet dafür persönlich gemäß § 64 GmbH-Gesetz a.F. bzw. § 15b InsO. Wie wirkt es sich auf diese Haftung aus, wenn es dem Insolvenzverwalter gelingt, im Wege der Anfechtung Rückzahlungsansprüche gegenüber den Zahlungsempfängern durchzusetzen?
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Die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen mindert die Haftung des Geschäftsführers
BGH: Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung mindert die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F.
GmbHG § 64 a.F.
BGH, Urteil vom 15.6.2021 – II ZR 146/20 (OLG München)
I. Leitsatz des Verfassers
Bezieht sich eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht auf einzelne Gutschriften, sondern auf die Saldodifferenz in einem bestimmten Zeitraum, werden die in die Saldodifferenz einfließenden Einzahlungen im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe der Gutschriften nicht erreicht. Ob es sich dabei um Zahlungen iSd § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. handelt, spielt dafür keine Rolle.
II. Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Er macht gegen den beklagten ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin unter anderem einen Erstattungsanspruch gem. § 64 S. 1 GmbHG a.F. aufgrund einer Einzahlung vom 22.3.2013 auf das debitorische Konto bei der V-Bank in Höhe von 14.800 EUR geltend. Der Kläger hatte während des Berufungsverfahrens die Rückführung des Kontostandes in Höhe des Saldos aus Zahlungsein- und -ausgängen bei der V-Bank für den Zeitraum 18.3.2013 bis 18.4.2013 angefochten und insgesamt eine Rückzahlung in Höhe von 32.491 EUR erhalten. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
III. Rechtliche Wertung
Das Berufungsgericht war der Auffassung, die Einzahlung des streitgegenständlichen Betrages von 14.800 EUR auf das debitorische Konto sei durch die erfolgreiche Insolvenzanfechtung nicht – auch nicht teilweise – ausgeglichen worden. Dieser Auffassung widerspricht der Senat. Zutreffend habe das Berufungsgericht noch gesehen, dass nach der Rechtsprechung des Senats der Erstattungsanspruch gem. § 64 S. 1 GmbHG a.F. nicht nur bei Erfüllung durch das Organ entfalle, sondern auch durch einen anderweitigen Ausgleich, der den Zweck der Ersatzpflicht erreiche, etwa im Wege der Insolvenzanfechtung. Das Berufungsgericht habe jedoch rechtsfehlerhaft auf die im Anfechtungszeitraum erfolgten weiteren Abverfügungen vom Konto der Schuldnerin abgestellt. Beziehe sich eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht auf einzelne Gutschriften, sondern auf die Saldodifferenz in einem bestimmten Zeitraum, würden die in die Saldodifferenz einfließenden Einzahlungen im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe nicht erreiche. Werde im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückführung des ausgereichten Dispositionskredits in Höhe des Betrages ausgeglichen, um den die Summe der in das Kontokorrent eingestellten Zahlungen die Auszahlungen übersteige, sei angesichts der damit verbundenen Saldierung der Zahlungsein- und –ausgänge die Zuordnung dieses Ausgleichs zu einzelnen Gutschriften regelmäßig nicht möglich. Hier stehe es jedoch nicht im Belieben des Insolvenzverwalters, die Einzahlungen auszuwählen, die aufgrund der Insolvenzanfechtung ausgeglichen würden. Die Zuordnung habe vielmehr nach objektiven Kriterien zu erfolgen, sodass nach dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 2 letzter Fall BGB sämtliche bei der Saldierung berücksichtigten Gutschriften verhältnismäßig, mithin zum selben Anteil ausgeglichen würden, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei diesen um Zahlungen iSd § 64 S. 1 GmbHG a.F. handele. Da dieser Anteil aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht ermittelbar sei, müsse die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
IV. Praxishinweis
Der Senat bestätigt damit seine bereits im Urteil vom 11.2.2020 – II ZR 427/18 aufgestellten Grundsätze. Aus Sicht des in Anspruch genommenen Geschäftsführers, der durch die sehr harte Linie des Senats zum Ersatz von Zahlungen gem. § 64 S. 1 GmbHG a.F. (heute: gem. § 15b InsO) ohnehin schwer getroffen ist, ist dies zu begrüßen. Warum die fehlende Möglichkeit, den im Wege der Anfechtung erlangten Betrag konkret einzelnen Einzahlungen zuzuordnen, zu Lasten des Geschäftsführers gehen sollte, wäre auch nur schwer verständlich.
Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra
Mehr Informationen zur Insolvenzanfechtung unter www-insolvenz-anfechtung.de